Wer in seiner Steuererklärung einen Kinderfreibetrag geltend macht, muss sich nach den Steuergesetzen das gezahlte Kindergeld seiner Einkommensteuer hinzurechnen lassen. Dies hält der Bundesfinanzhof insofern für verfassungswidrig, als es bei barunterhaltspflichtigen Eltern, deren Kind im Haushalt des anderen Elternteils wohnt, dazu führen kann, dass das hälftige Kindergeld die Einkommensteuer erhöht, ohne dass es dem Barunterhaltspflichtigen auf seine Unterhaltspflicht angerechnet wird. Denn nach einer familienrechtlichen Vorschrift unterbleibt eine Anrechnung dann, wenn der Unterhaltspflichtige nicht in der Lage ist, an sein Kind Unterhalt in Höhe von 135 Prozent des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten (Beschluss vom 30.11.2004, Az.: VIII R 51/03).
Rechtlicher Hintergrund
Hiervon, so der BFH, seien etwa 70 Prozent der Barunterhaltspflichtigen betroffen. Zur Klärung der Vereinbarkeit der steuerlichen Regelung mit dem Grundgesetz rief er das Bundesverfassungsgericht an. Seit Einführung des Familienleistungsausgleichs durch das Jahressteuergesetz 1996 können Kindergeld und Kinderfreibetrag nicht mehr nebeneinander, sondern nur noch alternativ in Anspruch genommen werden. Werden Kinderfreibeträge abgezogen, weil ihre Entlastungswirkung höher ist als das gezahlte Kindergeld, so wird das gezahlte Kindergeld (ab 2004: der Anspruch auf Kindergeld) der tariflichen Einkommensteuer hinzugerechnet (§ 31 Satz 5, § 36 Abs. 2 Satz 1 EStG 2001). Dadurch soll eine doppelte Begünstigung vermieden werden. Bei Eltern, die nicht zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, wird das Kindergeld in voller Höhe an den Elternteil ausgezahlt, der mit dem Kind zusammenlebt und es betreut (§ 64 EStG). Die kindbedingten steuerlichen Entlastungen stehen aber nach dem so genannten Halbteilungsgrundsatz beiden Elternteilen zu. Insofern hat der andere Elternteil, der seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind durch laufende monatliche Unterhaltszahlungen erfüllt, nach § 1612b Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Anrechnung des hälftigen Kindergeldes auf seine Unterhaltsverpflichtung. Diese Anrechnung unterbleibt jedoch nach § 1612b Abs. 5 BGB in der Fassung des Gesetzes vom 02.11.2000, soweit der Unterhaltspflichtige außerstande ist, Unterhalt in Höhe von 135 Prozent des Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung zu leisten. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber alleinerziehende Eltern unterhaltsrechtlich entlasten.
BFH hält Regelung für verfassungswidrig
Nach Auffassung des BFH führt die Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB in vielen Fällen zu einer verfassungswidrigen Besteuerung zum Barunterhalt verpflichteter Elternteile. Die Regelungen des EStG über den Familienlastenausgleich könnten dazu führen, dass die tarifliche Einkommensteuer von Steuerpflichtigen, deren Einkommen um die Kinderfreibeträge gemindert worden sei, selbst dann um die Hälfte des gezahlten Kindergeldes zu erhöhen sei, wenn ihnen das Kindergeld wirtschaftlich nicht in dieser Höhe zugute gekommen sei. Dies, so das Gericht, sei immer dann der Fall, wenn die Anrechnung des Kindergelds auf die Unterhaltsverpflichtung der Steuerpflichtigen nach § 1612b Abs. 5 BGB ganz oder teilweise unterblieben sei. Da 70 Prozent der Barunterhaltspflichtigen von der Regelung des § 1612b Abs. 5 BGB betroffen seien, werde damit der Mehrheit die Entlastungswirkung der Kinderfreibeträge zumindest teilweise wieder genommen. Dieses Ergebnis ist nach Ansicht der Münchener Richter unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz, dass der Staat das Einkommen insoweit steuerfrei belassen müsse, als es für den existenznotwendigen Bedarf des Steuerpflichtigen und seiner Familie benötigt werde
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