Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Wirksamkeit eines „Anlernvertrags“ für anerkannten Ausbildungsberuf

Das BAG hat entschieden, dass die Vereinbarung eines „Anlernvertrages“ wegen Verstoßes gegen das Berufsbildungsgesetz gemäß § 134 BGB nichtig ist.
Ein Malermeister hatte mit der Klägerin einen „Anlernvertrag“ im Beruf „Maler- und Lackierer“ geschlossen und eine Vergütung vereinbart, die deutlich hinter der für Arbeitnehmer üblichen Mindestvergütung zurückblieb. Die Klägerin verlangte mit der Klage die Zahlung der in Arbeitsverhältnissen üblichen Entlohnung für die Zeit ihrer Tätigkeit und hatte vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg.
Die Revision des Malermeisters wurde vom BAG zurückgewiesen.
Nach den Ausführungen des BAG ist die Ausbildung für einen anerkannten Ausbildungsberuf nur nach der Ausbildungsordnung zulässig (§ 4 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz). Die Ausbildung habe grundsätzlich in einem Berufsausbildungsverhältnis stattzufinden. Soll ein solches nicht vereinbart werden, könne statt dessen auch ein Arbeitsverhältnis begründet werden. Es sei jedoch unzulässig, die Ausbildung in einem anderen Vertragsverhältnis nach § 26 Berufsbildungsgesetz, etwa einem „Anlernverhältnis“, durchzuführen. Derartige Verträge seien wegen des Gesetzesverstoßes insgesamt nach § 134 BGB nichtig. Trotzdem eingegangene „Anlernverhältnisse“ seien für den Zeitraum ihrer Durchführung entsprechend den Regeln über das Arbeitsverhältnis auf fehlerhafter Vertragsgrundlage (sog. faktisches Arbeitsverhältnis) wie ein Arbeitsverhältnis zu behandeln. Zu zahlen sei die i.S.v. § 612 Abs. 2 BGB für Arbeitsverhältnisse übliche Vergütung.
Ob sich der Arbeitgeber ohne Weiteres vorzeitig aus dem Rechtsverhältnis lösen kann oder ob dies wegen des Schutzzwecks des Berufsbildungsgesetzes nicht möglich ist, wofür einiges spricht, hatte das BAG nicht zu entscheiden.
(BAG 27.7.2010 3 AZR 317/08)

VonHagen Döhl

„Tag der offenen Tür“ – Arbeitszeit für Arbeitnehmer?

Führt der Arbeitgeber Marketing Maßnahmen – wie einen „Tag der offenen Tür“ durch und veranlasst der seine Mitarbeiter am Arbeitsplatz präsent zu sein und an der Gestaltung der Veranstaltung mitzuwirken, ist die Zeit, die der Arbeitnehmer dabei für den Arbeitgeber tätig ist, Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes.
Das Arbeitszeitgesetz definiert die Arbeitszeit als diejenige Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhe Pausen (§ 2 ArbZG).
Ein Arbeitnehmer arbeitet, wenn er die vereinbarte Arbeitsleistung erbringt – also das tut, wozu er arbeitsvertraglich verpflichtet ist. Die konkrete Lage der Arbeitszeit bestimmt der Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechtes.
Arbeitszeit ist also Zeit, die der Arbeitnehmer nicht für seine eigenen, persönlichen Belange einsetzen kann, sondern in der er dem Arbeitgeber zur Verfügung steht.
Führt der Arbeitgeber einem „Tag der offenen Tür“ durch und setzte er dabei seine Mitarbeiter ein, dann konkretisiert er den Zeitpunkt der Arbeitsleistung seiner Mitarbeiter eben für diese Marketingmaßnahme. Die eingesetzten Arbeitnehmer stehen dem Arbeitgeber für die Veranstaltung zur Verfügung und können diese Arbeitszeit ersichtlich nicht für ihre privaten Belange verwenden.
Der Arbeitgeber kann auch nicht erwarten, dass die Arbeitnehmer das „Bewusstsein“ entwickeln, dass die Werbeaßnahme im Interesse des Unternehmens liegt und die Arbeitnehmer deswegen bereit sein müsste daran ohne Anrechnung auf die Arbeitszeit teilzunehmen. Die Angelegenheiten der Werbung und des Marketing, sind Sache des Unternehmers und haben nicht auf Kosten der Arbeitnehmer zu erfolgen
Die an der Maßnahme teilnehmenden Arbeitnehmer haben daher Anspruch auf eine entsprechende Arbeitszeit- Gutschrift und auf Verrechnung mit dem „Freizeit- Konto“ bzw. andernfalls auf entsprechende Vergütung.

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„Fall Emmely“ – Fristlose Kündigung – unrechtmäßiges Einlösen aufgefundener Leergutbons

Ein vorsätzlicher Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Vertragspflichten kann eine fristlose Kündigung auch dann rechtfertigen, wenn der damit einhergehende wirtschaftliche Schaden gering ist.
Umgekehrt ist nicht jede unmittelbar gegen die Vermögensinteressen des Arbeitgebers gerichtete Vertragspflichtverletzung ohne Weiteres ein Kündigungsgrund. Maßgeblich ist § 626 Abs. 1 BGB.

Danach kann eine fristlose Kündigung nur aus „wichtigem Grund“ erfolgen. Das Gesetz kennt in diesem Zusammenhang keine „absoluten Kündigungsgründe“. Ob ein „wichtiger Grund“ vorliegt, muss vielmehr nach dem Gesetz „unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile“ beurteilt werden. Dabei sind alle für das jeweilige Vertragsverhältnis in Betracht kommenden Gesichtspunkte zu bewerten. Dazu gehören das gegebene Maß der Beschädigung des Vertrauens, das Interesse an der korrekten Handhabung der Geschäftsanweisungen, das vom Arbeitnehmer in der Zeit seiner unbeanstandeten Beschäftigung erworbene „Vertrauenskapital“ ebenso wie die wirtschaftlichen Folgen des Vertragsverstoßes; eine abschließende Aufzählung ist nicht möglich. Insgesamt muss sich die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses als angemessene Reaktion auf die eingetretene Vertragsstörung erweisen. Unter Umständen kann eine Abmahnung als milderes Mittel zur Wiederherstellung des für die Fortsetzung des Vertrags notwendigen Vertrauens in die Redlichkeit des Arbeitnehmers ausreichen.
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts – anders als die Vorinstanzen – der Klage der Kassiererin eines Einzelhandelsgeschäfts
stattgegeben, die ihr nicht gehörende Pfandbons im Wert von insgesamt 1,30 Euro zum eigenen Vorteil eingelöst hat.
Die Klägerin war seit April 1977 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt. Am 12. Januar 2008 wurden in ihrer Filiale zwei Leergutbons im Wert von 48 und 82 Cent aufgefunden. Der Filialleiter übergab die Bons der Klägerin zur Aufbewahrung im Kassenbüro, falls sich ein Kunde noch melden sollte. Sie lagen dort sichtbar und offen zugänglich. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen reichte die Klägerin die beiden Bons bei einem privaten Einkauf zehn Tage später bei der kassierenden Kollegin ein. Diese nahm sie entgegen, obwohl sie, anders als es aufgrund einer Anweisung erforderlich gewesen wäre, vom Filialleiter nicht abgezeichnet worden waren. Im Prozess hat die Klägerin bestritten, die Bons an sich genommen zu haben, und darauf verwiesen, sie habe sich möglicherweise durch Teilnahme an gewerkschaftlichen Aktionen Ende 2007 unbeliebt gemacht. Vor der Kündigung hatte sie zur Erklärung ins Feld geführt, die Pfandbons könnten ihr durch eine ihrer Töchter oder eine Kollegin ins Portemonnaie gesteckt worden sein. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis ungeachtet des Widerspruchs des Betriebsrats wegen eines dringenden Tatverdachts fristlos, hilfsweise fristgemäß.
Die Kündigung ist unwirksam. Die mit einer so genannten „Verdachtskündigung“ verbundenen Fragen stellten sich dabei in der Revisionsinstanz nicht, weil das Landesarbeitsgericht – für den Senat bindend – festgestellt hat, dass die Klägerin die ihr vorgeworfenen Handlungen tatsächlich begangen hat. Der Vertragsverstoß ist schwerwiegend. Er berührte den Kernbereich der Arbeitsaufgaben einer Kassiererin und hat damit trotz des geringen Werts der Pfandbons das Vertrauensverhältnis der Parteien objektiv erheblich belastet. Als Einzelhandelsunternehmen ist die Beklagte besonders anfällig dafür, in der Summe hohe Einbußen durch eine Vielzahl für sich genommen geringfügiger Schädigungen zu erleiden. Dagegen konnte das Prozessverhalten der Klägerin nicht zu ihren Lasten gehen. Es lässt keine Rückschlüsse auf eine vertragsrelevante Unzuverlässigkeit zu. Es erschöpfte sich in einer
möglicherweise ungeschickten und widersprüchlichen Verteidigung. Letztlich überwiegen angesichts der mit einer Kündigung verbundenen schwerwiegenden Einbußen die zu Gunsten der Klägerin in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte. Dazu gehört insbesondere die über drei Jahrzehnte ohne rechtlich relevante Störungen
verlaufene Beschäftigung, durch die sich die Klägerin ein hohes Maß an Vertrauen erwarb. Dieses Vertrauen konnte durch den in vieler Hinsicht atypischen und einmaligen
Kündigungssachverhalt nicht vollständig zerstört werden.
Im Rahmen der Abwägung war auch auf die vergleichsweise geringfügige wirtschaftliche Schädigung der Beklagten Bedacht zu nehmen, so dass eine Abmahnung als milderes Mittel gegenüber einer Kündigung angemessen und ausreichend gewesen wäre, um einen künftig wieder störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses zu bewirken.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. Juni 2010 – 2 AZR 541/09 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.
Februar 2009 – 7 Sa 2017/08 -)

VonHagen Döhl

Voller Mutterschutz auch für Selbstständige

Selbstständige Frauen und Partnerinnen von Selbstständigen erhalten das Recht auf mindestens 14 Wochen Mutterschutzurlaub.

Damit haben Millionen Frauen Anrecht auf besseren sozialen Schutz. Ihnen steht damit der gleiche rechtliche Schutz zu, wie anderen erwerbstätigen Frauen auch. Die EU-Mitgliedstaaten einigten sich auf die Gesetzesinitiative der Kommission, der das Europäische Parlament am 18.05.2010 zugestimmt hatte. „Dies ist eine deutliche Verbesserung der Rechte der Selbstständigen und ihrer Partnerinnen und wird mehr Frauen zum Schritt in die Selbstständigkeit ermutigen“, erklärte Vizekommissionspräsidentin Viviane Reding, zuständig für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft.

Jede selbstständig arbeitende Frau, Ehe- oder Lebenspartnerin eines selbstständig Erwerbstätigen erhält damit Anspruch auf ausreichende Mutterschutzleistungen, um ihre Erwerbstätigkeit für mindestens 14 Wochen unterbrechen zu können. Ob der Mutterschaftsurlaub und die Mitgliedschaft in sozialen Versicherungssystemen auf verpflichtender oder freiwilliger Basis erfolgt, bleibt Sache der Mitgliedstaaten. Bislang sind nur 30% der Selbstständigen in Europa Frauen, die neue Richtlinie soll dies ändern. Mit ihr modernisiert die EU das seit 1986 bestehende Gesetz zum Sozialschutz für selbstständig Erwerbstätige.

Der Ministerrat wird die Richtlinie voraussichtlich am 24.06.2010 formal annehmen. Die Mitgliedstaaten haben dann zwei Jahre Zeit, die neuen Vorschriften in nationales Recht umzusetzen und erhalten im Bedarfsfall noch eine zweijährige Verlängerungsfrist.

VonHagen Döhl

Urlaubsabgeltung

Urlaubsabgeltung

Der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG ist nicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub i.S.v. §§ 1, 3 BUrlG beschränkt, sondern umfasst den gesamten Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers, der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht erfüllt ist. Sind – wie im vorliegenden Fall – für den über den Mindesturlaub hinausgehenden einzelvertraglichen Urlaubsanspruch keine besonderen Vereinbarungen getroffen, besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 BUrlG ein Abgeltungsanspruch für den Gesamturlaub.
Bezüglich des „übergesetzlichen“ Urlaubs können die Vertragsparteien ebenso wie die Tarifvertragsparteien vom Gesetz abweichende Regelungen treffen.
(BAG 22.10.2009 – 8 AZR 865/08)

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Freistellung und Urlaubsanspruch

Häufig werden Arbeitnehmer im Kündigungsschreiben unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt und zwar unter Anrechnung des Resturlaubsanspruchs und auf offene Überstundenvergütung bzw. Guthaben aus Gleitzeit-/Freizeitkonten. Eine Freistellungserklärung kann jedoch das Erlöschen des Urlaubsanspruchs nur bewirken, wenn sie unwiderruflich erfolgt (BAG Urteil vom 19.05.2009 – 9 AZR 433/08, NZA 2009,1211).

Der Urlaubsanspruch kann grundsätzlich auch in der Weise erfüllt werden, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche von der Arbeit freistellt. Notwendig ist allerdings stets die endgültige, nicht unter dem Vorbehalt eines Widerrufs stehende Befreiung von der Arbeitspflicht. Nur in diesem Fall ist es dem Arbeitnehmer möglich, die ihm aufgrund des Urlaubsanspruchs zustehende Freizeit uneingeschränkt selbstbestimmt zu nutzen. Dies wäre nicht gewährleistet, wenn der Arbeitnehmer während der Freistellung jederzeit damit rechnen muss, wieder zur Arbeit gerufen zu werden.

Insoweit anders ist die Rechtslage, wenn es um einen Anspruch auf Freizeitausgleich aus einem wegen im Arbeitsverhältnis vereinbarter flexibler Arbeitszeit bzw. Gleitzeit eingerichteten Arbeitszeitkonto geht. Dieser Anspruch erlischt nach § 362 Abs. 1 BGB auch durch eine widerrufliche Freistellung. Der Unterschied zum Urlaubsanspruch besteht in Folgendem: Nach dem Bundesurlaubsgesetz besteht kein Anspruch des Arbeitgebers gegen den Arbeitnehmer, den gewährten Urlaub abzubrechen oder zu unterbrechen. Wird demgegenüber zum Abbau eines zugunsten des Arbeitnehmers bestehenden Zeitsaldos Freizeitausgleich gewährt, so handelt es sich regelmäßig nur um eine Weisung. Mit der Bestimmung der Zeit der Arbeitsleistung wird zugleich auch die Zeit bestimmt, während derer ein Arbeitnehmer keine Arbeit zu leisten hat. Bei der Ausübung des Weisungsrechts sind allerdings die Grenzen billigen Ermessens einzuhalten, § 315 Abs. 3 BGB. In diesem Rahmen ist auch auf die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers an der Planbarkeit seiner Freizeit Rücksicht zu nehmen.

Hinweis:

Soll der Urlaubsanspruch wirksam erfüllt werden, muss entweder die Zuweisung des Urlaubs für einen bestimmten Zeitraum erfolgen oder ein Tatsachenvergleich („Die Urlaubsansprüche sind vollständig in Natur erfüllt“) abgeschlossen werden.

VonHagen Döhl

Strukturausgleich im öffentlichen Dienst

Das BAG hat sich mit dem Strukturausgleich für in den TVöD übergeleitete Beschäftigte des Bundes befasst.
Im Vergütungssystem des BAT war bei Ausübung bestimmter Tätigkeiten nach Erfüllung der erforderlichen Bewährungszeit der Aufstieg des Angestellten in eine höhere Vergütungsgruppe vorgesehen (Bewährungsaufstieg). Ebenso konnten Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsordnung zu einem Aufstieg führen (Fallgruppenaufstieg). Die Höhe der Grundvergütung hing von der Vergütungsgruppe und von der erreichten Lebensalterstufe ab. Das Vergütungssystem des TVöD sieht solche Höhergruppierungen nur noch ausnahmsweise innerhalb einer Übergangszeit vor. Es knüpft die Höhe des Entgelts auch nicht an das erreichte Lebensalter. Für aus dem Geltungsbereich des BAT in den TVöD übergeleitete Beschäftigte haben die Tarifvertragsparteien teilweise einen Strukturausgleich vereinbart, um Exspektanzverluste in Bezug auf die Höhergruppierung und die Vergütung nach Lebensaltersstufen abzumildern. Im TVÜ-Bund haben sie in einer Tabelle zu jeder „Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ“ für bestimmte Lebensaltersstufen und Stufen des Ortszuschlags jeweils die Höhe des Ausgleichsbetrags und die Dauer der Zahlung des Strukturausgleichs festgelegt. Hinter der Spalte mit den Vergütungsgruppen des BAT haben sie in einer mit „Aufstieg“ überschriebenen Spalte bei einem möglichen Aufstieg die höhere Vergütungsgruppe des BAT sowie die für den Aufstieg erforderlichen Jahre genannt oder das Wort „ohne“ eingefügt.
Die in einer Forschungsanstalt der Bundesrepublik Deutschland als Chemisch-Technische Assistentin teilzeitbeschäftigte Klägerin hat gemeint, ihr stehe Strukturausgleich i.H.v. monatlich 20 € zu. Sie sei zwar im Jahr 1997 von der Vergütungsgruppe VI b in die Vergütungsgruppe V c BAT höhergruppiert worden, gleichwohl treffe auf sie das Merkmal „Aufstieg – ohne“ zu, weil sie am Stichtag 01.10.2005 nicht mehr im Wege des Bewährungs- oder Fallgruppenaufstiegs in eine höhere Vergütungsgruppe habe aufsteigen können.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG Erfolg.
Der Wortlaut der tariflichen Regelung sei nicht eindeutig so das BAG. Auch aus der Tarifsystematik und dem Sinn und Zweck des Strukturausgleichs ergebe sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit, ob das Merkmal „Aufstieg – ohne“ nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist, oder ob es ausreicht, dass am Stichtag 01.10.2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war.
Das BAG hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses aufklärt, ob sich die Tarifvertragsparteien – wie die Beklagte behauptet – in den Tarifverhandlungen über die erstgenannte Auslegungsmöglichkeit einig gewesen sind.
Vorinstanz: LArbG Baden-Württemberg, – Kammern Mannheim – Urt. v. 22.10.2008 – 13 Sa 77/08
(BAG 22.4.2010 6 AZR 962/08)

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„Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste“ nicht tariffähig

Das BAG hat mitgeteilt, dass der Termin zur Anhörung in dem Verfahren zur Klärung der Tariffähigkeit der „Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste“ (GNBZ) vom 20.04.2010 aufgehoben worden ist.

Die Rechtsbeschwerden der GNBZ und des Arbeitgeberverbandes der Neuen Brief- und Zustelldienste e.V. (AGV-NBZ) wurden zurückgenommen.

Damit steht aufgrund der Entscheidungen der Vorinstanzen rechtskräftig fest, dass die GNBZ keine tariffähige Gewerkschaft ist und bei Abschluss des „Tarifvertrages“ zur Regelung von Mindestarbeitsbedingungen für Mehrwertbriefdienstleistungen mit dem AGV-NBZ und des „Tarifvertrages“ Mindestlohn mit dem Bundesverband der Kurier-, Express- und Postdienste e.V. im Dezember 2007 auch keine tariffähige Gewerkschaft war.

Vorinstanz
LArbG Köln, Beschl. v. 20.05.2009 – 9 TaBV 105/08

VonHagen Döhl

Befristung – vorübergehender Bedarf – Haushalt

Ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags wegen eines nur vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG liegt nicht vor, wenn dem Arbeitnehmer Daueraufgaben übertragen werden, die von dem in der Dienststelle beschäftigten Stammpersonal wegen einer von vornherein unzureichenden Personalausstattung nicht erledigt werden können.
(BAG 17.03.2010 7 AZR 640/08)

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Raucherpausen sind keine Arbeitszeit‎

Das OVG Nordrhein-Westfalen hat den Beschäftigten der Stadt Köln einen Anspruch auf Raucherraum und Zigarettenpause versagt.

Der im Jahr 1946 geborene Kläger ist seit 1960 bei der Beklagten beschäftigt. Seit 1963 steht er im Beamtenverhältnis. Er ist in einem 11-stöckigen Dienstgebäude in Köln tätig. Der Kläger ist Raucher und raucht seit mehr als 40 Jahren auch während des Dienstes. Durch Beschlüsse des Stadtvorstands der Beklagten vom 18.11.2006 und vom 13.02.2007 wurde mit am 21.02.2007 erteilter Zustimmung des Gesamtpersonalrats ein ab dem 01.03.2007 geltendes absolutes Rauchverbot in allen städtischen Dienstgebäuden eingeführt. Verwaltung und Personalvertretung verständigten sich darauf, dass in einer Übergangszeit von vier Monaten bis zum 30.06.2007 auf arbeits- und disziplinarrechtliche Maßnahmen verzichtet werden sollte. Seit Ablauf dieser Übergangszeit werden Verstöße gegen das Rauchverbot auch sanktioniert. Dafür wurde unter der Botschaft „Überzeugen statt Maßregeln“ ein Handlungsleitfaden entwickelt, der ein nach Häufigkeit und Schwere des Verstoßes abgestuftes Sanktionensystem vorsieht. Seit Inkrafttreten des Rauchverbots ist den rauchenden Mitarbeitern der Beklagten das Rauchen während des Dienstes nur noch außerhalb der Dienstgebäude und in dem von der Dienstvereinbarung zur gleitenden Arbeitszeit bei der Stadt Köln (DV GLAZ) in der Fassung der 2. Änderung vom 01.03.2004 gezogenen zeitlichen Rahmen möglich. Im September 2007 verständigten sich Verwaltung und Personalvertretung auf eine Flexibilisierung der Arbeitszeit dahingehend, dass es „ab sofort möglich“ sei, Kurzpausen außerhalb der Kernarbeitszeit unter Berücksichtigung dienstlicher Belange in Abstimmung mit den Führungskräften einzulegen. Im Übrigen gälten weiterhin die Regelungen des § 6 DV GLAZ.

Der Kläger beantragte, die Beklagte zu verurteilen, in dem Dienstgebäude einen Pausenraum für Raucher einzurichten, hilfsweise außerhalb des Dienstgebäudes einen Raucherunterstand mit Sitzgelegenheit zu errichten sowie festzustellen, dass er berechtigt ist, auch während seiner Kernarbeitszeiten kurze Rauchpausen zu machen, wenn er das Arbeitszeiterfassungsgerät betätigt, so dass die Zeit der Rauchpause nicht als Arbeitszeit erfasst wird. Hilfsweise beantragte er, die Beklagte zu verpflichten bzw. zu verurteilen, ihm zu gestatten, auch während seiner Kernarbeitszeit kurze Rauchpausen zu machen, wenn er das Arbeitszeiterfassungsgerät betätigt, so dass die Zeit der Rauchpause nicht als Arbeitszeit erfasst wird.
Das VG Köln hatte die zulässige Klage als unbegründet abgewiesen.

Das OVG Nordrhein-Westfalen hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

Das Oberverwaltungsgericht hat ein subjektives Recht auf Einrichtung eines Raucherraums verneint. Die Stadt Köln habe ihr Ermessen rechtmäßig ausgeübt, als sie aus Kostengründen und aus Gründen der Gleichbehandlung auf die Einrichtung von Raucherräumen unabhängig von den räumlichen Gegebenheiten verzichtet hat.

Ebenso wurde ein Anspruch von Raucherinnen und Rauchern, auch während der Kernarbeitszeit eine Raucherpause einzulegen, abgelehnt. Eine Raucherpause sei keine zulässige Arbeitsunterbrechung, wie zum Beispiel der „Gang zur Toilette“, der Kaffee im Büro oder das schnelle private Gespräch auf dem Flur.

Dabei sei das Verbot der zusätzlichen Zigarettenpause keineswegs einseitig raucherunfreundlich, wie das Gericht betont, sondern vielmehr eine Frage der Gleichbehandlung. Es werde ja auch von Nichtrauchern während der Kernarbeitszeit die Anwesenheit im Büro verlangt. Dazu genüge es eben nicht, „dass sich der Beamte irgendwo auf dem Gelände des Verwaltungsgebäudes befindet“, hatte bereits das VG Köln befunden.