Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Zur Verdachtskündigung nach Anhörung des Arbeitnehmers

1. Es entspricht den Besonderheiten der Verdachtskündigung, die Erfüllung der Aufklärungspflicht des Arbeitgebers als Voraussetzung einer wirksamen Verdachtskündigung anzusehen. Der Arbeitnehmer muß die Möglichkeit haben, die Verdachtsgründe zu entkräften und Entlastungstatsachen anzuführen.

2. Der Umfang der Anhörung des Arbeitnehmers richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Sie muß zwar nicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden. Es reicht aber nicht aus, daß der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer unsubstantiierten Wertung konfrontiert. Dem Arbeitnehmer dürfen keine wesentlichen Erkenntnisse vorenthalten werden, die der Arbeitgeber zum Anhörungszeitpunkt besitzt und auf die er den Verdacht stützt.

3. Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft seine Anhörungspflicht, so kann er sich im Prozeß nicht auf den Verdacht berufen und eine hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam. Eine schuldhafte Verletzung der Anhörungspflicht liegt aber nicht vor, wenn der Arbeitnehmer von vornherein nicht bereit ist, sich auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einzulassen. Erklärt der Arbeitnehmer, er werde sich zum Vorwurf nicht äußern und nennt er keine relevanten Gründe hierfür, muß der Arbeitgeber ihn über die Verdachtsmomente nicht näher informieren. Eine solche Anhörung des Arbeitnehmers wäre überflüssig.
(BAG 26.9.2002 – 2AZR424/01)

VonHagen Döhl

ArbeitsrechtAnspruch auf Ersatz des Steuerschadens bei verspätet gezahltem Gehalt

Zahlt ein Arbeitgeber verspätet – hier erst im Folgejahr – die Arbeitsvergütung aus, obwohl er auf die Wirksamkeit einer von ihm ausgesprochenen Kündigung nicht vertrauen durfte, muss er dem Arbeitnehmer nebst Steuerberater Beratungskosten den Steuerschaden ersetzen, der sich aus der progressionsbedingten erhöhten Steuerbelastung ergibt. Gleichzeitig ist spiegelbildlich die geringere Steuerbelastung für das vergangene Kalenderjahr zu berücksichtigen. Der Schadenersatzanspruch wegen verspäteter Lohnzahlung wird von einer etwaigen Verfallsklausel erfasst. Die Ausschlussfrist beginnt allerdings erst dann, wenn der Schaden für den Gläubiger feststellbar ist. Sie beginnt daher nicht bereits schon mit dem Zugang des Steuerbescheides, sofern es der Hilfe eines Steuerberaters bedurfte, um den Schaden konkretisieren zu können.

(BAG Urteil v. 20.6.2002 – 8 AZR 488/01)

VonHagen Döhl

Betriebsferien

Es kann ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern nicht individuell vorschreiben, wann sie in Urlaub zu gehen haben. Doch kann er „Kraft Direktionsrecht“ Betriebsferien vorsehen (im Unternehmen mit Betriebsrat nur mit dessen Zustimmung). Hinter den damit begründeten betrieblichen Belangen müssen die individuellen Urlaubswünsche der Arbeitnehmer – von Härtefällen abgesehen – zurückstehen.
(LAG Düsseldorf – 11 Sa 378/02).

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Vertragsstrafe wegen vertragswidriger Lösung vom Arbeitsvertrag

1. Die formularmäßige Vereinbarung einer Vertragsstrafe wegen vertragswidriger Lösung vom Arbeitsvertrag ist nach § 309 Nr. 6 BGB seit dem 01.01.2002 unzulässig. Der Unzulässigkeit einer derartigen Vereinbarung stehen keine im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB entgegen.

2. Eine der Höhe nach gemäß § 307 Abs. 1 BGB n.F. unwirksame Vertragsstrafe kann nicht nach § 343 BGB herabgesetzt werden.

(LAG Hamm 24.01.2003 – 10 Sa 1158/02)

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Jahre lange Zulagenzahlung

Zahlt ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter Jahre lang „Zulagen“ in gleichbleibender Höhe, ohne ausdrücklich zu erklären, dass es sich um jederzeit widerrufbare Gehaltsbestandteile handelt, so hat er nicht das Recht, die Zusatzleistungen nach Belieben zu kürzen oder zu streichen.
(LAG Baden-Würtemberg – 15 Sa 53/01)

VonHagen Döhl

Drohung mit Krankheit

Droht ein Arbeitnehmer zu einem Zeitpunkt, zu dem er unstreitig nicht krank ist, seine Krankmeldung für den Fall an, dass ihm an einem bestimmten Folgetag nicht die gewünschte Arbeitsfreistellung gewährt wird, so kommt ein solches Verhalten als „wichtiger Grund“ für eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Dies gilt erst recht, wenn der Arbeitnehmer trotz entsprechender Abmahnung seine Androhung wahr macht. Der Beweiswert einer dann vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist erschüttert. Er kann allenfalls dadurch wieder hergestellt werden, dass der Arbeitnehmer objektive Tatsachen vorträgt, die geeignete sind, den Verdacht der Täuschung des arbeitsunfähig schreibenden Arztes zu beseitigen.
(LAG Köln, Urteil v. 17.4.2002 – 7 Sa 462/01)

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Inhalt der Betriebsratanhörung zur beabsichtigten Kündigung

1. Eine ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam, wenn der Betriebsrat nur unvollständig über diejenigen Tatsachen unterrichtet wird, aus welchen sich der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs und damit ein dringendes betriebliches Erfordernis für die Entlassung des ergeben soll.

2. Notwendiger Inhalt der Betriebsratsanhörung sind gemäß § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG „die Gründe für die Kündigung“. Dies sind diejenigen Tatsachen, auf welche der Arbeitgeber aus seiner Sicht die Kündigung stützen will. Diese Gründe sind dem Betriebsrat nicht allein schlagwortartig, sondern so vollständig mitzuteilen, dass der Betriebsrat ohne eigene Nachforschungen den Kündigungsgrund beurteilen und gegebenenfalls unter Angabe von Gegengründen auf den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers einwirken kann.
(LAG Hamm Urteil vom 16.05.2002 – 8 Sa 1694/01)

VonHagen Döhl

Zum Widerruf eines erteilten Urlaubs

Der einseitige Widerruf des erteilten Urlaubs durch den Arbeitgeber ist nicht möglich (§ 13 Abs. 1 BUrlG). Der durch die Urlaubserteilung nach § 7 Abs. 1 BUrlG festgelegte Urlaubstermin kann aber einvernehmlich abgeändert werden.
(LAG Hamm Urteil vom 11.12.2002 – 18 Sa 1475/02)

VonHagen Döhl

Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates durch Telefax

Die Frist des § 99 III Betriebsverfassungsgesetz wird auch durch ein rechtzeitig als Telefax übermitteltes Verweigerungsschreiben gewahrt.
(BAG, Beschluss v. 11.6.2002 1 ABR 43/01)

VonHagen Döhl

Herausgabe eines Dienstfahrzeuges während eines Kündigungsschutzprozesses

Wird einem Arbeitnehmer die private Nutzung des zur Verfügung gestellten Dienstwagens eingeräumt, so behält der Arbeitnehmer das Nutzungsrecht bis zur wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Vertragsparteien können jedoch eine Vereinbarung treffen, dass der Arbeitgeber das Fahrzeug entschädigungslos herausverlangen kann (vgl. BAG, 17.9.1998 – 8 AZR 791/96).

Streiten Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, so ist die rechtliche Behandlung des Verlangens des Arbeitgebers auf Herausgabe des Dienstwagens streitig. Nach der überwiegend und zutreffenden Ansicht folgt die Herausgabe des Dienstwagens den allgemeinen Regeln des Weiterbeschäftigungsanspruches:

Die Rechtsgrundlage für die private Nutzung eines Dienstwagens besteht nur, solange das Arbeitsverhältnis besteht. Die Möglichkeit zur privaten Nutzung des Dienstwagens ist Vergütungsbestandteil in einer Art der Naturalvergütung. Verlangt ein Arbeitnehmer nach dem Ablauf des Kündigungstermins dennoch seinen Lohn weiter, und ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien streitig, so hat der Arbeitnehmer gem. § 615 S. 1 BGB nur Anspruch auf die Vergütung, wenn er im Prozess darlegen und beweisen kann, dass das Arbeitsverhältnis noch besteht, also durch die ausgesprochene Kündigung nicht beendet wurde. Damit kann an sich auch ein Anspruch auf Überlassung des Dienstwagens zur weiteren Nutzung als Form der Naturalvergütung nur bestehen, wenn feststeht, dass das Arbeitsverhältnis noch fortbesteht.

Danach besteht während eines laufenden Kündigungsschutzprozesses in 1. Instanz kein allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch und somit hat der Arbeitnehmer auch das überlassene Dienstfahrzeug herauszugeben. Etwas anderes gilt nur in den Fällen einer offensichtlich rechtsunwirksamen Kündigung, wenn also die ausgesprochene und angefochtene Kündigung offensichtlich rechtsunwirksam wäre. Von einer offensichtlichen Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung kann nur dann ausgegangen werden, wenn schon nach dem eigenen Vortrag des Arbeitgebers ohne Beweiserhebung und ohne einen Beurteilungsspielraum davon auszugehen wäre, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist, also die Unwirksamkeit der Kündigung ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zutage liegt.
(LAG München, 11.9.2002 – 9 Sa 315/02 = NZA-RR 2002, 636)