Kategorien-Archiv Verkehrsrecht

VonHagen Döhl

Anspruch auf privatärztliche Behandlung

Die Haftpflicht des Schädigers kann auch bei einem geschädigten Kassenpatienten eine privatärztliche Behandlung umfassen. Der BGH hat in einer Entscheidung vom 6.7.2004 darauf hingewiesen, dass zwar grundsätzlich ein Kassenpatient keinen Anspruch auf privatärztliche Behandlung habe, die Umstände des Einzelfalles aber die Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen rechtfertigen können mit der Folge, dass der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung auch die dadurch entstehenden Kosten als Schaden erstatten müssen. Die Umstände bejahte der BGH, weil der Arzt, zu dem der Geschädigte ein besonderes Vertrauen haben durfte, wegen der besonderen Schwierigkeit der notwendigen Behandlung nicht zu einer Tätigkeit zu den Sätzen einer kassenärztlichen Vergütung bereit war. Außerdem hatte der Kläger wegen der falschen Behandlung des Beklagten Schmerzen, und es war ihm nach dem BGH nicht zuzumuten, diesen Schmerzzustand so lange aufrechtzuerhalten, bis er einen Vertragszahnarzt gefunden hätte.
(BGH, Urteil v. 6.7.2004 – VI ZR 266/03)

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VG Berlin gibt der Klage eines Taxenunternehmers gegen Tempo 30 teilweise statt

Das Verwaltungsgericht Berlin hat der Klage eines Taxenunternehmers gegen ein Tempolimit teilweise stattgegeben. Die Beschränkung der Geschwindigkeit auf 30 km/h auf einer innerstädtischen Straße in Berlin war unter Berufung auf Verkehrsunfallzahlen angeordnet worden. Das VG bemängelte, dass die anordnende Behörde nicht beachtet habe, dass sich fast alle Unfälle tagsüber ereignet hätten. Die Behörde hätte insofern an eine nach Tageszeiten differenzierende Regelung denken müssen (Urteil vom 24.11.2004, Az.: VG 11 A 717.04).

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Betreiber von Waschanlagen dürfen ihre Haftung nicht auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränken

Betreiber von Waschanlagen dürfen ihre Haftung für Schäden für außen an der Karosserie angebrachte Autoteile nicht auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränken. Eine solche Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Waschanlagenbetreibers benachteiligt die Kunden unangemessen im Sinn von § 9 Abs.1 AGBG (jetzt § 307 Abs.1 BGB). Die Klausel ist damit unwirksam.
Der Kläger hatte seinen Mercedes Pkw in der Waschstraße der Beklagten waschen lassen. Nach Beendigung des Waschvorgangs stellte der Kläger fest, dass ein klappbarer Außenspiegel im Gelenk beschädigt war und die Zierleiste auf der Höhe des Spiegels zerkratzt war. Der Kläger ließ die Schäden reparieren. Als er die Waschanlage der Beklagten nochmals benutzte, wurde sein Pkw erneut in nahezu gleicher Weise beschädigt. Der Kläger verlangte von der Beklagten den Ersatz der Reparaturkosten, Nutzungsausfall und für die Reparaturdauer eine Unkostenpauschale.
Die Beklagte weigerte sich zu zahlen und berief sich auf eine in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen festegelegte Haftungsbeschränkung. Hiernach ist eine Haftung der Beklagten für die Beschädigung der außen an der Karosserie angebrachten Teile, wie zum Beispiel Zierleisten, Spiegel, Antennen, sowie dadurch verursachte Lack- und Schrammschäden, ausgeschlossen, es sei denn, dass die Beklagte die Schäden grob fahrlässig verursacht hat.
Die Klage hatte vor dem Berufungsgericht keinen Erfolg. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Urteil auf und wies sie Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Der Kläger kann gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz haben. Die Benutzer einer Waschanlage erwarten eine Reinigung ihrer Fahrzeuge, ohne dass diese beschädigt werden. Eine Freizeichnungsklausel, die eine Haftung des Waschanlagenbetreibers auf grobes Verschulden beschränkt, benachteiligt die Kunden entgegen Treu und Glauben unangemessen. Sie ist deswegen gemäß § 9 Abs.1 AGBG (jetzt § 307 Abs.1 BGB) unwirksam. Das Berufungsgericht muss nun aufklären, ob die Schäden am Wagen des Klägers durch den Waschvorgang hervorgerufen wurden und ob die Beklagte ein Verschulden hieran trifft.
(BGH 30.11.2004, X ZR 133/03 )

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Streu- und Räumpflicht außerhalb geschlossener Ortschaften

Außerhalb geschlossener Ortschaften besteht nach der ständigen Rechtsprechung des BGH, der auch der erkennende Senat folgt, eine Streupflicht nur an besonders gefährlichen Stellen. Gefährlich sind solche Straßenstellen, die wegen ihrer eigentümlichen Anlage oder bestimmter Zustände, die nicht ohne weiteres erkennbar sind, die Möglichkeit eines Unfalls auch für den Fall nahe legen, dass der Verkehrsteilnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt walten lässt. Eine besonders gefährliche Stelle liegt erst dann vor, wenn der Verkehrsteilnehmer bei der für Fahrten auf winterlichen Straße zu fordernden schärferen Beobachtung des Straßenzustandes und der damit zu fordernden erhöhten Sorgfalt den die Gefahr bedingenden Zustand der Straße nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und deshalb die Gefahr nicht meistern kann. Solche Umstände sind etwa bei Brücken mit der Gefahr verstärkter Glatteisbildung oder Gefällestrecken gegeben. (Leitsatz der Redaktion)
(Brandenburgisches OLG – 22.06.2004 2 U 36/03)

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Rückschluss vom Maß der Geschwindigkeitsüberschreitung auf Vorsatz?

Der Grad der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist ein starkes Indiz für fahrlässiges bzw. vorsätzliches Handeln.
(Kammergericht, 21.6.2004 – 2 Ss 60/04 – 3 Ws (B))

Das Amtsgericht hatte den Betroffenen wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts verurteilt, weil er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 23 km/h überschritten hatte. Das Kammergericht hatte gegen die Annahme vorsätzlichen Handelns keine Bedenken und argumentierte wie folgt: Der Grad der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist ein starkes Indiz für fahrlässiges bzw. vorsätzliches Handeln. Dabei kommt es nicht auf die absolute, sondern auf die relative Geschwindigkeitsüberschreitung an, d.h. auf das Verhältnis zwischen der gefahrenen und der vorgeschriebenen Geschwindigkeit. Je größer diese ist, d.h. je höher die prozentuale Überschreitung ausfällt, desto eher wird sie von einem Kraftfahrer, der die zulässige Höchstgeschwindigkeit kennt, auf Grund der stärkeren Fahrgeräusche und der schneller vorbeiziehenden Umgebung bemerkt. Bei demjenigen, der die innerhalb einer geschlossenen Ortschaft durch Gesetz vorgeschriebene zulässige Höchstgeschwindigkeit um 46 km/h überschritten hat, müssen für die Annahme fahrlässigen Handelns deshalb besondere Umstände festgestellt werden.

Anmerkung:

Diese Frage ist auch für den Deckungsumfang der Rechtsschutzversicherung relevant. Erfolgt nämlich eine Verurteilung wegen Vorsatzes, wird die Rechtsschutzversicherung leistungsfrei und kann gezahlte Vorschüsse zurückfordern.

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Annahme eines qualifizierten Rotlichtverstoßes bei freier Sekundenschätzung durch Polizeibeamte

Die Annahme eines qualifizierten Rotlichtverstoßes (Rotphase länger als 1 Sekunde) allein auf Grund freier gefühlsmäßiger Sekundenschätzung eines Polizeibeamten ist rechtsfehlerhaft.
(OLG Köln, Beschluss vom 7.9.2004 – 8 Ss Owi 12/04)

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Trotz Entzugs der Fahrerlaubnis – ausländischer Führerschein kann auch im Inland gültig sein

Ein deutscher Kraftfahrzeugführer, der im Inland keinen ordentlichen Wohnsitz hat, macht sich nicht wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar, wenn er die Fahrerlaubnis eines anderen EU- oder EWR-Mitgliedsstaates besitzt, die ihm nach Ablauf einer im Inland angeordneten Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis ausgestellt worden war.

Sachverhalt

Ein 57-jähriger war durch Urteil eines deutschen Gerichts im Jahre 1996 rechtskräftig wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen worden, wobei eine Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis verhängt wurde (§ 69 a StGB). Da er hier seinen Arbeitsplatz und seinen Führerschein verloren hatte, verlegte der Angeklagte seinen ständigen Wohnsitz nach Spanien, wo er nach Ablauf der gegen ihn in Deutschland festgesetzten Sperrfrist 1997 eine spanische Fahrerlaubnis erwarb. Den Antrag des Angeklagten, von seiner spanischen Fahrerlaubnis auch in der Bundesrepublik Gebrauch machen zu dürfen, lehnte das zuständige Landratsamt im Jahre 2001 ab, weil der Angeklagte weiterhin ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs sei, da er sich einer medizinisch-psychologischen Begutachtung nicht habe unterziehen wollen.

Gleichwohl nahm der Angeklagte im Oktober 2003 im Bereich von Singen am öffentlichen Straßenverkehr teil. Das dortige Amtsgericht war der Auffassung, dies sei ohne gültige Fahrerlaubnis geschehen und verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je € 28 (insgesamt € 1.400).

Gründe

Nach europäischem Recht (vgl. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439 EWG des Rates v. 29. 07.1991 über den Führerschein in der Fassung der Richtlinie 97/26/EG v. 02.06.1997) seien die Mitgliedstaaten grundsätzlich verpflichtet, die von anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine anzuerkennen. Deshalb sei in § 4 Abs. 1 der Verordnung über den internationale Kraftfahrzeugverkehr (IntVO) bestimmt, dass Inhaber ausländischer Führerscheine im Umfang ihrer Berechtigung im Inland Kraftfahrzeuge führen dürfen, soweit sie im Inland keinen ordentlichen Wohnsitz haben. Eine Ausnahme von dieser Anerkennung bestehe aber u.a. dann, wenn dem Fahrzeugführer zu irgendeinem früheren Zeitpunkt im Inland von einem Gericht die Fahrerlaubnis entzogen worden war (Art. 8 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 91/439; § 4 Abs. 3 Nr. 3 IntVO).

Die letztgenannte Vorschrift hat der Senat entgegen der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung nunmehr einschränkend ausgelegt und hiervon den Fall ausgenommen, dass die ausländische Fahrerlaubnis erst nach Ablauf der Bundesrepublik Deutschland festgesetzten Sperrfrist erworben wurde, wenn der Fahrer keinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat. Grund hierfür war ein jüngst ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 29.04.2004 (Az.: C-476/01), wonach eine anderweitige Handhabung gegen Gemeinschaftsrecht verstoße, weil die Versagung der Anerkennung einer ausländischen Fahrerlaubnis auf unbestimmte Zeit die Gemeinschaftsziele der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs gefährde.

Da die gegen den Angeklagten von einem deutschen Gericht verhängte Sperrfrist bereits im Juni 1997 geendet und er erst im November 1997 die spanische Fahrerlaubnis erworben hatte, lag ein solcher Ausnahmefall vor, weshalb der Senat die Revision des Angeklagten als begründet ansah und ihn freisprach.

(OLG Karlsruhe Beschluss vom 26. August 2004, 3 Ss 103/04)

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Für gestohlene Fahrzeuge muss für die Dauer der Zulassung Kraftfahrzeugsteuer gezahlt werden

Wer sein Fahrzeug nach einem Diebstahl nicht unverzüglich bei der Zulassungsstelle abmeldet, muss weiterhin Kraftfahrzeugsteuer zahlen. Auch bei einem Diebstahl des Fahrzeugs besteht die Steuerpflicht grundsätzlich solange das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist. Der Steuerpflichtige kann einer Steuerpflicht allerdings entgehen, wenn er der Zulassungsstelle den Diebstahl zumindest mitteilt.

Der Sachverhalt:
Das Finanzamt verlangte vom Kläger Zahlung der Kraftfahrzeugsteuer für den Zeitraum vom 12.7.2002 bis zum 17.4.2003. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass er die Steuer nicht zahlen müsse, da sein Fahrzeug im Mai 2001 gestohlen worden sei. Er habe Anzeige bei der Polizei erstattet. Der Kläger hatte sein Fahrzeug allerdings nicht bei der Zulassungsstelle abgemeldet. Nach Ablauf der polizeilichen Fahndung wurde der Pkw schließlich im April 2003 von Amts wegen abgemeldet. Die gegen den Kraftfahrzeugsteuer-Bescheid gerichtete Klage hatte keinen Erfolg.
(Schleswig-Holsteinisches FG 5.4.2004, 3 K 239/03 )

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Anordnung eines Fahrtenbuches im Regelfall nur für sechs Monate

Die Anordnung eines Fahrtenbuches ist im Regelfall nur für sechs Monate ermessensgerecht. Die Gründe für eine längere Anordnung müssen sich aus den Ermessenerwägungen der Behörde ergeben. Dies hat das Verwaltungsgericht Lüneburg entschieden.
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Sachverhalt

In dem zu Grunde liegenden Rechtsstreit war der Klägerin als Halterin eines PKW die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches für die Dauer eines Jahres erteilt worden. Mit dem PKW der Frau war im Januar 2003 ein Rotlichtverstoß begangen worden. Die Ampel hatte dabei bereits seit 1,07 Sekunden Rotlicht angezeigt. Obwohl ein Foto des Fahrers aufgenommen worden war, konnte dessen Identität nicht festgestellt werden. Die Klägerin hatte jede Mitwirkung an der Feststellung des verantwortlichen Fahrers abgelehnt. Nach den polizeilichen Ermittlungen kam sie als Fahrerin nicht in Frage. Nachdem das Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die Frau eingestellt worden war, hatte die zuständige Behörde die Führung eines Fahrtenbuches für die Dauer eines Jahres angeordnet. Die dagegen gerichteten Klage hatte teilweise Erfolg.
(VG Lüneburg Urteil vom 21.07.2004, Az.: 5 A 96/03)

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Geschwindigkeitsüberschreitung infolge „Augenblickversagens“ – unmittelbar ineinander übergehender Ortschaften

Einem Kfz-Führer kann dass für die Verhängung eines Fahrverbots erforderliche grobpflichtwidrige Verhalten nicht vorgeworfen werden, wenn der Grund einer von ihm begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung darin liegt, dass er das die Höchstgeschwindigkeit begrenzende Zeichen infolge eines „Augenblickversagens“ nicht wahrgenommen hat und ihm insofern allenfalls einfache Fahrlässigkeit zur Last fällt. Im vorliegenden Fall kam es zu einer Überschreitung der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit zur Nachtzeit und bei fehlender Straßenbeleuchtung nach Passieren eines Ortsausgangsschildes und des auf gleicher Höhe auf der rechten Seite der Fahrbahn aufgestellten Ortseingangsschildes einer sich unmittelbar anschließenden Ortschaft.
(OLG Rostock, Beschluss v. 21.6.2004 – 2 Ss 117/04 I90/04)