Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Insolvenzanfechtung bei inkongruenter Deckung – Verjährung – tarifliche Ausschlussfrist

Überträgt der Arbeitgeber innerhalb des letzten Monates vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen seine Rechte als Versicherungsnehmer aus einer Direktversicherung auf den versicherten Arbeitnehmer, so kann der Insolvenzverwalter im Wege der Insolvenzanfechtung die Zurückgewährung zur Insolvenzmasse verlangen, wenn dem Arbeitnehmer noch keine unverfallbare Anwartschaft im Sinne des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung zustand.
Der Anspruch des Insolvenzverwalters unterfällt dabei keiner tariflichen Ausschlussfrist.
(BAG, Urteil v. 19.11.2003 – 10 AZR 110/03)

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Nachwirkung von Tarifnormen

Eine zeitliche Begrenzung der Nachwirkung ist im Gesetz nicht vorgesehen. Die Nachwirkung der Tarifnormen setzt das Bestehen beiderseitigen Tarifgebundenheit im Nachwirkungszeitraum nicht voraus. Deshalb wird die durch Kündigung eines Tarifvertrages herbeigeführte Nachwirkung durch einen Verbandsaustritt des Arbeitgebers im Nachwirkungszeitraum nicht beseitigt. Eine „Endlosbindung“ liegt schon deswegen nicht vor, weil dem Arbeitgeber die Möglichkeit einzelarbeitsvertraglicher Änderung, der Änderungskündigung sowie der Abschluss eines Firmentarifvertrages bleiben. Auch eine Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages kann zum Ende der Nachwirkung führen.
(BAG, Urteil v. 15.10.2003 – 4 AZR 573/02)

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Außerordentliche Kündigung wegen Androhung einer Erkrankung bei Nichtgewährung von Urlaub

Die Ankündigung einer zukünftigen, im Zeitpunkt der Äußerung noch nicht bestehenden Erkrankung durch den Arbeitnehmer im Fall der Ablehnung von begehrtem Urlaub ist ohne Rücksicht auf die spätere tatsächlich auftretende Krankheit an sich als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung geeignet. Maßgeblich ist die Wertung durch einen verständigen Dritten.
(BAG, Urteil v. 17.6.2003 – 2 AZR 123/02)

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Änderungskündigung, auflösende Bedingung, Vertragsbedingung

Die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung für einzelne Vertragsbedingungen bedarf, wenn der Inhalt dem Änderungsschutz nach § 2 KSchG unterliegt, einer sachlichen Begründung, andernfalls ist sie unwirksam.
KSchG § 2
(LAG Köln, Entscheidung vom 10.7.2003 – 5 Sa 392/03)

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Doppelte Schriftformklausel und üblich gewordene Leistung

Eine doppelte Schriftformklausel, nach der Ergänzungen des Arbeitsvertrags der Schriftform bedürfen und eine mündliche Änderung der Schriftformklausel nichtig ist, schließt den Anspruch auf eine üblich gewordene Leistung aus
(BAG, Entscheidung vom 24.6.2003 – 9 AZR 302/02)

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Betriebsbedingte Kündigung – Sozialauswahl

Die zugunsten des älteren und länger beschäftigten Arbeitnehmers getroffene Sozialauswahl kann nicht deshalb als fehlerhaft beanstandet werden, weil diesen Arbeitnehmer aufgrund seiner Rentennähe eine Arbeitslosigkeit weniger hart träfe als einen Arbeitskollegen, der, weil jünger, vom Erreichen der Altersgrenze noch weiter entfernt ist.
(LAG Düsseldorf – 21.01.2004 12 Sa 1188/03)

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Kündigungsschutz im Kleinbetrieb

Die auch außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes gebotene Berücksichtigung des durch langjährige Beschäftigung entstandenen Vertrauens erfordert, dass der Grund für Kündigungen gegenüber langjährig beschäftigten Arbeitnehmern auch angesichts der Betriebszugehörigkeit „einleuchten“ muss. Es kann deshalb als treuwidrig zu werten sein, wenn der Arbeitgeber die Kündigung auf auch im Kleinbetrieb eindeutig nicht ins Gewicht fallende einmalige Fehler eines seit Jahrzehnten beanstandungsfrei beschäftigten Arbeitnehmers stützen will.
Allein eine langjährige Betriebszugehörigkeit führt jedoch nicht zur Anwendung der nach den KschG geltenden Maßstäbe.
(BAG, 28.8.2003 – 2 AZR 333/02)

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Anspruch auf Teilzeitarbeit

Verlangt der Arbeitnehmer die Arbeitszeit zu verringern und die Verteilung der zu verringernden Arbeitszeit neu festzulegen, so stellt das einen Antrag auf entsprechende Änderung des Arbeitsvertrages dar. Dieser Antrag kann nach § 150 Abs. 2 BGB nur unverändert angenommen werden. Verknüpft der Arbeitnehmer beide Begehren miteinander, kann der Arbeitgeber darüber nur einheitlich entscheiden. Regelmäßig hängen beide Änderungswünsche voneinander ab, weil der Wunsch, die Arbeitszeit zu verringern, auf Planungen beruht, die für die Verteilung der Arbeitszeit von Bedeutung ist.
Sowohl dem Wunsch des Arbeitnehmers auf Verringerung als auch auf Neuverlegung der Arbeitszeit, können betriebliche Gründe entgegenstehen (§ 8 Abs. 4 Satz 1 TZBFG). Nach dem Zweck des Gesetzes ist die arbeitgeberseitige Vorstellung über die angemessene Dauer und Verteilung der Arbeitszeit noch kein Ablehnungsgrund. Welche Anforderungen an die entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu stellen sind, ist anhand der in § 8 Abs. 4 Satz 2 TZBFG genannten Regelbeispiele zu klären. Dem Arbeitswunsch des Arbeitnehmers müssen danach Gründe entgegenstehen, die betriebliche Belange wesentlich beeinträchtigen.
Ob einem mit dem Verlangen nach Verringerung der Arbeitszeit verbundenen Wunsch auf Festlegung der Lage der Arbeitszeit genügend gewichtige betriebliche Gründe entgegenstehen, ist in drei Stufen zu prüfen:

a) Zunächst ist das vom Arbeitgeber aufgestellte und durchgeführte Organisationskonzept festzustellen, dass der vom Arbeitgeber als betrieblich erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung zu Grunde liegt.
b) Dann ist zu überprüfen, ob die vom Organisationskonzept bedingte Arbeitszeitregelung tatsächlich der gewünschten Änderung der Arbeitszeit entgegensteht.
c) Abschließend ist zu prüfen, ob das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe so erheblich ist, dass die Erfüllung des Arbeitszeitwunsches des Arbeitnehmers zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der Arbeitsorganisation des Arbeitsablaufes, der Sicherung des Betriebes oder zu einer unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Belastung des Betriebs führen würde.

§ 8 TZBFG ist mit dem Schutz der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG vereinbart. Der gesetzgeberische Eingriff ist im Hinblick auf das Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen, gerechtfertigt.
Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz lassen die Rechte des einzelnen Arbeitnehmers aus § 8 TZBFG unberührt.
(BAG, Urteil v. 18.2.2003 – 9 AZR 164/02)

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Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld gem. § 14 I Mutterschutzgesetz

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 18.11.2003 entschieden, dass der Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld gem. § 14 I Mutterschutzgesetz verfassungswidrig ist.
Zwar ist die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung eines Zuschusses zum Mutterschaftsgeld an der Berufsfreiheit des Art. 12 I GG zu messen (dieser Aspekt stellt eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1974 dar). Auch begründet Art. 6 IV GG keine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, Kosten des Mutterschutzes allein zu tragen. § 14 I Abs. 1 Mutterschutzgesetz verstößt aber gegen Art. 12 I GG. Der Gesetzgeber hat bis zum 31.12.2005 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.
Dies begründet das Bundesverfassungsgericht damit, dass die Regelung eine unangemessene Beschränkung der Berufsfreiheit darstellt, weil sie das im Zuge systematischer Verfassungsinterpretation zu berücksichtigende Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 2 GG verletzt.
(Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 18.11.2003 – 1 BvR 302/96 – NJW 2004, 146)

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Übergabe einer Kündigung in Kopie statt im Original

Eine Kündigungserklärung nach § 623 BGB muss nicht nur in der
vorgeschriebenen Form erstellt, sondern im allgemeinen auch in dieser
Form zugegangen sein. Es reicht deshalb nicht aus, dass das Schriftstück
dem Adressaten nur zum Durchlesen überlassen wird. Die bloße
(Möglichkeit der) Kenntnisnahme des Inhalts genügt nicht, vielmehr muss
der Adressat die (alleinige) Verfügungsgewalt über das Schriftstück
erlangt haben.
(LAG Hamm 04.12.2003 4 Sa 900/03)