Das Bundesarbeitsgericht hat sich in einer aktuellen Entscheidung zur Nachbindung an einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 3 TVG und zu dem Begriff der «anderen Abmachung» nach § 4 Abs. 5 TVG geäußert. Es sieht einen Arbeitgeber nach seinem Verbandsaustritt an die vom Arbeitgeberverband geschlossen Tarifverträge kraft Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG bis zu deren Ende unmittelbar und zwingend gebunden. Anschließend wirken sie nach, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Das BAG betont, dass eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, die untertarifliche Abreden enthält und bereits im Stadium der Nachbindung gelten soll, grundsätzlich bereits nach ihrem Regelungswillen keine «andere Abmachung» im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG darstellt (Urteil vom 01.07.2009, Az.: 4 AZR 261/08).
Sachverhalt
Für das Arbeitsverhältnis des Klägers galt kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der einschlägige Gemeinsame Manteltarifvertrag der Metallindustrie (GMTV). Die Beklagte trat im September 2004 aus dem tarifvertragsschließenden Arbeitgeberverband aus. Im Februar 2005 vereinbarte sie mit dem Kläger abweichend vom GMTV die Anhebung der regelmäßigen Arbeitszeit ohne Entgeltausgleich. Im Juli 2005 schlossen die Tarifvertragsparteien des ungekündigten GMTV, ohne diesen zuvor gekündigt zu haben, einen neuen Manteltarifvertrag (MTV), der ab Januar 2006 gelten sollte. Die unmittelbare und zwingende Wirkung des MTV anstelle des GMTV war ab dem betrieblichen Einführungsstichtag des tariflichen Entgeltrahmenabkommens (ERA) vorgesehen, spätestens aber zum 31.12.2008. Das ERA konnte ab Januar 2006 auf freiwilliger Basis eingeführt werden. Zum 01.10.2007 schloss die Beklagte mit der IG Metall, die auch den GMTV und den MTV vereinbart hatte, einen Firmentarifvertrag, der im Wesentlichen die zuvor einzelvertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen unterhalb des Niveaus des GMTV zum Gegenstand hat.
Arbeitsrechtliche Vereinbarungen durch GMTV verdrängt
Die Revision der Beklagten blieb vor dem Vierten Senat des Bundesarbeitsgerichts insoweit erfolglos, als sie sich gegen das vorinstanzlich erfolgreiche Begehren des Klägers richtete, trotz der vertraglichen Abrede vom Februar 2005 seien für ihn die Arbeitszeitregelungen des GMTV jedenfalls bis zum Inkrafttreten des Firmentarifvertrags maßgebend. Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass der GMTV nach dem Verbandsaustritt der Beklagten bis zu dessen Beendigung für die Parteien unmittelbar und zwingend war und die arbeitsvertragliche Vereinbarung vom Februar 2005 verdrängte, die auch unter Berücksichtigung des darin vorgesehenen Schutzes gegen betriebsbedingte Kündigungen keine nach § 4 Abs. 3 TVG günstigere Abmachung war.
Nachbindung ohne zeitliche Beschränkung
Entgegen der Auffassung der Beklagten endete die Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG laut BAG weder mit dem auf den Verbandsaustritt folgenden nächstmöglichen Kündigungstermin des GMTV noch in Anlehnung an die Frist des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ein Jahr nach dem Ende der Verbandsmitgliedschaft. Gegen die von § 3 Abs. 3 TVG ohne zeitliche Beschränkung angeordnete Nachbindung bestünden auch unter dem Gesichtspunkt der negativen Koalitionsfreiheit keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, so die Erfurter Richter.
Vereinbarung keine die Nachwirkung beendende Abmachung
Allerdings endete der GMTV im Sinne des § 3 Abs. 3 TVG laut BAG nicht erst mit Ablauf des 31.12.2008. Bereits ab dem 01.01.2006 habe der GMTV für die verbandsangehörigen Arbeitgeber nicht mehr zwingend gegolten. Durch die mögliche Einführung des ERA hätten sie den GMTV ab diesem Zeitpunkt durch den MTV ablösen können. Im Arbeitsverhältnis der Parteien habe damit ab dem 01.01.2006 der GMTV nachgewirkt. Die Vereinbarung vom Februar 2005 sei auch keine die Nachwirkung beendende andere Abmachung im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG. Insoweit bestätigte der Vierte Senat seine ständige Rechtsprechung.