Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

BAG: Beweislastumkehr beim Kündigungsschutz gilt auch bei betriebsbedingter Änderungskündigung

Auch bei betriebsbedingten Änderungskündigungen und nicht nur bei Beendigungskündigungen wird, wenn ein Interessenausgleich mit Namensliste vorliegt, zu Gunsten des Arbeitgebers vermutet, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch betriebliche Erfordernisse veranlasst war. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Auch sei die Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit zu überprüfen (Urteil vom 19.06.2007, Az.: 2 AZR 304/06).

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Leiharbeitnehmer; Fahrtkostenerstattung; Fahrzeitvergütung

Der Leiharbeitnehmer hat, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag nichts anderes ergibt, einen Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten nach § 670 BGB, wenn er auf Weisung des Arbeitgebers nicht direkt von seiner Wohnung zum Entleiher, sondern zunächst zum Betrieb des Verleihers fährt, um mit seinem privaten Fahrzeug von dort Kollegen mit zum Einsatzort zu transportieren.
In einem solchen Fall kann die Fahrtzeit auch gemäß § 612 Abs. 1 BGB als Arbeitszeit zu vergüten sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber sich vertraglich vorbehalten hat, den Leiharbeitnehmer im gesamten Bundesgebiet einzusetzen und der Stundenlohn des Leiharbeitnehmers so niedrig ist, dass die Fahrtzeit dann nicht schon pauschal mitvergütet sein kann. Dann wird eine objektive Vergütungserwartung des Leiharbeitnehmers auch nicht durch das Fehlen einer Regelung über die Vergütung der Reisezeit in einem von mehreren für die Branche geltenden Tarifverträgen ausgeschlossen.
(LAG Köln – 24.10.2006 13 Sa 881/06)

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Massenentlassungsanzeige; fristgerechte Änderungskündigung mit vorfristigem Angebot

Kündigt ein Arbeitgeber, bevor er eine nach § 17 Abs. 1 KSchG erforderliche Anzeige bei der Agentur für Arbeit erstattet hat, ist die Kündigung unwirksam. Eine Heilung durch eine nachträgliche Anzeige ist nicht möglich.
Enthält bei einer ordentlichen Änderungskündigung das Angebot eine Änderung der Arbeitsbedingungen bereits mit Wirkung vor Ablauf der Kündigungsfrist, ist die Kündigung nach § 1 Abs. 2, § 2 KSchG sozial ungerechtfertigt (vgl. BAG 21.09.2006 – 2 AZR 120/06 – DB 2007, 634).
(LAG Düsseldorf – 1.3.2007 13 Sa 1275/06)

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Kündigungsschutz: In der Probezeit gelten andere Regeln

Neu eingestellte Arbeitnehmer können sich erst nach Ablauf von sechs Monaten auf den gesetzlichen Kündigungsschutz berufen. Nur in zwei Ausnahmefällen trifft diese Regel nicht zu: Zum einen, wenn Arbeitgeber und Mitarbeiter ausdrücklich vereinbart haben, den Kündigungsschutz vorzuverlegen. Zum anderen, wenn ein Arbeitnehmer seinem neuen Chef vor der Einstellung erklärt, daß er besonderen Wert auf eine Dauer- oder Lebensstellung legt. Dann sei von einer stillschweigenden Einigung auszugehen, urteilten die Richter.
(Bundesarbeitsgericht, 2 AZR 874/95)

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Kündigungsauswahl unter Beachtung der Berufsfreiheit gemäß Treu und Glauben

Soweit im Fall der Kündigung unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen ist, hat auch der Arbeitgeber im Kleinbetrieb, auf den das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, ein durch Art. 12 GG gebotenes Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme zu wahren (BVerfGE 97, 169 = ZIP 1998, 705, dazu EWiR 1998, 509 (Ehrich)). Eine Kündigung, die dieser Anforderung nicht entspricht, verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) und ist deshalb unwirksam.
Ist bei einem Vergleich der grundsätzlich von dem gekündigten Arbeitnehmer vorzutragenden Sozialdaten evident, dass dieser erheblich sozial schutzbedürftiger ist als ein vergleichbarer weiterbeschäftigter Arbeitnehmer, so spricht dies zunächst dafür, dass der Arbeitgeber das gebotene Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme außer Acht gelassen hat. Setzt der Arbeitgeber dem schlüssigen Sachvortrag des Arbeitnehmers weitere (betriebliche, persönliche etc.) Gründe entgegen, die ihn zu der getroffenen Auswahl bewogen haben, so hat unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben eine Abwägung zu erfolgen. Es ist zu prüfen, ob auch unter Einbeziehung der vom Arbeitgeber geltend gemachten Gründe die Kündigung die sozialen Belange des betroffenen Arbeitnehmers in treuwidriger Weise unberücksichtigt lässt. Der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers im Kleinbetrieb kommt bei dieser Abwägung ein erhebliches Gewicht zu.
BAG, Urt. v.21.2.2001 — 2 AZR 15/00

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BAG: Bei Betriebsänderung ohne Interessenausgleich besteht Anspruch auf Nachteilsausgleich – abzüglich der Ansprüche aus späterem Sozialplan

Beginnt ein Unternehmen mit der Durchführung einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG, ohne zuvor mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich abgeschlossen oder ausreichend versucht zu haben, haben die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer einen Anspruch auf Ausgleich der ihnen entstehenden wirtschaftlichen Nachteile nach § 113 Abs. 3 BetrVG. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 16.05.2007. Mit diesem Nachteilsausgleich seien Ansprüche aus einem später vereinbarten Sozialplan nach §§ 112, 112a BetrVG jedoch zu verrechnen – jedenfalls dann, wenn das Unternehmen vor Beginn der Betriebsänderung den Konsultationspflichten der EG-Massenentlassungsrichtlinie genügt habe (Az.: 8 AZR 693/06).

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BAG: Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG ist vor Ablauf der Kündigungsfrist nicht vererblich

Der Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG entsteht erst mit Ablauf der Kündigungsfrist und ist deshalb vorher nicht vererblich. Dies hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts am 10.05.2007 entschieden (Az.: 2 AZR 45/06). Nach der 2004 eingeführten Vorschrift hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in Höhe eines halben Monatsgehaltes pro Beschäftigungsjahr, wenn der Arbeitgeber betriebsbedingt kündigt, der Arbeitnehmer gegen die Kündigung nicht klagt und der Arbeitgeber mit der Kündigung auf das Bestehen des Anspruchs hingewiesen hat.

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BAG: Teilzeitbeschäftigter hat Anspruch auf Verlängerung seiner Arbeitszeit

Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, der dem Arbeitgeber den Wunsch nach einer Verlängerung seiner vertraglichen Arbeitszeit angezeigt hat, ist nach § 9 TzBfG bei der Besetzung eines entsprechenden freien Arbeitsplatzes bei gleicher Eignung bevorzugt zu berücksichtigen. Das entschied das Bundesarbeitsgericht und gab der Revision eines bisher in Teilzeit (20 Stunden) beschäftigten Disponenten statt, der auf Vollzeit (36 Stunden) aufstocken wollte. Sein Arbeitgeber verweigerte ihm das, weil er vorhatte, die ausgeschriebenen Stellen mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden wöchentlich «tariffrei» zu gestalten (Urteil vom 08.05.2007, Az.: 9 AZR 874/06).

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Einzelvertragliche Ausschlussfrist, zweistufig (schriftliche Geltendmachung und Klage), Unwirksamkeit der zweiten Stufe

Einzelvertragliche Ausschlussfrist, zweistufig (schriftliche Geltendmachung und Klage), Unwirksamkeit der zweiten Stufe Ist einzelvertraglich vereinbart, dass die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht werden (1. Stufe), und sie nach Ablehnung oder Nichterklärung nicht innerhalb eines Monats gerichtlich geltend gemacht werden (2. Stufe), berührt die Unwirksamkeit der zweiten Stufe der Ausschlussklausel nicht die Wirksamkeit der ersten Stufe.
LAG Köln – 16.01.2007 9 Sa 1011/06

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Annahmeverzug, Böswilliges Unterlassen von Erwerb

Ein böswilliges Unterlassen von Erwerb im Sinne des § 615 Satz 2 BGB kann auch darin liegen, dass der Arbeitnehmer eine vertraglich nicht geschuldete Arbeitsleistung ablehnt, die der Arbeitgeber von ihm in einem unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis verlangt.
BAG – 07.02.2007 AZR 422/06