Kündigungsschutzklage wahrt nicht Frist für Forderung auf höhere Eingruppierung

VonHagen Döhl

Kündigungsschutzklage wahrt nicht Frist für Forderung auf höhere Eingruppierung

Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage durch einen Arbeitnehmer wahrt eine tarifliche Ausschlussfrist nur für solche Zahlungsansprüche, die dem Arbeitgeber dem Grund und der Höhe nach bekannt und mit dem Arbeitsverhältnis verbunden sind. In einer Revisionsentscheidung stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass Forderungen, die auf eine höhere Eingruppierung gerichtet sind, von der fristwahrenden Wirkung der Kündigungsschutzklage nicht erfasst werden (BAG Urteil vom 14.12.2005, Az.: 10 AZR 70/05, BeckRS 2006, 41457).

Der Kläger hat eine Ausbildung als Schlosser absolviert und die Prüfung zum Baumaschinenführer in der Fachrichtung Erd- und Tiefbau erfolgreich abgelegt. Er arbeitete bei der Beklagten als Maschinenfachwerker und Baumaschinist. In ihrer Einstellungsmitteilung bestätigte diese die Einstellung des Klägers in der Berufsgruppe Maschinenfachwerker. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind die Tarifverträge für das Baugewerbe anzuwenden. Dort ist geregelt, dass alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit diesem in Verbindung stehen, innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit erhoben werden müssen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde durch betriebsbedingte Kündigung der Beklagten beendet. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und begehrt Annahmeverzugslohn ab dem Tag nach der außerordentlichen Kündigung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Nach Abschluss eines Vergleichs erteilte die Beklagte ihm auf der Basis des bis dahin gezahlten Stundenlohns eine Lohnabrechnung für den streitigen Zeitraum und zahlte den Betrag an den Kläger aus. Dieser meint, ihm stehe ein höherer Betrag zu, weil er als Baumaschinist mit einer entsprechenden Berufsausbildung in einer anderen Berufsgruppe eingruppiert gewesen sei. Die Beklagte beruft sich darauf, der Kläger habe die tarifliche Ausschlussfrist für seinen Anspruch aus einer bis dahin nicht geltend gemachten höheren Eingruppierung nicht gewahrt. Nachdem die Klage durch die Vorinstanzen abgewiesen worden war, bleib auch die Revision erfolglos.

Der Zehnte Senat des BAG stellte fest, die Klage sei zu Recht abgewiesen worden. Die Vorinstanzen hätten annehmen dürfen, die Erhebung der Kündigungsschutzklage durch den Kläger reiche zur Erfüllung der Ausschlussfrist für die streitigen Ansprüche nicht aus. Zwar entspreche es der ständigen Rechtsprechung, dass in der Erhebung der Kündigungsschutzklage gleichzeitig die Geltendmachung der davon abhängigen Annahmeverzugsansprüche zu sehen sei. Dies betreffe aber allein die vom Erfolg dieser Klage abhängigen Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers. Diese habe die Beklagte erfüllt. Die darüber hinausgehenden Ansprüche beträfen demgegenüber die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers. Hinsichtlich solcher Ansprüche wahre die Klageerhebung im Kündigungsschutzverfahren die Ausschlussfrist nicht.

Das BAG stützte seine Entscheidung auf die Auslegung des Tarifvertrags. Auszugehen sei dabei zunächst vom Wortlaut. Sodann sei der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden hätten. Im Zweifel sei diejenige Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führe (BAG, NZA-RR 2003, 604). Nach diesen Maßstäben seien die Zahlungsansprüche des Klägers verspätet geltend gemacht worden. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch sei ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis und unterliege daher den tariflichen Ausschlussfristen. Der Kläger habe ihn nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit erhoben. Eine Geltendmachung sei erst mit Klagezustellung erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt sei die Frist bereits verstrichen gewesen.
Tarifvertragsparteien haben eigene Regelung getroffen

Weiter heißt es, die Erhebung einer Kündigungsschutzklage sei zwar nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich geeignet, die in Ausschlussfristenregelungen vorgesehene schriftliche außergerichtliche Geltendmachung zu erfüllen, soweit Ansprüche betroffen sind, die vom Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens abhängen (BAG, NJOZ 2002, 1779). Die Tarifvertragsparteien des Baugewerbes hätten diese Rechtsprechung zum Anlass genommen, tarifvertraglich den Fristbeginn für die zweite Stufe der tariflichen Ausschlussfristen auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens festzusetzen. Daraus werde deutlich, dass für die dort genannten Ansprüche die erste Stufe der Ausschlussfrist nach dem Tarifvertrag durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage als gewahrt angesehen werden sollte. Die Tarifvertragsparteien hätten deshalb eine eigene tarifliche Definition der hiervon erfassten Ansprüche vorgenommen. Danach wahre die Erhebung der Kündigungsschutzklage die erste Stufe der Ausschlussfrist für solche Zahlungsansprüche, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig würden und von dessen Ausgang abhingen.

Das BAG stellte fest, der Zahlungsanspruch des Klägers sei zwar während des Kündigungsschutzverfahrens fällig geworden; er hänge jedoch nicht von dessen Ausgang ab. Dies wäre nur der Fall bei Weiterzahlung der bisher geleisteten Vergütung, nicht aber bei den sich aus einer fehlerhaften Eingruppierung ergebenden Ansprüche wegen einer bislang zu niedrigen Vergütung. Im Regelfall wehre sich der Arbeitgeber gegen den Lohnzahlungsanspruch, weil er das Bestehen des Arbeitsverhältnisses bestreite. Um zu vermeiden, dass der Arbeitnehmer in einer solchen Konstellation während der Dauer des Rechtsstreits Monat für Monat seinen Lohn einklagen müsse, habe das BAG entschieden, dass regelmäßig in der Erhebung der Kündigungsschutzklage eine Geltendmachung im Sinn tariflicher Ausschlussfristen zu sehen sei (BAG, NJW 1963, 1517). Die Begründung für diese Rechtsprechung definiere zugleich ihre Reichweite. Die Ausschlussfrist wahrende Wirkung der Kündigungsschutzklage könne nur dann für den Arbeitgeber gelten, wenn ihm die vom Erfolg der Kündigungsschutzklage abhängige Forderung nach Grund und Höhe prinzipiell bekannt sei (BAG, NZA 1991, 226). Daher sei von denjenigen Ansprüchen auszugehen, die dem «Normalfall» entsprechen würden, also beim Arbeitgeber als bekannt vorauszusetzen seien. Ansprüche, die auf Abweichungen von der bisherigen, zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages praktizierten Verfahrensweise beruhten, unterfielen nicht der fristwahrenden Wirkung der Kündigungsschutzklage. Deshalb wären auch Verzugsansprüche wegen verspäteter Lohnzahlung nicht von der Kündigungsschutzklage umfasst.

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