Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Schadenersatzanspruch bei verspäteter Erteilung des Arbeitszeugnisses

Jedem Arbeitnehmer steht nach seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen ein Arbeitszeugnis zu. Erteilt der Arbeitgeber dieses Arbeitszeugnis trotz ausdrücklichen Verlangens des Arbeitnehmers erst verspätet, steht dem Arbeitnehmer grundsätzlich ein Schadenersatzanspruch wegen der verspäteten Erfüllung des Zeugnisanspruches zu.
Will der Arbeitnehmer diesen Schadenersatzanspruch gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen, muss er allerdings nachweisen, dass er nur auf Grund des fehlenden Zeugnisses nicht für eine neue Arbeitsstelle aus dem Kreis der Bewerber ausgewählt wurde. In einem Verfahren vor dem LAG Hessen hatte die Klägerin ihr Arbeitszeugnis von ihrem ehemaligen Arbeitgeber, einer Bank, erst nach mehreren Monaten erhalten. Da sie sich ohne dieses Zeugnisses bei anderen Unternehmen nicht erfolgreich um eine Stelle bewerben konnte, verlangte sie von der Bank Schadenersatz in Höhe eines Jahresgehaltes. Im Prozess ergab sich allerdings, dass sich die Frau wegen des fehlenden Arbeitszeugnisses gar nicht erst beworben hatte. Den erhofften Schadenersatz wollte das Gericht der Klägerin darum nicht zusprechen. Sie hätte erst darlegen und beweisen müssen, dass sie sich bei anderen Firmen beworben hat, jedoch nur wegen des fehlenden Zeugnisses abgelehnt worden ist.
(LAG Hessen, 2 Sa 159/03)

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Angabe der Höhe bei Anspruchsgeltendmachung

Sieht eine Ausschlussklausel vor, dass Ansprüche innerhalb einer
bestimmten Frist nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden
müssen, so ist der Gläubiger grundsätzlich verpflichtet, bei der
Geltendmachung auch die ungefähre Höhe seiner Forderung zu nennen.
(BAG 17.7.2003 – 8 AZR 486/02)

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Weiterbeschäftigungsantrag im Kündigungsschutzverfahren

Ein Weiterbeschäftigungsantrag ist begründet, wenn das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung festgestellt hat und besondere Umstände, aus denen sich für die beklagte Partei überwiegende Interessen einer Nichtbeschäftigung des Klägers ergeben, nicht dargelegt sind.
Nach dem Beschluss des Großen Senats des BAG vom 27.02.1985 (AP Nr. 14 zu § 611 BGB) hat außerhalb der betriebsverfassungsrechtlichen Regelung der gekündigte Arbeitnehmer einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses, wenn die Kündigung unwirksam ist und überwiegend schützenswerte Interessen des Arbeitgebers einer solchen Beschäftigung nicht entgegenstehen. Die Ungewissheit des Ausgangs des Kündigungsrechtsstreits für sich alleine kann ein überwiegendes Gegeninteresse des Arbeitgebers an einer Nichtbeschäftigung nicht begründen, wenn erstinstanzlich die Unwirksamkeit der Kündigung festgestellt wird. Der Arbeitgeber muss besondere Umstände darlegen, aus denen sich im Einzelfall ein überwiegendes Interesse ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen.
Diese vorgenannten Grundsätze gelten auch im Berufsausbildungsverhältnis.

Der Weiterbeschäftigungsantrag kann im Kündigungsschutzprozeß als (uneigentlicher) Hilfsantrag neben dem Feststellungsantrag für den Fall gestellt werden, daß der Kündigungsschutzklage stattgegeben wird. Mit der Einschränkung, dass der Antrag nur für den Fall des Erfolges der Kündigungsschutzklage verfolgt werden soll, wird keine willkürliche Bedingung gesetzt; vielmehr hängt es allein von der Entscheidung des Gerichtes ab, ob noch eine Entscheidung über den Weiterbeschäftigungsantrag getroffen werden muß oder nicht. Es handelt sich um eine besondere Art einer Rechtsbedingung, die zulässig ist. Bislang hat noch niemand die Auffassung vertreten, dass sich der Weiterbeschäftigungsantrag erledigt hat, sofern der Arbeitgeber zwischenzeitlich einen neuen Arbeitnehmer eingestellt hat, der die früheren Aufgaben des Klägers erledigt. In der Literatur wird lediglich die Frage erörtert, ob und wann die Zwangsvollstreckung unzulässig ist; dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigungsanspruch nicht mehr erfüllen kann, weil der Arbeitsplatz weggefallen ist (z.B. durch Auflösung der Abteilung).

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Anspruch auf Teilzeitarbeit

1. Verlangt ein Arbeitnehmer seine vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zu verringern und die verringerte Arbeitszeit in einer bestimmten Weise zu verteilen, hat der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer sowohl die Verringerung der Arbeitszeit als auch die Verteilung der Arbeitszeit mit dem Ziel zu erörtern, zu einer Vereinbarung zu gelangen. Ist für den Arbeitgeber erkennbar, dass der Arbeitnehmer die Verringerung der Arbeitszeit von der gewünschten Verteilung der Arbeitszeit abhängig machen will, kann der Arbeitgeber nur einheitlich das Änderungsangebot annehmen oder ablehnen.
2. Lässt sich der Arbeitgeber auf eine Erörterung des Wunsches des Arbeitnehmers nach einer bestimmten Verteilung der Arbeitszeit nicht ein, so verstößt der Arbeitgeber damit gegen die ihm nach § 8 III 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TZBFG) obliegende Verhandlungspflicht. Eine Verletzung dieser Obliegenheit hat weder die Fiktion einer Zustimmung noch die Verwirkung des Rechts zur Folge, das Änderungsangebot des Arbeitnehmers abzulehnen.
3. Für die gerichtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Teilzeitverlangens nach § 8 TZBFG ist regelmäßig auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Arbeitgeber die Ablehnung erklärt hat.
(BAG, Urteil v. 18.2.2003 – 9 AZR 356/02)

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Kündigung des Insolvenzverwalters

1. Wird eine Kündigung des Insolvenzverwalters (hier: wegen Verstoßes gegen die besonderen Kündigungsschutzvorschriften des Mutterschutzgesetzes oder des Bundeserziehungsgeldgesetzes) angegriffen, so ist der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes zu verklagen.

2. Ist im Rubrum der Klageschrift irrtümlich als Beklagter nicht der Insolvenzverwalter, sondern die Schuldnerin genannt, so ist das Klagerubrum entsprechend zu berichtigen, wenn sich aus der Klageschrift oder aus dem dieser beigefügten Kündigungsschreiben ergibt, daß sich die Klage gegen den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes richten soll.
(BAG, Entscheidung vom 27.3.2003 – 2 AZR 272/02)

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Bautarifvertragsparteien einigen sich über neue Mindestlöhne

Die Tarifvertragsparteien des Deutschen Baugewerbes haben sich auf neue Mindestlöhne geeinigt. Die Vereinbarung sieht u.a. vor, dass der umstrittene Mindestlohn für Facharbeiter im Beitrittsgebiet ab November bis August nächsten Jahres auf unter 10,00 € abgesenkt wird. Die neue Regelung – die noch der Zustimmung durch Bauindustrie, Bauhandwerk und Gewerkschaft bedarf, soll bis zum 29. Oktober 2003 vom Bundeswirtschaftsministerium für 3 Jahre in Kraft gesetzt werden.
Zumindest der Sächsische Baugewerbeverband steht der Einigung skeptisch gegenüber. Ob die vorgesehene Regelung allseitige Zustimmung finden wird, bleibt abzuwarten. Der Zweckverbund Ostdeutscher Bauverbände (ZVOB) hat jedenfalls die dem Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) verbliebenen Ostdeutschen Bauverbände aufgefordert, dem Vertrag die Zustimmung zu verweigern. Außer Sachsen ist nur noch Sachsen-Anhalt in dem Verband vertreten.

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Anhörung und fehlerhafte Beschlussfassung des Betriebsrates

Auf das Anhörungsverfahren nach § 102 I BetrVG wirken sich Mängel, die in den Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich des Betriebsrates fallen, grundsätzlich selbst dann nicht aus, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung weiß oder nach den Umständen vermuten kann, dass die Behandlung der Angelegenheit durch den Betriebsrat nicht fehlerfrei erfolgt ist.
(BAG, Urteil v. 16.1.2003 – 2 AZR 707/01 [LAG Sachsen])

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Arbeitszeit der Ärzte

Der Gesetzgeber reagiert auf das Luxemburger Urteil, wonach ärztlicher Bereitschaftsdienst nicht als Ruhezeit bewertet werden darf, sondern wie Arbeitszeit zu behandeln ist.
Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit des Bundestages wird sich am 22. September mit einem Änderungsantrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zu ihrem Gesetzentwurf zu Reformen am Arbeitsmarkt (15/1204) beschäftigen.
Dazu hat der Ausschuss zehn Sachverständige zu einer öffentlichen Anhörung eingeladen, darunter den Deutschen Gewerkschaftsbund, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Bundesärztekammer. Gegenstand des Antrags ist eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes auf Grund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 9. September dieses Jahres.Bislang ist nach deutschem Recht Bereitschaftsdienst keine Arbeitzeit. Der Änderungsantrag der Fraktionen sieht nun vor, den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit zu geben, die Arbeitszeit auch über zehn Stunden je Werktag hinaus zu verlängern, wenn sie regelmäßig und zu einem erheblichen Teil Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst umfasst. Den Zeitraum, innerhalb dessen die verlängerte Arbeitszeit auf durchschnittlich acht Stunden pro Werktag ausgeglichen werden muss, sollen die Tarifvertragsparteien auf bis zu zwölf Monate ausdehnen können. Zusätzlich sollen sie bei regelmäßigen Bereitschaftsdiensten vereinbaren können, dass die Arbeitszeit ohne Zeitausgleich über acht Stunden je Werktag hinaus verlängert werden darf, wobei diese Arbeitszeitverlängerung jedoch unter Tarifvorbehalt gestellt werden soll. Hier müsse sicher gestellt werden, heißt es, dass die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht gefährdet wird. Auch soll der Beschäftigte dazu schriftlich seine Einwilligung geben. Generell soll jedoch die Arbeitszeit im Durchschnitt nicht mehr als 48 Stunden wöchentlich betragen dürfen.

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Betriebsbedingte Kündigung – Wiederholungskündigung

1. Ist in einem Kündigungsrechtsstreit entschieden, dass das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, so kann der Arbeitgeber eine erneute Kündigung nicht auf Kündigungsgründe stützen, die er schon zur Begründung der ersten Kündigung vorgebracht hat und die in dem ersten Kündigungsschutzprozess materiell geprüft worden sind mit dem Ergebnis, dass sie die Kündigung nicht rechtfertigen können. Der zweiten rechtzeitig erhobenen Klage ist ohne weiteres stattzugeben.
2. Der Arbeitgeber kann allenfalls noch kündigen, wenn er andere Kündigungsgründe geltend macht (und dabei vielleicht den verbrauchten Kündigungsgrund unterstützend heranzieht), wenn sich der Sachverhalt wesentlich geändert hat und damit ein neuer Kündigungstatbestand vorliegt, wenn er nunmehr nicht fristlos, sondern fristgerecht kündigen will oder wenn die Kündigungserklärung aus nicht materiell-rechtlichen Gründen (Formmangel, fehlerhafte Betriebsratsanhörung etc.) unwirksam war.
(BAG, Urteil vom 22.5.2003 – 2 AZR 485/02)

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zur Warnfunktion einer Abmahnung

Auf die Verletzung vertraglicher Pflichten darf nur dann mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses reagiert werden, wenn sich die Kündigung als ultima ratio darstellt, also Möglichkeiten, den Arbeitnehmer zu künftiger vertragsgerechter Leistung anzuhalten, nicht mehr zur Verfügung stehen. Deshalb hat einer Kündigung grundsätzlich eine Abmahnung vorauszugehen, damit der Arbeitnehmer gewarnt und ihm deutlich gemacht wird, dass er durch weiteres vertragswidriges Verhalten den Bestand seines Arbeitsverhältnisses riskiert.Die Warnfunktion einer Abmahnung kann erheblich dadurch abgeschwächt werden, dass der Arbeitgeber bei ständig neuen Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers stets nur mit einer Kündigung droht, ohne jemals arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen zu lassen. Denn eine Abmahnung kann nur dann ihre Funktion erfüllen, nämlich den Arbeitnehmer zu warnen, dass ihm bei der nächsten gleichartigen Pflichtverletzung die Kündigung droht, wenn der Arbeitnehmer diese Drohung auch ernst nehmen muss. Der Arbeitgeber muss daher, wenn er durch zahlreiche Abmahnungen deren Warnfunktion zunächst abgeschwächt hat, die letzte Abmahnung vor der Kündigung besonders eindringlich gestalten, was beispielsweise durch einen besonders hervorgehobenen Text (wie etwa „letztmalige Abmahnung“) oder durch ein eindringliches Abmahnungsgespräch geschehen kann.
(LAG Saarland, Urteil vom 23.4.2003 – 2 Sa 134/02)