Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Abmahnungsrecht, Kündigungsschutz

Eine Abmahnung enthält grundsätzlich einen Kündigungsverzicht bezogen auf das in der Abmahnung gerügte Fehlverhalten. Dies gilt ausnahmsweise nicht, wenn der Abmahnung nach dem Empfängerhorizont zu entnehmen ist, dass sich der Kündigungsberechtigte das Recht zur Kündigung wegen des gerügten Fehlverhaltens unter bestimmten Voraussetzungen doch noch vorbehält.
(LAG Schleswig-Holstein – 19.10.2004 5 Sa 279/04)

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Urlaubsabgeltung

Der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch ist kein Abfindungsanspruch. Er entsteht als Ersatz für die wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglichen Befreiung des Arbeitnehmers von seiner Arbeitspflicht. Er setzt deshalb voraus, dass der Urlaubsanspruch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses noch erfüllt werden könnte. Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses schließt daher zwar nicht das Entstehen des Abgeltungsanspruchs aus wohl aber seine Erfüllbarkeit. Wird der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums nicht arbeitsfähig, erlischt der Abgeltungsanspruch ersatzlos.

(BAG – 07.09.2004 9 AZR 587/03)

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Berücksichtigung von sog. Doppelverdienst im Rahmen der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 1. Halbs. KSchG i. d. bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung

1. Die Berücksichtigung des sog. Doppelverdienstes bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 1. Halbs. KSchG a. F. ist sachlich gerechtfertigt, da dieser Gesichtspunkt in einem Zusammenhang mit den nach der genannten Vorschrift zu beachtenden Unterhaltsverpflichtungen steht, die sich nach familienrechtlichen Bestimmungen der §§ 1360 ff., 1569 ff., 1601 ff. BGB richten. Berücksichtigt man nämlich bei der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 1. Halbs. KSchG a. F. zugunsten eines Arbeitnehmers Unterhaltspflichten, muss man zur näheren Bestimmung der Höhe dieser Pflichten auch mögliche Unterhaltsansprüche aus § 1360 BGB gegenüber dem mitverdienenden Ehegatten beachten. Hierin liegt kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG.

2. Zur Feststellung, ob die Höhe des sog. Doppelverdienstes die Unterhaltspflicht eines in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmers entfallen lässt, trifft den Arbeitgeber eine entsprechende Erkundigungspflicht bei den für eine Kündigung in Betracht kommenden Arbeitnehmern bzw. Arbeitnehmerinnen. Auf die Eintragungen in den Lohnsteuerkarten kann sich der Arbeitgeber in diesem Zusammenhang nicht verlassen, weil diese unvollständig sein können (so schon LAG Hamm 29.03.1985 – 2 Sa 560/85 – LAGE § 1 KSchG Soziale Auswahl Nr. 1).

3. Offen bleibt, wie zu entscheiden wäre, wenn der Arbeitgeber seine Erkundigungspflicht nachgekommen wäre, die betreffenden Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen ihm aber keine Auskunft über die Höhe des Doppelverdienstes gegeben hätten.
(LAG Düsseldorf – 04.11.2004 11 Sa 957/04)

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Abrechnungsbetrug, Spesenbetrug

Erstellt der Arbeitnehmer Reisekostenabrechnungen, die unzutreffende Kilometerangaben enthalten, und legt diese dem Arbeitgeber zur Erstattung der Reisekosten vor, obwohl er weiß, dass seine Angaben jederzeit leicht nachprüfbar sind und mit zumindest stichprobenartigen Kontrollen rechnen muss, so lässt dies einen Rückschluss auf das vorsätzliche Erstellen falscher Abrechnungen in Täuschungs- und Bereicherungsabsicht nicht zu. Vielmehr lässt sich aus einer derartigen Vorgehensweise nur schlussfolgern, dass der Arbeitnehmer nachlässig gehandelt hat. Eine derartige Nachlässigkeit rechtfertigt bei einem langjährig beschäftigten Arbeitnehmer in einem unbelasteten Arbeitsverhältnis, der regelmäßig beruflich veranlasste Fahrten unternehmen muss, nur eine Abmahnung und keine außerordentliche Kündigung, wenn die falschen Abrechnungen nur einen Bruchteil der insgesamt geleisteten beruflichen Fahrten betreffen.

Wirft der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zu Unrecht Spesenbetrug vor, so ist durch diese unzutreffende ehrverletzende Behauptung das Arbeitsverhältnis zerrüttet und deshalb gem. §§ 9, 10 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.
(LAG Niedersachsen – 04.06.2004 10 Sa 198/04)

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Ostdeutsche BGS-Beamte in Polen und Tschechien bekommen Westgehalt

Das Verwaltungsgericht Dresden hat entschieden, dass ostdeutsche Grenzschutzbeamte, die in Polen oder Tschechien eingesetzt sind, dieselbe Besoldung erhalten müssen, wie ihre Westkollegen. Dies hat der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Sven Hübner am 04.12.2005 gegenüber der dpa erklärt. Er hat damit einen Bericht des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» bestätigt (Az.: 11 K 257/04).

Legt das Bundesinnenministerium nicht erfolgreich Berufung gegen das Urteil ein, könnten Hunderte Bundesgrenzschutzbeamte Gehaltsansprüche von bis zu 50.000 Euro rückwirkend geltend machen. Ob überhaupt Berufung eingelegt wird, will das Bundesinnenministerium erst entscheiden, wenn die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt, erklärte eine Sprecherin am 05.12.2004 in Berlin.

In der Urteilsbegründung des Gerichts heißt es laut «Spiegel», dass die betroffenen Beamten nicht im Beitrittsgebiet der Bundesrepublik arbeiteten, wenn der Grenzposten – und damit der Arbeitsplatz – auf polnischer Seite liege. Damit gelte der in den neuen Ländern übliche Osttarif nicht. Schon im Jahr 2001 war festgestellt worden, dass Ostbeamte, die in West-Berlin eingesetzt werden, etwa zur Bewachung des Amtssitzes des Bundespräsidenten, nach Westtarif bezahlt werden müssen.

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Vereinbarung über befristete Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses – Schriftform

Vereinbaren die Parteien nach Ausspruch einer Kündigung die befristete Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzsprozesses, bedarf die Befristung nach § 14 IV TZBFG zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
(BAG, Urteil v. 22.10.2003 – 7 AZR 113/03)

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Abfindung, Kündigungsschutz, Kündigungsschutzklage

Eine Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg. Der Beschwerdeführerin war von ihrem Arbeitgeber gekündigt worden. Das Landesarbeitsgericht hielt die Kündigung für rechtsunwirksam, löste aber das Arbeitsverhältnis gemäß § 9 KSchG auf Antrag des Arbeitgebers gegen Zahlung einer Abfindung auf.

Das Kündigungsschutzgesetz ist nach seiner jetzigen Konzeption ein Bestandsschutzgesetz. Erweist sich eine vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung nach der gerichtlichen Würdigung als nicht gerechtfertigt, so besteht das Arbeitsverhältnis fort und der Arbeitnehmer ist weiterzubeschäftigen. Ausnahmsweise ist gemäß § 9 KSchG eine Auflösung durch das Gericht zulässig, wenn zwar keine Kündigung gerechtfertigt ist, wohl aber die Prognose, die Arbeitsvertragsparteien würden in Zukunft nicht mehr gedeihlich zusammenarbeiten können. Auf Antrag des Arbeitgebers ist eine solche Auflösung des Arbeitsverhältnisses zulässig, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen.
(BVerfG – 22.10.2004 1 BvR 1944/01)

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Dringende betriebliche Erfordernisse zur Begründung einer Kündigung

Dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 1 KSchG liegen dann vor, wenn infolge eines Überhanges an Arbeitskräften für die Beschäftigung eines Arbeitnehmers wirtschaftlich kein Bedarf mehr vorhanden ist und andere Mittel unter Abwägung des Betriebes und der Belegschaft nicht zumutbar sind. Dringende betriebliche Erfordernisse sind dann gegeben, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch eine Kündigung zu entsprechen. Die Kündigung muss wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein. Dabei können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z.B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Gründe (z.B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen dringend sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Beruft sich der Arbeitgeber auf außerbetriebliche oder innerbetriebliche Umstände, darf er sich nicht auf schlagwortartige Umschreibungen beschränken; er muss seine tatsächlichen Angaben vielmehr so im Einzelnen darlegen, dass sie vom Arbeitnehmer mit Gegentatsachen bestritten und vom Gericht überprüft werden können.
(LAG Hamm – 18.06.2004 10 Sa 6/04)

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Zeugnis – Erteilung durch den Insolvenzverwalter

Der gegen den Arbeitgeber eingeleitete Rechtsstreit über ein Zeugnis wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gem. § 240 ZPO unterbrochen.
Erklärt der Kläger, er wolle den Rechtsstreit gegen den Insolvenzverwalter „aufnehmen“, und verlangt er nunmehr von ihm ein Endzeugnis, liegt hierin ein gewillkürter Parteiwechsel, der eine Klagerücknahme gegenüber dem Insolvenzverwalter enthält, der dieser gem. § 269 Abs. 1 ZPO nicht zustimmen muss.
Das Arbeitszeugnis hat der Arbeitgeber zu erteilen, der diese Stellung zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses innehatte. Hat das Arbeitsverhältnis vor Insolvenzeröffnung geendet, bleibt grundsätzlich der Insolvenzschuldner zur Erteilung verpflichtet. § 108 Abs. 1 Insolvenzordnung fingiert keine Arbeitgeberstellung des Insolvenzverwalters für bereits beendete Arbeitsverhältnisse.
Der vorläufige Insolvenzverwalter hat vor Insolvenzeröffnung den Zeugnisanspruch nur dann zu erfüllen, wenn dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot gem. § 22 Abs. 1 Insolvenzordnung auferlegt worden ist, so dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen und dieser deshalb in die Arbeitgeberstellung eingerückt ist. Dies kann auch auf Grund einer Einzelermächtigung gem. §§ 22 Abs. 2 Insolvenzordnung geschehen. Ein allgemeiner Zustimmungsvorbehalt genügt daher nicht.
(BAG, Urteil v. 23. Juni 2004 – 10 AZR 495/03)

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Antidiskriminierungsgesetz – bald amerikanische Verhältnisse vor deutschen Arbeitsgerichten?

Seit Mitte September 2004 liegt der Referentenentwurf eines „Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierungen (Antidiskriminierungsgesetz)“ vor. Einer Pressemitteilung des Ministeriums vom 29.06.2004 zufolge befindet sich das Gesetz zurzeit in der Abstimmung zwischen den Ministerien. Presseberichten zufolge soll das Gesetz noch in diesem Jahr vom Bundestag verabschiedet werden.

Ziel des AADG ist es, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität in Beschäftigung und Beruf zu verhindern oder zu beseitigen. Nach dem Entwurf finden die Vorschriften in sachlicher Hinsicht auf alle individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen und Maßnahmen bei der Begründung, Durchführung und Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses sowie für den beruflichen Aufstieg Anwendung. Das Benachteiligungsverbot richtet sich neben dem Arbeitgeber auch gegen Arbeitskollegen und Dritte, wie z. B. Kunden des Arbeitgebers.
Ergreift der Arbeitgeber im Einzelfall keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Benachteiligung, sollen die be¬troffenen Beschäftigten berechtigt sein, ihre Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist. Das Gesetz normiert schließlich eine umfassende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung einer angemessenen Entschädigung, wenn er gegen das Benachteiligungsverbot des § 3 Abs. 1 AADG verstößt, um den immateriellen Schaden des Arbeitnehmers zu kompensieren. Die Entschädigung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bemessen, muss aber geeignet sein, den Arbeitgeber von künftigen Benachteiligungen abzuhalten.
Die Entschädigungspflicht trifft den Arbeitgeber auch dann, wenn die Benachteiligung zwar nicht durch ihn selbst, sondern von Beschäftigten, die im Namen des Arbeitgebers gegenüber anderen Beschäftigten Weisungen erteilen dürfen, in Ausübung dieser Befugnisse erfolgt ist oder durch sonstige Beschäftigte oder Dritte verübt wurde und der Arbeitgeber seine Verpflichtung zur Verhinderung bzw. Unterbindung schuldhaft verletzt hat. Weitere Ansprüche gegen den Arbeitgeber, etwa auf Ersatz des Vermögensschadens, bleiben unberührt.
Sollte das Gesetz so in Kraft treten ist mit einer massiven Anhebung der Entschädigungshöhen zu rechnen, an die man sich in der Tat wird erst gewöhnen müssen…