Kategorien-Archiv Verkehrsrecht

VonHagen Döhl

Geschwindigkeitsüberschreitung in der Probezeit immer schwerwiegend

Eine Fahrerlaubnis auf Probe kann entzogen werden, wenn der Inhaber nach zwei Geschwindigkeitsverstößen ein von der Fahrerlaubnisbehörde nach § 2a Abs. 5 Satz 5 StVG angeordnetes MPU-Gutachten nicht vorgelegt hat. Dies hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße mit Eilbeschluss vom 18.10.2016 entschieden. Denn das Gesetz bewerte jede Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb der Probezeit als schwerwiegende Verkehrszuwiderhandlung (Az.: 1 L 754/16.NW).

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Entziehung der Fahrerlaubnis – Kokain im Haar

Die Fahrerlaubnisbehörde kann ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen von einer fehlenden Fahreignung ausgehen, wenn bei entnommenen und mittels beweissicher chromatographisch untersuchten Haarproben Rückstände von Cocain und Benzoylecgonin gefunden wurden. Daraus kann geschlossen werden, dass der Inhaber der Fahrerlaubnis Kokain konsumiert hat. Dabei handelt es sich um ein Betäubungsmittel, das in Anlage III zu § I Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes genannt ist. Um das Ergebnis eines chromatographischen Verfahren ("Haarprobe" mit Nachweis des Kokainkonsums) zu erschüttern, muss substantiiert dargelegt werden, dass die Möglichkeit von Kreuzreaktionen besteht. Die bloße Behauptung eines Heilpraktikers, die Injektionen von Procain, Lidocain und Novocain könnten zu verfälschten Werten bei Verkehrskontrollen führen, ist hierfür nicht ausreichend.

(Beschluss des VGH Bayern vom 09.06.2016, Az.: 11 ZB 245/16)

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Vorsatz bei der Geschwindigkeitsüberschreitung

Der Grad der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit kann ein starkes Indiz für vorsätzliches Handeln sein, wobei es auf das Verhältnis zwischen der gefahrenen und der vorgeschriebenen Geschwindigkeit ankommt. Es ist von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass einem Fahrzeugführer die erhebliche Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit aufgrund der Fahrgeräusche und der vorüberziehenden Umgebung jedenfalls dann nicht verborgen bleibt, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40% überschritten wird (§ 3 StVO).
(OLG Hamm, Beschluss vom 10.05.2016 – 4 RBS 91/16)
 

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Höhe des bedeutenden Schadens nach unerlaubtem Entfernen vom Unfallort liegt bei 1.500 EUR

Bei dem bedeutenden Sachschaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB handelt es sich um einen ausfüllungsbedürftiges Tatbestandsmerkmal. Die Wertgrenze von 1.300 Euro entstammt älteren Urteilen und wird seit zehn Jahren unverändert in der Kommentarliteratur vertreten. Da die Geldentwicklung nicht außer Acht bleiben darf, muss eine Korrektur wenigstens am Maßstab des Verbraucherpreisindexes erfolgen, aufgrund deren ein bedeutender Schaden mittlerweile wenigstens 1.500 EUR ausmachen muss.
(LG Braunschweig, 03.06.2016, 8 Qs 113/16)

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Privater Grundstücksbesitzer darf Falschparker sofort abschleppen lassen

Das AG München hat entschieden, dass ein privater Grundstücksbesitzer in der Regel berechtigt ist, Falschparker sofort abschleppen zu lassen, ohne die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme beachten zu müssen, solange die Maßnahme erforderlich ist, um die Besitzstörung zu beenden.
(AG München   15.07.2016   122 C 31597/15)

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Alleinhaftung eines Radfahrers bei verkehrswidrigem Verlassen des Radwegs

Bei Verlassen des durch eine durchgehend weiße Linie von der Fahrbahn abgeteilten Radwegs in Richtung Fahrbahn sind die erhöhten Sorgfaltspflichten des Ein- und Ausfahren (§ 10 Satz 1 StVO) zu beachten. Das für Fahrradfahrer verkehrswidrige Überqueren dieser Linie unter Missachtung der übrigen Sorgfaltspflichten, um unmittelbar anschließend unter Missachtung der Abbiegepflichten zwecks Linksabbiegens zur Straßenmitte zu lenken, rechtfertigt die Alleinhaftung des Radfahrers im Falle der Kollision mit dem nachfolgenden Verkehr.

Hervorzuheben ist, dass allein die Tatsache, dass ein Verkehrsteilnehmer weiße Haare hat, nicht die erhöhte Sorgfaltspflicht nach § 3 Abs. 2a StVO auslöst. Es muss also nicht ausdrücklich gebremst werden, wenn ein älterer Verkehrsteilnehmer erblickt wird, soweit nicht die Gefahr für verkehrswidriges Verhalten voraussehbar ist. Auf einem breiten und abgetrennten Radweg, der parallel zu einer Straße verläuft, muss mit schräg querenden Radfahrern – gleich welchen Alters – nicht gerechnet werden.

(OLG Hamm, Beschluss vom 09.02.2016 – 9 U 125/15)

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Gebrauchtwagenkauf: Standzeit von über zwölf Monaten vor Erstzulassung als Sachmangel?

Der BGH hatte zu entscheiden, ob ein zwei Jahre und vier Monate nach seiner Erstzulassung verkaufter Gebrauchtwagen mangelhaft ist, wenn das Fahrzeug zwischen Herstellung und Erstzulassung eine Standzeit von mehr als zwölf Monaten aufweist.

Der Kläger kaufte im Juni 2012 von der Beklagten, einer Kraftfahrzeughändlerin, einen Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 38.616 km zu einem Preis von 33.430 Euro. Im Kaufvertragsformular war unter der Rubrik "Datum der Erstzulassung lt. Fzg.-Brief" der 18.02.2010 eingetragen. Ein Baujahr wurde nicht genannt. Später erfuhr der Kläger, dass das Fahrzeug bereits am 01.07.2008 hergestellt worden war. Nach Ansicht des Klägers begründet die sich hieraus ergebende Dauer der Standzeit vor Erstzulassung (19 ½ Monate) schon für sich genommen einen Sachmangel des Kraftfahrzeugs. Er ist deshalb vom Kaufvertrag zurückgetreten und verlangt die Rückzahlung des Kaufpreises.
Das Landgericht hat seiner Zahlungsklage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen.

Die hiergegen gerichtete, vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.

Nach Auffassung des BGH begründet eine Standzeit von über zwölf Monaten vor Erstzulassung bei einem Gebrauchtwagenkauf nicht ohne Weiteres einen Sachmangel.

Die Parteien hätten weder ausdrücklich noch stillschweigend eine Beschaffenheitsvereinbarung über ein bestimmtes Herstellungsdatum oder Baujahr getroffen (§ 433 Abs. 1 Satz 2, § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der bloßen Angabe des Datums der Erstzulassung im Kaufvertrag könne – anders als der Kläger meint – eine solche (stillschweigende) Beschaffenheitsvereinbarung schon deshalb nicht entnommen werden, weil die Beklagte durch den einschränkenden Zusatz "lt. Fzg.-Brief" keine verbindliche Willenserklärung abgegeben, sondern lediglich mitgeteilt habe, aus welcher Quelle sie die entsprechenden Angaben entnommen habe (Wissensmitteilung). Die Beklagte habe damit deutlich gemacht, dass sie weder für die Richtigkeit des Erstzulassungsdatums noch – darüber hinausgehend – für ein bestimmtes Baujahr des Fahrzeugs einstehen wolle.

Die Standzeit von 19 ½ Monaten zwischen Herstellung und Erstzulassung führe auch nicht dazu, dass sich der erworbene Gebrauchtwagen zum Zeitpunkt der Übergabe nicht für die gewöhnliche Verwendung eignete und nicht die übliche, vom Käufer berechtigterweise zu erwartende Beschaffenheit aufwies (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Zwar hat der BGH für den Kauf von Neu- oder Jahreswagen bereits entschieden, dass ein Autokäufer in diesen Fällen eine zwölf Monate nicht überschreitende Standzeit vor der Erstzulassung erwarten dürfe. Denn dem durch die Standzeit voranschreitenden Alterungsprozess komme bei neuen Fahrzeugen oder zumindest "jungen Gebrauchtwagen" besonderes wirtschaftliches Gewicht zu. Vergleichbare allgemein gültige Aussagen ließen sich bei sonstigen Gebrauchtwagen jedoch nicht treffen. Welche Standzeiten bei solchen Fahrzeugen üblich seien und ein Käufer – ohne zusätzliche Verkäuferangaben – erwarten dürfe, hänge vielmehr von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, wie etwa der Dauer der Zulassung zum Verkehr und der Laufleistung des Fahrzeugs, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der Vorbenutzung. Wenn das erworbene Gebrauchtfahrzeug – wie hier – zum Zeitpunkt des Verkaufs bereits längere Zeit zum Straßenverkehr zugelassen war und durch eine relativ hohe Laufleistung eine nicht unerhebliche Abnutzung des Fahrzeugs eingetreten sei, verlören – wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen habe – eine vor der Erstzulassung eingetretene Standzeit und der hierauf entfallende Alterungsprozess zunehmend an Bedeutung. Dass konkrete standzeitbedingte Mängel aufgetreten seien, habe der Kläger nicht geltend gemacht. Der Kaufvertrag sei daher nicht rückabzuwickeln.

(BGH 29.06.2016  VIII ZR 191/15)

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Verwertung von „Dashcam“-Aufnahmen grundsätzlich zulässig

Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass "Dashcam"-Aufnahmen zur Verfolgung schwerwiegender Verkehrsordnungswidrigkeiten grundsätzlich verwertet werden können.
(OLG Stuttgart 18.05.2016  4 Ss 543/15)

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Vorsätzliche Ordnungswidrigkeit bei Geschwindigkeitsüberschreitung von 28 km/h innerorts

Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Bußgeld von 300 Euro für eine Geschwindigkeitsüberschreitung unter Umständen rechtmäßig sein kann.

Der zur Tatzeit 55 Jahre alte Betroffene aus Höxter ist bereits mehrfach verkehrsrechtlich, u.a. wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen in Erscheinung getreten. Im August 2015 befuhr er mit seinem Pkw Daimler Benz in Höxter innerorts die B 64 (Entlastungsstraße). Die zulässige, auch durch eine entsprechende Beschilderung ausgewiesene Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritt er bei einem Überholmanöver um 28 km/h, wobei sein Fahrzeug von der Polizei mittels Lasermessung kontrolliert und so die Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt wurde.
Den Verkehrsverstoß des Betroffenen ahndete das AG Höxter mit einem Bußgeld von 300 Euro (AG Höxter, Urt. v. 01.03.2016 – 11 OWi 301/15) und verhängte damit eine Geldbuße, die deutlich über dem im Bußgeldkatalog für derartige Geschwindigkeitsüberschreitungen vorgesehen Betrag von 100 Euro liegt. Dabei ging das Amtsgericht von einer vorsätzlichen Begehung aus und berücksichtigte zu Lasten des Betroffenen zudem seine Voreintragungen.

Das OLG Hamm hat die vom Betroffenen gegen seine Verurteilung eingelegte Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist der Betroffene zu Recht wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden. Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung handele vorsätzlich, wer die Geschwindigkeitsbeschränkung kenne und bewusst dagegen verstoße. Der Grad der Überschreitung könne ein starkes Indiz für vorsätzliches Handeln sein, wobei es auf das Verhältnis zwischen der gefahrenen und der vorgeschriebenen Geschwindigkeit ankomme. Insoweit gehe das Oberlandesgericht – in Übereinstimmung mit anderer obergerichtlicher Rechtsprechung – von dem Erfahrungssatz aus, dass einem Fahrzeugführer die erhebliche Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit aufgrund der Fahrgeräusche und der vorüberziehenden Umgebung jedenfalls dann nicht verborgen bleibe, wenn er die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40% überschreite. So verhalte es sich im vorliegenden Fall. Dem Betroffenen sei die innerorts zulässige Geschwindigkeit aufgrund der örtlichen Beschilderung bekannt gewesen. Im Zeitpunkt der polizeilichen Kontrolle habe er sie – zudem ein anderes Fahrzeug überholend – um mehr als 50% überschritten. Allein dieser Umstand rechtfertige die Annahme eines vorsätzlichen Verstoßes, den der Tatrichter nicht mit weitergehenden Feststellungen begründen müsse.

Der Beschluss ist rechtskräftig.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm v. 06.06.2016

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Unterlassungsanspruch gegen Halter eines Kraftfahrzeuges bei unberechtigter Parkplatznutzung

Bei einem Vertrag über die kurzfristige Nutzung eines jedermann zugänglichen privaten Parkplatzes ist eine unbedingte Besitzverschaffung durch den Parkplatzbetreiber nicht geschuldet.

Macht er das Parken von der Zahlung der Parkgebühr und dem Auslegen des Parkscheins abhängig, begeht derjenige verbotene Eigenmacht, der sein Fahrzeug abstellt, ohne sich daran zu halten.

Hat ein Fahrzeughalter sein Fahrzeug einer anderen Person überlassen, kann er als Zustandsstörer unter dem Gesichtspunkt der Erstbegehungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn er auf die Aufforderung des Parkplatzbetreibers, den für eine Besitzstörung verantwortlichen Fahrer zu benennen, schweigt. Dem Parkplatzbetreiber steht gegen den als Zustandsstörer auf Unterlassung in Anspruch genommenen Fahrzeughalter kein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Halteranfrage zu.

(BGH, Urteil vom 18.12.2015 – V ZR 160/14)