Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Arbeitgeber dürfen Verwandte von der Sozialauswahl ausschließen

Müssen betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden, so dürfen Arbeitgeber eigene Verwandte von der nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz vorzunehmenden sozialen Auswahl ausnehmen. Arbeitgeber dürfen folglich Verwandte auch dann weiterbeschäftigen, wenn sie weniger sozialschutzbedürftig sind, als die gekündigten Arbeitnehmer. Es sei sachgerecht, wenn der Arbeitgeber bei der Kündigungsentscheidung auf verwandtschaftliche und gesellschaftsrechtliche Verhältnisse Rücksicht nehmen.(LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 18.11.2002 – 4 Sa 25/02)

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Arbeitnehmer haben auch bei Verstoß gegen Arbeitszeitregelungen einen Anspruch auf Vergütung von Überstunden

Arbeitnehmer haben auch dann Anspruch auf die Vergütung von Überstunden, wenn sie gesetzliche Arbeitszeitregelungen verletzt haben. Ein Busfahrer hatte mehrfach Überstunden abgeleistet, ohne die gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten einzuhalten. Sein Arbeitgeber weigerte sich, diese Überstunden zu bezahlen. Zur Begründung gab er an, dass der im Arbeitsvertrag vereinbarte Lohn alle Ansprüche abdecke. Die Klage des Busfahrers auf Vergütung der Überstunden hatte dennoch Erfolg. Aus dem Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften folge nicht, dass ein Mitarbeiter während dieser Zeit unentgeltlich arbeiten müsse. Dem stehe auch nicht die Vergütungsregelung in dem Arbeitsvertrag entgegen. Diese Vereinbarung beziehe sich ausschließlich auf rechtmäßig geleistete Überstunden. Daher sei eine Abmachung für den Fall gesetzwidriger Überstunden nicht getroffen worden. Da der Busfahrer seine Leistung erbracht habe, stehe ihm auch die Gegenleistung des Arbeitgebers zu. (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 6.8.2002 – 10 Sa 251/01)

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Häufigen Kurzerkrankungen

Häufige Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers in der Vergangenheit rechtfertigen regelmäßig die Prognose, auch in Zukunft werde ein entsprechender Krankheitsverlauf eintreten, insbesondere dann, wenn wie hier ein nunmehr 28jähriger Arbeiter seit 5,5 Jahren in jedem Jahr zu 27,7% der Arbeitszeit krankheitsbedingt, bei insgesamt rd. 50 verschiedenen Fehlzeiten, ausgefallen ist. Kommt der Arbeitnehmer der ihn treffenden Darlegungs- und Beweislast nicht nach, in Zukunft müsse mit einer deutlich geringeren Krankheitsquote gerechnet werden, ist die sog. Negativ-Prognose gesichert. Die betrieblichen Interessen sind bei einer starken Inanspruchnahme des Arbeitgebers durch Lohnfortzahlungskosten erheblich belastet und rechtfertigen zumindest dann eine personenbedingte Kündigung, wenn der Arbeitgeber jahrelang Lohnfortzahlungskosten von regelmäßig mehr als 6 Wochen jährlich erbracht hat und wohl auch weiter erbringen wird. Das ist sicher der Fall, wenn der Arbeitgeber im Verlauf von 5,5 Jahren 67.000,00 DM Entgeltfortzahlung und 13.400,00 DM Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung geleistet hat. Die Interessenabwägung führt angesichts eines erst sieben Jahre währenden Beschäftigungsverhältnisses zu keinem anderen Ergebnis, auch wenn der Arbeitnehmer als Ausländer ggf. über schlechte Vermittlungschancen auf dem Arbeitsmarkt verfügt.
(LAG Schleswig-Holstein Urteil vom 14.10.2002 – 4 Sa 66/02)

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Wirkung einer Kündigung (Beendigungstermin)

Kann ein Arbeitsverhältnis ordentlich nur zum Schluss eines Kalendervierteljahres gekündigt werden, ist eine zum „1. April“ ausgesprochene Kündigung in der Regel dahin auszulegen, daß sie das Arbeitsverhältnis zum 31. März beenden soll.
(BAG Urteil vom 25.9.2002 -10 AZR 7/02)

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Zulässigkeit und Vergütung von Mehrarbeit

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Thüringen hat in einem Urteil einige Grundsätze zur Zulässigkeit und Vergütung von Mehrarbeit herausgearbeitet. Es ging um einen Fernfahrer, mit dem im Arbeitsvertrag eine wöchentliche Arbeitszeit von 50 Stunden vereinbart war. Der Fernfahrer machte die Unwirksamkeit dieser Arbeitszeitregelung geltend und klagte die Vergütung für die über 40 Stunden hinausgehende Arbeitszeit ein. Die Klage hatte zumindest teilweise Erfolg. Das LAG Thüringen bestätigt, dass eine Arbeitszeitregelung, welche die zulässige Höchstarbeitszeit überschreitet, nichtig ist. § 3 Arbeitszeitgesetz lässt eine maximale durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden zu (6 x 8 Stunden). Anstelle der unwirksamen Arbeitsvertragsregelung trat deshalb die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit. Das Gericht stellt ferner fest, dass jede über die vereinbarte Arbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung zu vergüten ist, wenn eine Vereinbarung zum Freizeitausgleich von Mehrarbeit fehlt oder der Arbeitnehmer aufgrund der Umstände seiner Beschäftigung nicht zur Inanspruchnahme des Freizeitausgleiches in der Lage ist. Mehrarbeitsstunden, welche die gesetzlich zulässige Arbeitszeit überschreiten, können weder Gegenstand eines vertraglich vereinbarten Pauschalgehaltes noch Gegenstand eines vertraglich vereinbarten Freizeitausgleiches sein. Dem Fernfahrer waren daher (nur) 48 Stunden je Woche zu vergüten. In Punkto Beweislast weist das Gericht darauf hin, dass der Arbeitnehmer im Einzelnen darlegen muss, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus tätig geworden ist. Tut er dies unter Angabe von Arbeitsbeginn, Fahrtbeginn, Fahrstrecke, Ankunftszeit, muss der Arbeitgeber Tatsachen dafür vortragen, dass die angegebene Mehrarbeitszeit nicht richtig sein kann.
(LAG Thüringen Urteil vom 19.03.2002 – 5/6/5 Sa 527/99)

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Annahmeverzug und Zinsen bei Gehaltszahlungen

Gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug, weil er nach Ausspruch einer Kündigung die Gehaltszahlungen an den Arbeitnehmer einstellt, so hat er dies dann zu vertreten und deshalb die rückständigen Beträge zu verzinsen, wenn er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, daß die Kündigung unwirksam war (Anschluß an BAG 22. März 2001 – 8 AZR 536/00 – EzBAT Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers Nr. 31).Es ist insbesondere zu prüfen, ob sich der Arbeitgeber in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden hat. Der Rechtsirrtum ist entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft ist und der Schuldner sie sorgfältig geprüft hat. Beruht der Ausspruch der Kündigung auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt, handelt der kündigende Arbeitgeber so lange nicht fahrlässig, wie er auf die Wirksamkeit seiner Kündigung vertrauen darf.In Höhe des erhaltenen Arbeitslosengeldes kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber keine Zinsen auf den Annahmeverzugslohn verlangen.(BAG 13.6.2002 – 2 AZR 391/01)

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Weihnachtsgeldzahlung

Gewährt ein Arbeitgeber ohne Rechtspflicht und ohne Rechtsbindung für die Zukunft eine Weihnachtszuwendung als freiwillige Leistung, so kann er in den Grenzen des § 4 a Satz 2 EFZG solche Arbeitnehmer ausnehmen, die im Bezugszeitraum Fehlzeiten aufwiesen.(BAG Urteil vom 7.8.2002 – 10AZR709/01)

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Anwendbarkeit von § 174 BGB (Zurückweisung einer Willenserklärung wegen fehlender Originalvollmacht) im Falle der Geltendmachung von Ansprüchen zur Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist

§ 174 BGB (wonach eine Willenserklärung zurückgewiesen werden kann, wenn ihr keine Originalvollmacht beigefügt ist)findet auf die Geltendmachung von Ansprüchen zur Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist keine entsprechende Anwendung. Eine analoge Anwendung von § 174 BGB auf die Geltendmachung von Ansprüchen zur Wahrung tariflicher Ausschlussfristen ist nicht gerechtfertigt. Die Geltendmachung muss durch einen bevollmächtigten Vertreter erfolgen. Entsprechend § 180 Satz 1 BGB ist ein Handeln eines Vertreters ohne Vertretungsmacht unzulässig.

(BAG hat am 14.8.2002 -5AZR341/01)

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Ordentliche krankheitsbedingte Kündigung

Weigert sich der erkrankte Arbeitnehmer vorprozessual, die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu befreien, so ist es ihm dennoch nicht verwehrt, im Kündigungsschutzprozess die negative Gesundheitsprognose unter Bezugnahme auf ärztliches Zeugnis zu bestreiten.
Von einer Beeinträchtigung betrieblicher Interessen ist in aller Regel auch ohne weitere Darlegungen auszugehen, wenn bei Ausspruch der Kündigung für die nächsten 24 Monate nicht mit einer günstigeren Prognose zu rechnen ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prognose ist der Ausspruch der Kündigung; davorliegende Krankheiten bleiben in diesem Zusammenhang außer Betracht.
(BAG Urteil v. 12.4.2002 – 2 AZR 148/01)

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Schriftformerfordernis bei Aufhebungsvertrag

Ein mittels Telefax zustande gekommener Aufhebungsvertrag der Arbeitsvertragsparteien ist mangels Wahrung des Schriftformerfordernisses aus § 623 BGB nach § 123 Satz 1 BGB nichtig.
Nach § 623 BGB bedarf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Auflösungsvertrag zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Es handelt sich bei § 623 BGB um ein konstitutives Schriftformerfordernis. Nach § 126 Abs. 1 BGB wird dem gesetzlichen Schriftformerfordernis nur genügt, wenn der Aussteller die Urkunde (das Schreiben) eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet. Bei einem Vertrag muss nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB die Unterzeichnung der Parteien auf der selben Urkunde erfolgen. Werden jedoch über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet (§ 126 Abs. 2 Satz 2 BGB). Vorliegend existieren zwei Schreiben der Parteien, die gerichtet sind auf die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses. Die der einen Seite liegt jedoch der anderen Seite lediglich als Telefax vor. Ein Telefax genügt aber den gesetzlichen Schriftformerfordernissen nicht, weil es sich nur um eine Telekopie handelt. Dies ist von der Rechtsprechung für andere gesetzliche Schriftformerfordernisse ausdrücklich entschieden worden (vergl. u.a. BGH = NJW 1993, 1126; BGH = NJW 1997, 3169). Das Fax des einen Beteiligten wahrt das gesetzlich normierte Schriftformerfordernis der §§ 623, 126 BGB, das strenger ist als bei der gewillkürten Schriftform, nicht. Schon deshalb ist ein formgültiger Aufhebungsvertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen, wenn – wie oben beschrieben – eine Übermittlung lediglich per Telefax erfolgt ist. Die Nichteinhaltung der gesetzlichen Form des § 623 BGB hat gem. § 125 Satz 1 BGB die Nichtigkeit des Aufhebungsvertrages zur Folge.
(Arbeitsgericht Hannover Urteil vom 17.01.2001 – 9 Ca 282/00 = NZA-RR 2002, 245)