Vermutungswirkung des qualifizierten Mietspiegels im Prozess

VonHagen Döhl

Vermutungswirkung des qualifizierten Mietspiegels im Prozess

Im Zustimmungsverfahren bezüglich einer Mieterhöhung steht regelmäßig die Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Mittelpunkt. Es handelt sich um die Feststellung von Tatsachen und nicht um die Beantwortung einer Rechtsfrage. Deshalb gelten die Vorschriften des 5. bis 10. Titels der ZPO über die Beweisaufnahme, soweit sich aus den Vorschriften der §§ 558 bis 558d BGB nichts Abweichendes ergibt.

Seit der Mietrechtsreform 2001 wird bei einem qualifizierten Mietspiegel, der nicht älter als 2 Jahre ist, bzw. rechtzeitig angepasst wurde, vermutet, dass die in ihnen angegebenen Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben. Damit ist der qualifizierte Mietspiegel zwar immer noch kein Beweismittel im Prozess, aber eine Beweislastnorm. Ob dies bei Zustimmungsverfahren tatsächlich zu einer Erleichterung führt, ist aus vielerlei Gründen zweifelhaft. Der BGH hat sich zu Recht für eine umfassende Prüfungskompetenz der Zivilgerichte hinsichtlich der Qualifizierung eines Mietspiegels ausgesprochen. Danach hat je nach Parteivortrag eine 4-stufige Prüfung stattzufinden:

 

Erste Stufe: Beruft sich der Mieter auf die Werte eines qualifizierten Mietspiegels, genügt zunächst der Hinweis, dass es in der Gemeinde einen Mietspiegel gibt, der nach den anerkannten wissenschaftlichen Methoden erstellt worden ist und von der Gemeinde oder den Interessenverbänden anerkannt worden ist. Allein die Bezeichnung als qualifizierter Mietspiegel genügt nicht.

 

Zweite Stufe: Derjenige, der gegen die Vermutungswirkung streitet, – in der Regel der Vermieter, der eine höhere Miete als die sich aus dem Mietspiegel ergibt, verlangt – muss nun "Zweifel säen". Er muss Tatsachen vortragen, die gegen eine Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze sprechen. Sofern es eine Mietspiegeldokumentation gibt, muss er sich damit auseinander setzen (Landgericht München I ZMR 2014, 364; Amtsgericht Schöneberg GE 2014, 125, 127).

 

Dritte Stufe: Erst wenn ein wirklich erhebliches Bestreiten vorliegt, obliegt es demjenigen, der sich auf die Vermutungswirkung beruft, die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze zu beweisen. Die Art der Beweisaufnahme wird vor allem durch die Beweisfrage bestimmt. Der BGH (BGH, NZM 2013, 138) hält es für möglich, die mit der Erstellung des qualifizierten Mietspiegels befassten Personen als Zeugen zu vernehmen. In der Regel wird wegen der fehlenden ausreichenden Sachkunde des Gerichtes, ein Sachverständigengutachten einzuholen sein. Dabei handelt es sich um das übliche Gutachten zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Hier ist die Sachkunde eines Statistikers aufgefordert. Es geht in der Regel um Fragen der Stichprobengröße, der Repräsentativität der Daten, der Eliminierung von Extremwerten sowie methodische Fehler der Datenauswertung (Stichwort Regression versus Tabelle). Besonders problematisch ist bei vielen qualifizierten Mietspiegeln die Einhaltung wissenschaftlicher Standards bei der Einordnung der Lageklasse.

 

Vierte Stufe: Die Darlegung- und Beweislast in der 4. Stufe richtet sich nach dem Ergebnis der 3. Stufe:

 

Kommt das Gericht aufgrund der Beweisaufnahme in der dritten Stufe zu dem Ergebnis, dass ein qualifizierter Mietspiegel vorliegt, oder bestreitet der Vermieter dies gar nicht, dann kann der Vermieter  versuchen gem. § 292 ZPO den Beweis des Gegenteils zu erbringen. Der Vermieter muss substantiiert vortragen, warum die ortsübliche Vergleichsmiete für sein Objekt nicht von der Vermutungswirkung des § 558d Abs. 3 BGB erfasst wird. Letztendlich geht es darum, darzulegen, dass der Mietspiegel der ansonsten ja richtig ist, für die konkrete Wohnung gar nicht gilt. Allein die Behauptung, dass für vergleichbare Wohnungen auch eine höhere Miete gezahlt wird, reicht nicht aus.

 

Kommt das Gericht aufgrund der Beweisaufnahme in der dritten Stufe zu dem Ergebnis, dass der Mietspiegel nicht qualifiziertes, dann muss der Vermieter bei erheblichem Bestreiten des Mieters die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete wie in Gemeinden ohne qualifizierten Mietspiegel beweisen. Das geschieht durch ein vom Vermieter zu bevorschussendes Sachverständigengutachten, wobei die Anforderungen wegen der nicht gegen Vermieter streitenden Vermutungswirkung geringer sind.

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