Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Zeugnis darf beim Leser keine negativen Schlussfolgerungen ermöglichen

Erteilte Zeugnisse müssen den allgemeinen gesetzlichen Anforderungen an ein Zeugnis entsprechen und dürfen beim Leser keine negative Schlussfolgerungen zulassen, die das berufliche Fortkommen beeinträchtigen könnten. Daher ist bei einem zur Zeugniserteilung verwendeten Geschäftsbogen das Adressfeld nicht auszufüllen; denn dies gibt Anlass zur negativen Schlussfolgerung, dass der Ausstellung des Zeugnisses ein Streit vorausgegangen ist, der die zeitige Aushändigung des Zeugnisses bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses unmöglich gemacht hat. Auch muss das Zeugnis frei von Rechtschreibfehlern sein. Sonst kann der Eindruck entstehen, dass sich der Aussteller vom Inhalt des Zeugnisses distanziert.

Beschluss des LAG Hessen vom 21.10.2014, Az.: 12 Ta 375/14

VonHagen Döhl

Diskriminierungsschutz bei Scheinbewerbung?

Das BAG hat dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob auch ein Scheinbewerber Diskriminierungsschutz genießt.

Der Kläger hat 2001 die Ausbildung zum Volljuristen abgeschlossen und ist seither überwiegend als selbständiger Rechtsanwalt tätig. Die Beklagte, die zu einem großen Versicherungskonzern gehört, schrieb ein "Trainee-Programm 2009" aus. Dabei stellte sie als Anforderung einen nicht länger als ein Jahr zurückliegenden oder demnächst erfolgenden sehr guten Hochschulabschluss und qualifizierte berufsorientierte Praxiserfahrung durch Ausbildung, Praktika oder Werkstudententätigkeit. Bei der Fachrichtung Jura wurden zusätzlich eine arbeitsrechtliche Ausrichtung oder medizinische Kenntnisse erwünscht. Der Kläger bewarb sich hierfür. Er betonte im Bewerbungsschreiben, dass er als früherer leitender Angestellter einer Rechtsschutzversicherung über Führungserfahrung verfüge. Derzeit besuche er einen Fachanwaltskurs für Arbeitsrecht. Weiter führte er aus, wegen des Todes seines Vaters ein umfangreiches medizinrechtliches Mandat zu betreuen und daher im Medizinrecht über einen erweiterten Erfahrungshorizont zu verfügen. Als ehemaliger leitender Angestellter und Rechtsanwalt sei er es gewohnt, Verantwortung zu übernehmen und selbständig zu arbeiten. Nach der Ablehnung seiner Bewerbung verlangte der Kläger eine Entschädigung i.H.v. 14.000 Euro. Die nachfolgende Einladung zum Gespräch mit dem Personalleiter der Beklagten lehnte er ab und schlug vor, nach Erfüllung seines Entschädigungsanspruchs sehr rasch über seine Zukunft bei der Beklagten zu sprechen.

Das BAG hat dem EuGH u.a. folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Ist das Unionsrecht dahingehend auszulegen, dass auch derjenige "Zugang zur Beschäftigung oder zur abhängigen Erwerbstätigkeit" sucht, aus dessen Bewerbung hervorgeht, dass nicht eine Einstellung und Beschäftigung, sondern nur der Status als Bewerber erreicht werden soll, um Entschädigungsansprüche geltend machen zu können?
(BAG 18.06.2015  8 AZR 848/13 (A))

VonHagen Döhl

Umfang der klagefristwahrenden Wirkung einer Kündigungsschutzklage

Eine Kündigungsschutzklage wahrt die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG auch für eine Folgekündigung, die vor dem oder zeitlich mit dem Auflösungstermin der ersten Kündigung wirksam werden soll, jedenfalls dann, wenn der Kläger ihre Unwirksamkeit noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz explizit geltend macht und mit einem Antrag nach § 4 Satz 1 KSchG erfasst.

(BAG, Urteil vom 18.12.2014 – 2 AZR 163/14).

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Gleichwertigkeit kündigungsschutzrechtlicher Sozialkriterien

Keinem der § 1 Abs. 3 Nr. 1 KSchG genannten Sozialkriterien kommt eine Priorität gegenüber den anderen zu. Vielmehr sind stets die individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbaren Arbeitnehmern mit Blick auf die sogenannten Grunddaten zu berücksichtigen und abzuwägen. Bei der Gewichtung kommt dem Arbeitgeber ein Wertungsspielraum zu. Dieser führt dazu, dass nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer sich mit Erfolg auf einen Auswahlfehler berufen können.

(BAG, Urteil vom 29.01.2015 – 2 AZR 164/14)

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Leistungsbonus ist in die Berechnung des Mindestlohns einzubeziehen

Das ArbG Düsseldorf hatte zu entscheiden, auf welche Gehaltsbestandteile der gesetzliche Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) anwendbar ist.

Die Klägerin wurde bei der beklagten Arbeitgeberin zunächst mit einer Grundvergütung von 8,10 Euro pro Stunde vergütet. Daneben zahlte die Arbeitgeberin einen "freiwilligen Brutto/Leistungsbonus von max. 1,00 Euro, der sich nach der jeweilig gültigen Bonusregelung" richtete. Anlässlich der Einführung des MiLoG teilte die Arbeitgeberin der Klägerin mit, die Grundvergütung betrage weiter 8,10 Euro brutto pro Stunde, der Brutto/Leistungsbonus max. 1,00 Euro pro Stunde. Vom Bonus würden allerdings 0,40 Euro pro Stunde fix gezahlt. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Leistungsbonus dürfe in die Berechnung des Mindestlohns nicht einfließen. Er sei zusätzlich zu einer Grundvergütung i.H.v. 8,50 Euro pro Stunde zu zahlen.

Das ArbG Düsseldorf hat die Klage abgewiesen.

Nach Auffassung des Arbeitsgerichts ist es Zweck des MiLoG, dem oder der Vollzeitbeschäftigten durch eigenes Einkommen die Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts zu ermöglichen. Es komme – unabhängig von der Bezeichnung einzelner Leistungen – allein auf das Verhältnis zwischen dem tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlten Lohn und dessen geleisteter Arbeitszeit an. Mindestlohnwirksam seien daher alle Zahlungen, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung mit Entgeltcharakter gezahlt würden. Da ein Leistungsbonus, anders als beispielsweise vermögenswirksame Leistungen, einen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung aufweise, handele es sich um "Lohn im eigentlichen Sinn", der in die Berechnung des Mindestlohns einzubeziehen sei.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. (ArbG Düsseldorf 20.4.2015  5 Ca 1675/15)

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Kleines Tattoo hindert Ausbildung zur Justizhauptwachtmeisterin nicht

Das VG Berlin hat in einem Eilverfahren entschieden, dass die Bewerbung zur Ausbildung als Justizhauptwachtmeisterin im Land Berlin nicht wegen einer kleinen Tätowierung am Handgelenk abgelehnt werden darf.
(VG Berlin 36. Kammer  24.04.2015  VG 36 L 83/15)

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Beweislast im Mobbingprozess – Parteivernehmung des betroffenen Arbeitnehmers möglich

1. Die Beweis- und Darlegungslast für das Vorliegen von Mobbinghandlungen, aus denen er Entschädigungs-, Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche herleitet, trägt der Arbeitnehmer selbst.

2. Voraussetzung für eine Parteivernehmung der beweispflichtigen Partei gemäß § 448 ZPO ist, dass für die zu beweisende Tatsache aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht.

3. Verneint das Berufungsgericht die gewisse Wahrscheinlichkeit der Beweistatsache und lehnt es deshalb eine Parteivernehmung ab, so müssen seine Feststellungen in einer § 286 ZPO genügenden Weise getroffen werden.

(BAG, Urteil v. 14.11.2014 – 8 AZR 813/12)

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Mindestgröße für Eignungsprüfung bei Bundespolizei stellt Diskriminierung kleiner Menschen dar

Das VG Schleswig hat entschieden, dass Anspruch auf Entschädigung besteht, wenn wegen zu geringer Körpergröße ein Ausschluss von dem Eignungsprüfungsverfahren der Bundespolizei stattfindet.
(Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht  m 26.03.2015   12 A 120/14)

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Mitarbeiter darf nach einer Kündigung frei nehmen für die Jobsuche

Wurde ein Arbeitsverhältnis gekündigt, hat der Mitarbeiter Anspruch auf Freistellung, um eine neue Stelle zu suchen und Bewerbungsgespräche wahrzunehmen.

Als Ausfluss der allgemeinen Fürsorgepflicht ist der Dienstberechtigte verpflichtet, den Dienstverpflichteten nach Ausspruch der Kündigung eines dauernden Dienstverhältnisses für eine angemessene Zeit von seiner Dienstleistungspflicht zum Zweck der Stellensuche freizustellen. Dies soll dem Dienstverpflichteten ermöglichen, unmittelbar im Anschluss an das beendete Dienstverhältnis ohne größere finanzielle Einbußen ein neues zu begründen. Aus diesem Grund ist § 629 BGB nicht abdingbar.

Die Vorschrift findet auf alle Dienst- und Arbeitsverhältnisse Anwendung. Notwendig ist ein dauerndes Dienstverhältnis. Entscheidend ist somit, ob das Dienstverhältnis rechtlich oder faktisch auf eine längere Zeit angelegt ist, von unbestimmter Dauer sein sollte oder faktisch bereits längere Zeit bestanden hat.

Als Kündigung sind ordentliche und außerordentliche sowie Änderungskündigungen zu verstehen. Darüber hinaus findet § 629 BGB entsprechende Anwendung auf Dienstverhältnisse, die aufgrund Fristablaufs, auflösender Bedingung, Zweckerreichung oder eines Aufhebungsvertrags enden.

Mitarbeiter muss Freistellung verlangen

Der Mitarbeiter muss die Freistellung von der Arbeit ausdrücklich und rechtzeitig verlangen, da der Arbeitgeber nicht von sich aus zur Gewährung verpflichtet ist. Unzulässig ist daher auch die eigenmächtige Inanspruchnahme von Freizeit durch den Mitarbeiter zwecks Stellensuche. Andererseits darf der Arbeitgeber ihn nicht auf noch offene Urlaubstage verweisen. Erhält ein Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Erholungsurlaub, muss er gleichwohl den Anspruch auf Stellensuche geltend machen. Eine nachträgliche Umwandlung des Erholungsurlaubs in Freizeit zur Stellensuche, bei der zusätzlich eine Urlaubsabgeltung erfolgen müsste, ist nicht möglich. Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn der Dienstverpflichtete bereits vor Zugang der Kündigung den Urlaub beantragt hat

Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, hat der Arbeitgeber dem Mitarbeiter eine angemessene Freizeit zur Stellensuche einzuräumen. Die Angemessenheit richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls. Nähere Ausgestaltungen können durch Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen oder Verträge vorgenommen werden.

Über die Vergütung des Dienstverpflichteten trifft § 629 BGB keine Aussage. Nach ganz h. M. ist § 616 BGB anwendbar, sodass der Dienstverpflichtete nur Anspruch auf Vergütung hat, wenn die Stellensuche eine nicht erhebliche Zeit ausmacht.

 

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Mindestlohn in Pflegebranche gilt auch für Bereitschaftszeiten

Das BAG hat entschieden, dass das Mindestentgelt in der Pflegebranche (§ 2 PflegeArbbV) nicht nur für Vollarbeit, sondern auch für Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst zu zahlen ist.

Die 1954 geborene Klägerin war bei der Beklagten, die einen privaten Pflegedienst betreibt, als Pflegehelferin gegen ein Bruttomonatsentgelt von 1.685,85 Euro beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörte u.a. die Pflege und Betreuung von zwei Schwestern einer Katholischen Schwesternschaft, die beide an Demenz leiden und an den Rollstuhl gebunden sind. Neben den eigentlichen Pflegeleistungen oblagen der Klägerin auch Tätigkeiten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung der Schwestern (wie z.B. Zubereiten von Frühstück und Abendessen, Wechseln und Waschen von Wäsche). Die Klägerin arbeitete in zweiwöchigen Rund-um-die-Uhr-Diensten, während derer sie verpflichtet war, an der Pflegestelle anwesend zu sein. Sie bewohnte in den Arbeitsphasen im Haus der Schwesternschaft ein Zimmer in unmittelbarer Nähe zu den zu betreuenden Schwestern. Diese nahmen täglich von 11:45 bis 12:45 Uhr am gemeinsamen Mittagessen der Schwesternschaft und von 17:50 bis 18:50 Uhr am Gottesdienst teil. Mit ihrer Klage hat sie für die Monate August bis Oktober 2010 die Nachzahlung von insgesamt 2.198,59 Euro brutto begehrt und geltend gemacht, das Mindestentgelt von – damals – 8,50 Euro je Stunde nach § 2 Abs. 1 PflegeArbbV sei für jede Form der Arbeit zu zahlen. Die Beklagte hat eingewendet, die Klägerin habe nicht 24 Stunden am Tag gearbeitet. Das Mindestentgelt nach der PflegeArbbV sei nicht für Bereitschaftsdienst zu zahlen. Für diesen könne arbeitsvertraglich eine geringere Vergütung vereinbart werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage überwiegend abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht der Klage auf der Basis von 22 mit dem Mindestentgelt zu vergütenden Stunden je Arbeitstag im Rund-um-die-Uhr-Dienst stattgegeben. Die Zeiten des Mittagessens und der Teilnahme am Gottesdienst hat das Landesarbeitsgericht als nicht zu vergütende Pausen gewertet.

Die Revision der Beklagten blieb vor dem BAG erfolglos.

Nach Auffassung des BAG ist das Mindestentgelt nach § 2 der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) vom 15.07.2010 "je Stunde" festgelegt und knüpft damit an die vergütungspflichtige Arbeitszeit an. Dazu gehörten nicht nur die Vollarbeit, sondern auch die Arbeitsbereitschaft und der Bereitschaftsdienst. Während beider müsse sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereithalten, um im Bedarfsfalle unverzüglich die Arbeit aufzunehmen. Zwar könne dafür ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit bestimmt werden. Von dieser Möglichkeit habe der Verordnungsgeber im Bereich der Pflege aber keinen Gebrauch gemacht. Deshalb seien arbeitsvertragliche Vereinbarungen, die für Bereitschaftsdienst in der Pflege ein geringeres als das

(BAG 19.11.2014  5 AZR 1101/12)