Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

ArbG Osnabrück wendet Gleichstellungsgesetz auch bei Kündigungen an

Einem Bericht der Zeitung «Handelsblatt» vom 02.05.2007 zufolge hat das Arbeitsgericht Osnabrück eine Kündigung gegen einen älteren Arbeitnehmer wegen Verstoßes gegen § 2 Absatz 4 AGG für unwirksam eingestuft. Die europarechtlich festgeschriebene Nichtanwendbarkeit des AGG auf Kündigungen habe damit erstmals ein deutsches Gericht für europarechtswidrig erklärt. Die zu Grunde liegende EU-Diskriminierungs-Richtlinie beziehe sich auch auf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen, erklärte das ArbG Osnabrück.

Das Urteil könnte weit reichende Folgen für Arbeitsgerichtsprozesse gegen ältere Mitarbeiter haben. In dem zu entscheidenden Fall hatte ein seit 1980 bei einem Automobilhersteller angestellter Mitarbeiter gegen eine betriebsbedingte Kündigung geklagt. Der Arbeitgeber wollte nach dem Bericht des «Handelsblatts» mehrere hundert Mitarbeiter über betriebsbedingte Kündigungen «ausmustern». Ein mit dem Betriebsrat erarbeiteter Sozialplan sollte die Sozialauswahl zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur nach verschiedenen Altersgruppen möglichst prozentual gleichmäßig vornehmen. Durch frühere Kündigungswellen war aber der Altersdurchschnitt in dem Betrieb von 37 auf 43 Jahre gestiegen. Dies führte beim Arbeitgeber nun zur Furcht davor, mittelfristig die Produktion nicht mehr aufrecht erhalten zu können, wenn nur mehr ältere Arbeitnehmer im Betrieb tätig sind.
Das ArbG Osnabrück wertete diese Haltung indes als nicht überzeugend. Es handele sich dabei um ein reines Vorurteil, heißt es im Bericht des «Handelsblatts». Vielmehr müsse von einer Diskriminierung älterer Arbeitnehmer ausgegangen werden. Ohne die Altersgruppenbildung wären weniger ältere Arbeitnehmer gekündigt worden. Mit dieser Argumentation kippte das ArbG Osnabrück den Sozialplan und die Regelungen im Interessenausgleich. Der Arbeitgeber wurde dazu verurteilt, den klagenden Mitarbeiter weiterzubeschäftigen.

VonHagen Döhl

BAG: Klageerhebung gegen Arbeitgeber nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wahrt nicht die Klagefrist des § 4 KSchG

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers muss eine Kündigungsschutzklage gegen den Insolvenzverwalter gerichtet werden. Eine Klageerhebung gegen den Arbeitgeber wahrt nicht die Klagefrist des § 4 KSchG. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Dem Arbeitnehmer stehe nur die Möglichkeit offen, die Klage innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis gegen den Insolvenzverwalter zu richten (Urteil vom 21.09.2006; Az.: 2 AZR 573/05).
Zur Begründung führten die Richter aus, ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei der Insolvenzverwalter als Arbeitgeber zu sehen. Die Kündigungsschutzklage müsse daher auch gegen ihn als Partei kraft Amtes erhoben werden. Eine Klage gegen den insolventen (früheren) Arbeitgeber mache den Insolvenzverwalter nicht zur Partei des Prozesses.
Allerdings, so das BAG, sei stets zu prüfen, ob eine fehlerhafte Parteibezeichnung durch Auslegung beseitigt werden könne. Wenn aus der Klageschrift oder den beigefügten Unterlagen hervorgehe, dass das Insolvenzverfahren gegen den bisherigen Arbeitgeber eröffnet worden sei, dann sei auch eine Berichtigung des Klagerubrums regelmäßig möglich.
Sofern der Kläger bei Fertigung der Klageschrift noch gar nichts von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiß, deshalb die Klage gegen seinen bisherigen Arbeitgeber erhebt und dadurch die Klagefrist des § 4 KSchG versäumt, muss er sich nach dem Urteil des BAG um eine nachträgliche Klagezulassung nach § 5 KSchG bemühen. Hierdurch wächst allerdings der Zeitdruck auf den Kläger, weil die nachträgliche Zulassung gemäß § 5 Abs. 3 KSchG nur innerhalb von zwei Wochen möglich ist, nachdem der Kläger von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Kenntnis erlangt hat.
Im entschiedenen Fall hatte der Kläger Kündigungsschutzklage gegen seinen Arbeitgeber erhoben, ohne zu wissen, dass am selben Tag, an dem er die Klageschrift fertigte, über das Vermögen des Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Nachdem er im Laufe des Prozesses davon erfuhr, richtete er seine Klage über einen Monat später gegen den Insolvenzverwalter – zu spät, wie das BAG entschied, da die Frist des § 5 Abs. 3 KSchG bereits abgelaufen war. Die Bundesrichter bestätigten daher die Abweisung der Klage durch das LAG Berlin.

VonHagen Döhl

Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages löst Versicherungsfall aus

Ein den Rechtsschutzversicherungsfall auslösender Verstoß gegen Rechtspflichten liegt schon dann vor, wenn der Arbeitgeber mit dem Angebot eines Aufhebungsvertrages an seinen Arbeitnehmer zum Ausdruck bringt, dass das Vertragsverhältnis in jedem Fall beendet werden soll.
(OLG Saarbrücken, Urteil v. 19.7.206 – 5 U 719/05)

VonHagen Döhl

Aufnahme eines Kündigungsschutzprozesses nach Unterbrechung wegen Insolvenzeröffnung

Ein Kündigungsschutzrechtsstreit wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen, weil eine Kündigungsschutzklage immer die Insolvenzmasse betrifft, da sie den Weg für vermögensrechtliche Ansprüche ebnet.
Betrifft eine Bestandsschutzstreitigkeit (Einhaltung der Kündigungsfrist) lediglich einen Zeitraum vor Insolvenzeröffnung, so kann der Rechtsstreit nur nach Durchführung des insolvenzrechtlichen Feststellungsverfahrens wieder aufgenommen werden.
BAG – 18.10.2006 2 AZR 563/05

VonHagen Döhl

Betriebsübergang: fehlerhafte Unterrichtung der Arbeitnehmer über Rechtsfragen

Die Frist zur Erklärung eines Widerspruchs gegen den Übergang eines Arbeitsverhältnisses gem. § 613a Abs. 6 BGB wird nur durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung ausgelöst. Eine unterbliebene oder fehlerhafte Unterrichtung führt nicht zum Fristbeginn. Eine fehlerhafte Unterrichtung über Rechtsfragen ist im Rahmen des § 613a Abs. 5 BGB dann aber nicht unwirksam, wenn der Unterrichtungspflichtige die Rechtslage gewissenhaft geprüft und einen vertretbaren Rechtsstandpunkt eingenommen hat. Die Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB umfasst auch etwaige Ansprüche aus einem Sozialplan.

VonHagen Döhl

Weiterbeschäftigung: Berufung des Arbeitgebers auf den Entfall des Arbeitsplatzes

Ein zur Weiterbeschäftigung verurteilter Arbeitgeber kann sich zur Begründung seines Antrages auf Einstellung der Zwangsvollstreckung dann nicht auf das Argument der Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung berufen, wenn das streitbefangene Arbeitsverhältnis zwar im Wege der Ausgliederung auf ein Schwesterunternehmen übergegangen ist, zwischen diesem und dem ursprünglich Arbeit gebenden Unternehmen aber nicht nur Identität bzgl. Gesellschafterkreis und Geschäftsführung besteht, sondern beide Unternehmen überdies auch durch eine gemeinsame und einheitliche Personalleitung gesteuert werden.
(LAG Köln, Beschluss v. 9.3.2006 – 14 Sa 146/06)

VonHagen Döhl

Sonderkündigungsschutz auch für Schwerbehinderten gleichgestellte Menschen nur bei rechtzeitigem Anerkennungsantrag

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen ist nach § 85 SGB IX unwirksam, wenn sie ohne Zustimmung des Integrationsamtes erfolgt. Vom Zustimmungserfordernis erfasst werden jedoch nur Kündigungen gegenüber solchen Arbeitnehmern, die bei Zugang der Kündigung bereits als Schwerbehinderte anerkannt sind oder den Antrag auf Anerkennung mindestens drei Wochen vor dem Zugang der Kündigung gestellt haben (§ 90 Abs. 2a SGB IX). Gleiches gilt für Arbeitnehmer, die einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Auch sie sind vom Sonderkündigungsschutz ausgeschlossen, wenn sie den Gleichstellungsantrag nicht mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt haben. Dies hat das Bundesarbeitsgericht am 01.03.2007 entschieden und damit einen seit längerem bestehenden Streit um die Auslegung des § 90 Abs. 2a SGB IX beendet (BAG Az.: 2 AZR 217/06).

VonHagen Döhl

Falsche Parteibezeichnung in Kündigungsschutzklage gegen Partnerschaftsgesellschaft kann jederzeit von Amts wegen berichtigt werden

Eine ungenaue oder erkennbar falsche Parteibezeichnung in der Klageschrift ist unschädlich und kann jederzeit von Amts wegen berichtigt werden. Dies gilt auch dann, wenn ein bei einer Partnerschaftsgesellschaft nach dem PartGG (Gesetz über Partnerschaftsgesellschaften Angehöriger Freier Berufe) beschäftigter Arbeitnehmer im Rahmen einer Kündigungsschutzklage anstelle der Partnerschaft die Partner verklagt. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Dabei wies es darauf hin, dass, sofern eine Gesellschaft Arbeitgeberin des klagenden Arbeitnehmers sei, bei einer Kündigungsschutzklage besonders sorgfältig zu prüfen sei, ob lediglich eine falsche Parteibezeichnung vorliege, wenn der Arbeitnehmer nicht seine Arbeitgeberin, sondern deren Gesellschafter verklage (BAG Urteil vom 01.03.2007, Az.: 2 AZR 525/05).

VonHagen Döhl

BAG: Kein Übergang des Kündigungsschutzes bei Nichterreichen der Mindest-Beschäftigungszahl im Betrieb des Erwerbers

Nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt der Betriebserwerber in die Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnisses ein. Der im Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsveräußerer erwachsene Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz geht allerdings nicht mit dem Arbeitsverhältnis auf den Betriebserwerber über, wenn in dessen Betrieb die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 KSchG nicht vorliegen. Das Erreichen des Schwellenwerts des § 23 Abs. 1 KSchG und der dadurch entstehende Kündigungsschutz sei kein Recht des übergehenden Arbeitsverhältnisses, stellte das Bundesarbeitsgericht klar. § 323 Abs. 1 UmwG sei nicht analog anzuwenden (Urteil vom 15.01.2007, Az.: 8 AZR 397/06).

VonHagen Döhl

Wettbewerbsverbot im Ausbildungsverhältnis

Ein Auszubildender unterliegt während des Bestandes des Ausbildungsverhältnisses einem Wettbewerbsverbot. Verletzt er dieses schuldhaft, ist er schadensersatzpflichtig.
(BAG – 20.09.2006 10 AZR 439/05)