Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Betriebsbedingte Kündigungen: Ältere Mitarbeiter sind wegen ihrer Rentennähe nicht weniger schutzbedürftig als jüngere Kollegen

Arbeitgeber dürfen bei der im Rahmen von betriebsbedingten Kündigungen gebotenen Sozialauswahl nicht zu Lasten älterer Mitarbeiter berücksichtigen, dass diese wegen ihrer Rentennähe die Übergangszeit mit Arbeitslosengeld überbrücken können. Ein solches Auswahlkriterium sieht das Kündigungsschutzgesetz nicht vor. Danach führt ein höheres Lebensalter vielmehr zu einer höheren sozialen Schutzbedürftigkeit, weil es für ältere Arbeitnehmer regelmäßiger schwerer ist, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, als für jüngere Arbeitnehmer.
[LAG Düsseldorf PM vom 1.9.2005]

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Folgen eines Verstoßes gegen § 622 Abs. 6 BGB

Vereinbaren die Parteien unter Verstoß gegen § 622 Abs. 6 BGB für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer eine längere Frist als für die Kündigung durch den Arbeitgeber, muss auch der Arbeitgeber bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses die für den Arbeitnehmer vereinbarte (längere) Kündigungsfrist einhalten.
(BAG – 2.6.2005 2 AZR 296/04)

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Angabe der Anzahl der Unterhaltspflichten im Rahmen der Betriebsratsanhörung; Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einer Fachkraft für Arbeitssicherheit trotz fehlender Zustimmung des Betriebsrates zur Abberufung als

Die objektiv fehlerhafte Angabe der Zahl der Unterhaltspflichten führt bei einer betriebsbedingten Kündigung dann nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung wegen fehlerhafter Anhörung des Betriebsrates nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG, wenn eine soziale Auswahl nach Ansicht des Arbeitgebers mangels Vergleichbarkeit des zu kündigenden Arbeitnehmers mit anderen Arbeitnehmern nicht vorzunehmen ist.

Die fehlende Zustimmung des Betriebsrates zur Abberufung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit führt nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 9 Abs. 3 ASiG nicht zu Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
(LAG Hamm – 14.06.2005 19 Sa 287/05)

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Restmandat des Betriebsrats

Weder in § 21 a) noch in § 21 b) BetrVG gibt es eine Regelung, in welcher personellen Zusammensetzung der Betriebsrat das Übergangs- bzw. das Restmandat auszuüben hat. Das Restmandat ist anders als das Übergangsmandat kein Vollmandat, sondern nur ein nachwirkendes Mandat, das durch die mit der Abwicklung des Betriebes einhergehenden betriebsverfassungsrechtlichen Rechte ausgefüllt wird. Sowohl während der Dauer eines Übergangs- als auch eines Restmandates bleibt der Betriebsrat in seiner bisherigen personellen Zusammensetzung bestehen und ist insoweit für die noch zu erledigenden Arbeiten zuständig. Das Restmandat ist daher von dem Betriebsrat auszuüben, der bei Beendigung des Vollmandats im Amt war. Die Mitglieder des Betriebsrates beim alten Arbeitgeber verlieren nicht dadurch ihr Restmandat, dass sie im Wege des § 613 a BGB auf einen anderen Arbeitgeber übergegangen sind. Sie sind damit zwar beim bisherigen Arbeitgeber ausgeschieden, sie üben trotzdem nachwirkend ihr bisheriges Betriebsratsamt als Restmandat dort aus.
(LAG Rheinland-Pfalz – 18.04.2005 2 TaBV 15/05)

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LAG Nürnberg: Arbeitgeber kann nicht zur Rücknahme einer einmal ausgesprochenen Abmahnung verurteilt werden

Ein Arbeitgeber kann durch das Arbeitsgericht nicht zur Rücknahme einer gegenüber einem Arbeitnehmer ausgesprochenen Abmahnung verurteilt werden. Mit dieser Entscheidung stellte das Landesarbeitsgericht Nürnberg klar, allenfalls komme eine Verpflichtung zum Widerruf in Betracht. Diese sei aber nur dann gegeben, wenn der Widerruf notwendig sei, um den Ruf des Arbeitnehmers gegenüber Dritten wiederherzustellen.

(Beschluss vom 14.06.2005; Az.: 6 Sa 582/04)

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Neue Mindestlöhne auf Baustellen in Deutschland

Auf deutschen Baustellen gelten seit dem 1. September 2005 neue Mindestlöhne. Die neuen Mindeststundensätze betragen im Osten 8,80 € für Hilfsarbeiter und 9,80 € für Facharbeiter. In den alten Bundesländern müssen mindestens 10,20 € bzw. 12.30 € bezahlt werden. Auf diese Löhne hatten sich Arbeitgeber und Gewerkschaft im Juni 2005 geeinigt. Die Bundesregierung hat die neuen Mindestlöhne dann mit einer entsprechenden Mindestlohnverordnung für allgemeinverbindlich erklärt.
Die Mindestlöhne haben eine Laufzeit von 1 Jahr und erhöhen sich jährlich jeweils bis August 2008 um 0,10 €. Nur der Mindestlohn für Fachwerker in den neuen Bundesländern wird nicht weiter angehoben.
(Quelle: DPA)

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Rechte und Pflichten im Ausbildungsvertrag

Viele junge Leute beginnen in diesen Tagen ein Ausbildungsverhältnis. Oft wird angenommen, dass Berufsausbildungsveträge nach denselben arbeitsrechtlichen Regelungen behandelt werden, wie Arbeitsverhältnisse. Dabei findet sich im Berufsbildungsgesetz eine Reihe von Besonderheiten, die dem Charakter des Ausbildungsvertrages Rechnung tragen sollen.
So kann ein Ausbildungsvertrag in der längstens 3-monatigen Probezeit ohne Einhaltung einer Frist beendet werden. Nach der Probezeit kann der Ausbildende den Vertrag nur nach vorheriger Abmahnung und aus wichtigem Grund außerordentlich kündigen. Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und ausführlich begründet werden. Liegt ein wichtiger Grund nicht vor, ist die Kündigung ausgeschlossen.
Der Auszubildende hat Anspruch auf eine schriftliche Ausfertigung des Ausbildungsvertrages. Händigt der Ausbildende diese nicht aus, kann dies mit einer Geldbuße bis 1.000,– € geahndet werden. Bis zu 5.000,– € Geldbuße kann es kosten, wenn der Auszubildende mit Tätigkeiten betraut wird, die mit dem Ausbildungsziel nicht im Zusammenhang stehen.
Arbeitet der Auszubildende nach der Ausbildungszeit weiter, ohne das dazu etwas vereinbart wird, so kommt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zustande.

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Ordentliche Kündigung in der Probezeit – Maßregelungsverbot

1. Sofern sich der Kläger im Rahmen eines Kündigungsrechtsstreits auf das Maßregelverbot gemäß § 612 a BGB beruft, hat er den Kausalzusammenhang zwischen der Ausübung eigener Rechte und der Kündigung durch den Arbeitgeber darzulegen und ggf. zu beweisen. § 612 a BGB enthält im Gegensatz zu § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB (geschlechtsbezogene Benachteiligung) und § 612 Abs. 3 Satz 3 BGB (geringere Vergütung wegen des Geschlechts) keine besondere Beweislastregelung zugunsten der Arbeitnehmer.

2. Im Rahmen des § 612 a BGB können dem Arbeitnehmer indessen Beweiserleichterungen nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises zugute kommen. Dies ist dann der Fall, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der benachteiligenden Maßnahme (hier: Kündigung) und der Ausübung eines Rechts (hier: Stellung berechtigter Forderungen in angemessener Diktion) besteht.

3. Sofern der Kläger den prima-facie-Beweis erbracht hat, obliegt es dem Arbeitgeber, den Anschein durch einen vereinfachten Gegenbeweis zu erschüttern. Hierzu braucht der Arbeitgeber nur die ernsthafte Möglichkeit eines anderen als des erfahrungsgemäßen Ablaufs zu beweisen. Die Tatsachen, aus denen eine solche Möglichkeit abgeleitet werden soll, bedürfen indessen des Vollbeweises. Letztlich muss das Gericht aufgrund des Vortrags desArbeitgebers davon überzeugt sein, dass – entgegen des ersten Anscheins – ein atypischer Geschehensablauf vorlag. Erst dann fällt die volle Darlegungs- und Beweislast an den klagenden Arbeitnehmer zurück.
(LAG Schleswig-Holstein – 28.06.2005 5 Sa 64/05)

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Nachteilsausgleich bei Betriebsänderung

1. Die Wahrung der Schriftform des § 112 Abs 1 Satz 1 BetrVG ist Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Interessenausgleichs.

2. Wenn zwischen den Betriebsparteien kein wirksamer Interessenausgleich zu Stande kommt, muss der Arbeitgeber vor der tatsächlichen Durchführung der Betriebsänderung alle Möglichkeiten einer Einigung ausschöpfen und erforderlichenfalls die Einigungsstelle anrufen. Hiervon können ihn formlose Mitteilungen des Betriebsratsvorsitzenden nicht entbinden. Kommt der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nicht nach, schuldet er den Arbeitnehmern, die infolge der Betriebsänderung entlassen werden, nach § 113 Abs 3 iVm Abs 1 BetrVG einen Nachteilsausgleich.
(BAG Urteil vom 26.10.2004, 1 AZR 493/03)

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Abmahnung; Bestimmtheit; selbständiger Antrag auf Rücknahme neben dem Antrag auf Entfernung aus der Personalakte

1. Auch nach Ausspruch einer Abmahnung kann der Arbeitgeber nicht zur Rücknahme dieser Erklärung verurteilt werden. Denkbar ist entweder die Verpflichtung zum Widerruf oder der auf Feststellung gerichtete Antrag, dass die Vorwürfe unberechtigt sind.

2. Der Widerrufsantrag ist in der Regel nur begründet, wenn der Widerruf benötigt wird, um den Ruf des Arbeitnehmers Dritten gegenüber wiederherzustellen. Der Feststellungsantrag setzt ein Rechtsschutzinteresse voraus, das nur gegeben ist, wenn die Gefahr besteht, dass der Arbeitgeber trotz Entfernung der Abmahnungsschreiben aus der Personalakte die Vorwürfe weiter in rechtlich relevanter Weise verwenden will.

3. Die im Abmahnungsschreiben enthaltene Behauptung, der Arbeitnehmer habe ein Schreiben der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, ist zu unbestimmt, weil hierdurch die Schwere des Vorfalls nicht abgeschätzt werden kann.
(LAG Nürnberg – 14.06.2005 6 Sa 582/04)