Ein deutscher Kraftfahrzeugführer, der im Inland keinen ordentlichen Wohnsitz hat, macht sich nicht wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis strafbar, wenn er die Fahrerlaubnis eines anderen EU- oder EWR-Mitgliedsstaates besitzt, die ihm nach Ablauf einer im Inland angeordneten Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis ausgestellt worden war.
Sachverhalt
Ein 57-jähriger war durch Urteil eines deutschen Gerichts im Jahre 1996 rechtskräftig wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen worden, wobei eine Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis verhängt wurde (§ 69 a StGB). Da er hier seinen Arbeitsplatz und seinen Führerschein verloren hatte, verlegte der Angeklagte seinen ständigen Wohnsitz nach Spanien, wo er nach Ablauf der gegen ihn in Deutschland festgesetzten Sperrfrist 1997 eine spanische Fahrerlaubnis erwarb. Den Antrag des Angeklagten, von seiner spanischen Fahrerlaubnis auch in der Bundesrepublik Gebrauch machen zu dürfen, lehnte das zuständige Landratsamt im Jahre 2001 ab, weil der Angeklagte weiterhin ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs sei, da er sich einer medizinisch-psychologischen Begutachtung nicht habe unterziehen wollen.
Gleichwohl nahm der Angeklagte im Oktober 2003 im Bereich von Singen am öffentlichen Straßenverkehr teil. Das dortige Amtsgericht war der Auffassung, dies sei ohne gültige Fahrerlaubnis geschehen und verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je € 28 (insgesamt € 1.400).
Gründe
Nach europäischem Recht (vgl. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439 EWG des Rates v. 29. 07.1991 über den Führerschein in der Fassung der Richtlinie 97/26/EG v. 02.06.1997) seien die Mitgliedstaaten grundsätzlich verpflichtet, die von anderen Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine anzuerkennen. Deshalb sei in § 4 Abs. 1 der Verordnung über den internationale Kraftfahrzeugverkehr (IntVO) bestimmt, dass Inhaber ausländischer Führerscheine im Umfang ihrer Berechtigung im Inland Kraftfahrzeuge führen dürfen, soweit sie im Inland keinen ordentlichen Wohnsitz haben. Eine Ausnahme von dieser Anerkennung bestehe aber u.a. dann, wenn dem Fahrzeugführer zu irgendeinem früheren Zeitpunkt im Inland von einem Gericht die Fahrerlaubnis entzogen worden war (Art. 8 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 der Richtlinie 91/439; § 4 Abs. 3 Nr. 3 IntVO).
Die letztgenannte Vorschrift hat der Senat entgegen der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung nunmehr einschränkend ausgelegt und hiervon den Fall ausgenommen, dass die ausländische Fahrerlaubnis erst nach Ablauf der Bundesrepublik Deutschland festgesetzten Sperrfrist erworben wurde, wenn der Fahrer keinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat. Grund hierfür war ein jüngst ergangenes Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 29.04.2004 (Az.: C-476/01), wonach eine anderweitige Handhabung gegen Gemeinschaftsrecht verstoße, weil die Versagung der Anerkennung einer ausländischen Fahrerlaubnis auf unbestimmte Zeit die Gemeinschaftsziele der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs gefährde.
Da die gegen den Angeklagten von einem deutschen Gericht verhängte Sperrfrist bereits im Juni 1997 geendet und er erst im November 1997 die spanische Fahrerlaubnis erworben hatte, lag ein solcher Ausnahmefall vor, weshalb der Senat die Revision des Angeklagten als begründet ansah und ihn freisprach.
(OLG Karlsruhe Beschluss vom 26. August 2004, 3 Ss 103/04)
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