Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Anfechtung eines Aufhebungsvertrages

Gemäß § 123 Abs. 1 BGB kann derjenige, der widerrechtlich durch Drohung zur Abgabe einer Willenserklärung bestimmt ist, die Erklärung mit der Nichtigkeitsfolge des § 142 Abs. 1 BGB anfechten.

Eine Drohung im Sinne dieser Norm setzt objektiv die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung in irgend einer Weise als von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird.

Die Androhung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis durch eine außerordentliche Kündigung beenden zu wollen, falls der Arbeitnehmer nicht bereit sei, eine einvernehmliche Beendigung oder ordentliche Kündigung zu akzeptieren und auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zu verzichten, stellt die Ankündigung eines zukünftigen empfindlichen Übels dar, dessen Verwirklichung in der Macht des ankündigenden Arbeitgebers liegt.

Die Drohung mit einer außerordentlichen Kündigung ist widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Die Widerrechtlichkeit der Kündigungsandrohung kann sich regelmäßig nur aus der Inadäquanz von Mittel und Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks (Beendigungsvereinbarung, Hinnahme einer Kündigung durch den Arbeitnehmer bzw. Verzicht einer gerichtlichen Überprüfung) kein berechtigtes Interesse oder ist die Drohung nach Treu und Glauben nicht mehr als angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, so ist die Drohung widerrechtlich. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die angedrohte Kündigung, wenn sie ausgesprochen worden wäre, sich in einem Kündigungsschutzprozess als rechtsbeständig erwiesen hätte. (Leitsatz der Redaktion)
(BAG – 03.06.2004 2 AZR 427/03)

VonHagen Döhl

Betriebsräte dürfen keine Vertragsstrafen kassieren

Arbeitgeber und Betriebsrat können keine Vereinbarung treffen, durch die sich der Arbeitgeber verpflichtet, an den Betriebsrat im Falle der Verletzung von Mitbestimmungsrechten eine Vertragsstrafe zu bezahlen. Der Betriebsrat ist grundsätzlich nicht vermögensfähig. Eine Ausnahme besteht insbesondere insoweit, wie § 40 BetrVG Ansprüche auf Erstattung der durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten vorsieht. An den Betriebsrat zu zahlende Vertragsstrafen kennt das Gesetz nicht.
Daher blieb vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts ein Betriebsrat erfolglos, der vom Arbeitgeber aufgrund eines in einem früheren Verfahren geschlossenen Vergleichs die Zahlung einer Vertragsstrafe von 25.000 Euro verlangte. Bereits die Vorinstanzen hatten den Antrag des Betriebsrats abgewiesen.
(BAG Beschluss vom 29. September 2004 – 1 ABR 30/03)

VonHagen Döhl

Zeugnis, Erteilung durch den Insolvenzverwalter

1. Wird ein Arbeitsverhältnis vor Insolvenzeröffnung beendet, bleibt der Arbeitgeber grundsätzlich Schuldner des Anspruchs auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses.

2. Diese Verpflichtung trifft nicht einen vorläufigen Insolvenzverwalter, auf den die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis weder gem. § 22 Abs. 1 InsO noch auf Grund einer Einzelermächtigung gem. § 22 Abs. 2 InsO in Bezug auf die Arbeitsverhältnisse übergegangen ist.

3. Erlangt ein vorläufiger Insolvenzverwalter in vollem Umfang die Verfügungsbefugnis über die Arbeitsverhältnisse oder wird das Arbeitsverhältnis erst nach der Insolvenzeröffnung beendet, schuldet der Insolvenzverwalter das Arbeitszeugnis, unabhängig davon, ob und wie lange er den Arbeitnehmer beschäftigt hat oder eigene Kenntnisse über dessen Arbeitsleistung gewinnen konnte. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Insolvenzverwalter einen Auskunftsanspruch nach § 97 InsO gegenüber dem Schuldner.
(BAG – Hessisches LAG – 23.06.2004 10 AZR 495/03)

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Vergleichbarkeit zwischen Teilzeit- und Vollzeit- Arbeitnehmern bei betriebsbedingter Kündigung

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können sich auch die Arbeitnehmer, die einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber nach § 613a BGB widersprechen, bei einer nachfolgenden vom Betriebsveräußerer erklärten Kündigung auf eine mangelhafte Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG berufen. Bei der Prüfung der sozialen Auswahlgesichtspunkte sollen dann aber auch die Gründe für einen Widerspruch berücksichtigt werden.
Der Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl kann grundsätzlich nicht auf die jeweiligen Mitarbeiter mit gleichem Arbeitszeitvolumen beschränkt und die soziale Auswahl nur innerhalb der einzelnen Gruppen vorgenommen werden, wenn sich auf Grund einer arbeitgeberseitigen Organisationsentscheidung lediglich das Arbeitsvolumen bzw. das Stundenkontingent in der Dienststelle reduziert hat. Wird in einem solchen Fall der auswahlrelevante Personenkreis allein nach Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten, ohne dass hierfür sachliche Gründe vorliegen, bestimmt, so kann darin eine unzulässig Diskriminierung iSv. § 4 Abs. 1 TzBfG liegen.
(BAG – 22.4.2004 2 AZR 244/03)

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Betriebsratsanhörung und persönliche Daten aus der Steuerkarte

Die Steuerkarte ist ein amtliches Dokument, sodass sich der Arbeitgeber grundsätzlich im Rahmen der Betriebsratsanhörung auf die Richtigkeit der hierin vermerkten persönlichen Daten des Arbeitnehmers verlassen darf, sofern er keine gegenteilige Kenntnis hat. Dem Arbeitnehmer trifft die Obliegenheit, seine persönlichen Daten wie Anschrift, Familienstand und Anzahl unterhaltsberechtigter Personen dem Arbeitgeber mitzuteilen. Eigene Nachforschungen braucht derArbeitgeber in aller Regel nicht anzustellen.
(LAG Schleswig-Holstein – 10.08.2004 5 Sa 93/04)

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Verzugszinsen aus Bruttolohn

Der große Senat des BAG (GS 1/00) hatten auf die Vorlage des 9. Senats zu befinden; ob dem Arbeitnehmer als Gläubiger einer Entgeltforderung gegen den Arbeitgeber die gesetzlichen Verzugszinsen aus dem Bruttobetrag oder aus dem Nettobetrag zustehen (vgl. zu der Problematik Griebeling, NZA 2000, 1249 und Schaller/Eppelein, NZA 2001, 193). Der Große Senat hat befunden: Der Arbeitnehmer kann die Verzugszinsen nach § 288 I 1 BGB aus der in Geld geschuldeten Bruttovergütung verlangen. Dafür, so die Erfurter Bundesrichter war maßgebend: § 288 I 1 BGB mache schon nach seinem Wortlaut die Zinspflicht der gesamten Forderung allein von dem vorliegen einer Geldschuld und vom Verzug des Schuldners abhängig. Zwar habe der Arbeitgeber bei jeder Lohnzahlung die Lohnsteuer vom Arbeitslohn einzubehalten und den vom Arbeitnehmer zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbetrag abzuziehen. Die Geldschuld des Arbeitgebers umfasst aber bei Vereinbarung einer Bruttovergütung auch diese an das Finanzamt bzw. die Einzugsstelle abzuführenden Lohnbestandteile. Der Arbeitgeber gerate deshalb mit dem Gesamtvertrag und nicht lediglich mit dem Teil des Lohns, der an den Arbeitnehmer abzuzahlen ist, in Verzug. Eine verspätete Abführung könne den Verzug ebensowenig wie eine verspätete Zahlung an den Arbeitnehmer rückwirkend beenden. § 288 BGB sehe einen pauschalierten Schadenersatz vor. Ob im konkreten Fall tatsächlich ein Schaden entstehe, sei unerheblich. Die Pauschalierung betreffe die gesamte Forderung. Das gelte um so mehr, weil dem Gesetz auch eine kompensatorische und präventive Funktion zukomme. Der Schuldner solle nämlich durch die Vorenthaltung der Zahlung keinen Anreiz zur Gewinnung eines Zinsvorteils erhalten. Für eine den Wortlaut einschränkende Auslegung des Gesetzes sei demnach kein Raum.
(Quelle: Pressemitteilung des BAG vom 7.3.2001)

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Dienstwagen- Arbeitnehmer haftet nicht für Beschädigung

Eine Regelung, die den Arbeitnehmer verflichtet, im Fall einer Beschädigung des Dienstwagens die Selbstbeteidigung einer vom Arbeitgeber Vollkaskoversicherung zu übernehmen ist im Regenfall unwirksam. (Hinweis: die Übernahme einer Selbstbeteidigung für vorsätzliches Verhalten dürfte nicht zu beanstanden sein).

VonHagen Döhl

Ordentliche Kündigung wegen Minderleistungen

Auf Pflichtverletzungen beruhende Minderleistungen des Arbeitnehmers können geeignet sein, eine ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen zu rechtfertigen.
Der Arbeitnehmer muss unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten.

Kennt der Arbeitgeber lediglich die objektiv messbaren Arbeitsergebnisse, so genügt er im Kündigungsschutzprozess seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vorträgt, aus denen ersichtlich ist, dass die Leistungen des Arbeitnehmers deutlich hinter denen vergleichbarer Arbeitnehmer zurückbleiben, also die Durchschnittsleistung erheblich unterschreiten. Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, hierauf zu entgegnen, zB darzulegen, warum er mit seiner deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpft. Trägt der Arbeitnehmer derartige Umstände nicht vor, gilt das schlüssige Vorbringen des Arbeitgebers als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Es ist dann davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer seine Leistungsfähigkeit nicht ausschöpft.

Eine personenbedingte Kündigung wegen Minderleistungen setzt nicht voraus, dass der Arbeitnehmer gegen die subjektiv zu bestimmende Leistungspflicht verstößt. Es kommt darauf an, ob die Arbeitsleistung die berechtigte Erwartung des Arbeitgebers von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen in einem Maße unterschreitet, dass ihm ein Festhalten an dem (unveränderten) Arbeitsvertrag unzumutbar wird.
(BAG – 11.12.2003 2 AZR 667/02)

VonHagen Döhl

Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für Klagen eines angestellten Geschäftsführers

Für Klagen eines angestellten Geschäftsführers einer Einzelhandelsfirma ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet, wenn die Vertragsparteien den Anstellungsvertrag als Arbeitsvertrag bezeichnet haben.
(LAG Nürnberg 28.6.2004 9 Ta 124/04)

VonHagen Döhl

Vorsicht Sperrfrist!

Nicht nur die so genannte Arbeitsmarktreform Hartz IV und die damit einhergehenden Probleme führen zu Schreckensszenarien bei den Betroffenen.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einer ebenfalls die Arbeitslosen betreffenden Entscheidung für Aufsehen gesorgt. Im Kern kommt das höchste deutsche Sozialgericht zu dem Ergebnis, dass gekündigte Arbeitnehmer, die innerhalb der Frist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage (3 Wochen) eine Vereinbarung über die Hinnahme der Kündigung treffen, an der Lösung des Arbeitsverhältnisses mitwirken. Dies gilt daher auch für außergerichtliche Abfindungsvereinbarungen, die auch als Abwicklungsvereinbarungen bezeichnet werden.

In einem solchen Fall hat aber die Bundesagentur für Arbeit gem. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III eine Sperrfrist von bis zu 12 Wochen für den Bezug des Arbeitslosengeldes zu verhängen. Für eine solche Verfahrensweise liegt den Arbeitsagenturen auch schon eine entsprechende Dienstanweisung der Bundesagentur vor.

Auch wenn der Arbeitgeber eine solche Abfindungsvereinbarung anbietet, sollten Arbeitnehmer solch einen Vertrag nicht mehr (außergerichtlich) eingehen, sondern sich kompetent beraten lassen um ggf. einen Vergleich im gerichtlichen Verfahren über eine Kündigungsschutzklage anzustreben. Abfindungsvereinbarungen in gerichtlichen Verfahren sind von der Entscheidung des BSG nicht betroffen.

(BSG Urteil v. 18.12.2003 – B 11 AL 35/03 R)-.-