Kündigungsandrohung – Eintrittspflicht für die Rechtsschutzversicherung

VonHagen Döhl

Kündigungsandrohung – Eintrittspflicht für die Rechtsschutzversicherung

Es ist eine im Arbeitsleben häufig vorkommende Situation: ein Mitarbeiter wird in das Personalbüro seines Arbeitgebers gebeten und ihm wird im Rahmen eines Personalgesprächs eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses angedroht, um sodann mit ihm auf dieser Grundlage über eine einvernehmliche Beendigung des Vertragsverhältnisses per Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu verhandeln. In einer solchen Situation möchten rechtsschutzversicherte Arbeitnehmer verständlicherweise zunächst erst einmal den Rat eines Rechtsanwaltes suchen und sich von diesem evtl. bei den Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag auch vertreten lassen.

Bislang haben sich die Rechtsschutzversicherungen in aller Regel aber geweigert, die Kosten für eine solche rechtsanwaltliche Beratung bzw. Vertretung zu übernehmen. Dabei führten die Versicherungen zur Begründung an, dass ein Versicherungsfall im Sinne des § 4 Abs. 1 c) ARB (Allgemeine Rechtsschutzbedingungen) nicht eingetreten sei, weil mit einer bloßen Ankündigung einer Kündigung die Rechtsposition des Arbeitnehmers noch nicht beeinträchtigt sei. In einer Absichtserklärung zur späteren Kündigung liege noch nicht der für eine Eintrittspflicht der Rechtsschutzversicherungen erforderliche Rechtsverstoß.

Dieser Argumentation der Rechtsschutzversicherungen hat der BGH in seinem Urteil vom 19.11.2008 nunmehr eine klare Absage erteilt. Zu entscheiden war darin der Fall eines rechtsschutzversicherten Arbeitnehmers, dessen Versicherungsvertrag auch die Wahrnehmung von rechtlichen Interessen aus Arbeitsverhältnissen umfasste. Sein Arbeitgeber teilte ihm Anfang 2006 in einem Personalgespräch mit, dass aufgrund eines anstehenden „Restrukturierungsprogamms“ und der „damit verbundenen Stellenreduzierung“ beabsichtigt sei, ihm zu kündigen, falls er nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einen angebotenen Aufhebungsvertrag unterzeichne. Der Arbeitgeber weigerte sich bei diesem Gespräch auch, auf die entsprechende Nachfrage des Arbeitnehmers nähere Angaben zur Sozialauswahl zu unterbreiten. Die vom Arbeitnehmer daraufhin beauftragten Rechtsanwälte wandten sich sodann mittels eines Anwaltsschreibens gegen das Vorgehen des Arbeitgebers. Eine Übernahme der dadurch entstandenen Anwaltskosten lehnte die Rechtsschutzversicherung des Arbeitnehmers mittels der zuvor beschriebenen Begründung ab.

Die Richter des BGH wiesen in ihrer Urteilsbegründung demgegenüber darauf hin, dass schon in einer Kündigungsandrohung ein Rechtsverstoß des Arbeitgebers liegen kann und gaben der Klage des Arbeitnehmers auf Übernahme der Kosten – wie auch schon die Vorinstanzen – statt. Zur Begründung führten die Richter aus, dass Rechtsschutzversicherungen immer dann eintrittspflichtig seien, wenn der Versicherungsnehmer einen Sachverhalt mit einem objektiven Tatsachenkern vortrage, mit dem er den Vorwurf eines Rechtsverstoßes aufstelle und auf den er seine Interessenverfolgung stütze. Dabei müsse nicht zwischen Kündigungsausspruch und Kündigungsandrohung, zwischen verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigungen und zwischen einer eingetretenen oder bevorstehenden Beeinträchtigung der Rechtspositionen der versicherten Person unterschieden werden.

Im vorliegenden Fall seien diese Voraussetzungen nach der Ansicht der Richter erfüllt, weil nach dem Vortrag des Arbeitnehmers keinerlei Zweifel an der Ernsthaftigkeit bezüglich des Vorhabens des Arbeitgebers bestanden, das Arbeitsverhältnis in jedem Falle beenden und nicht nur vorbereitende Gespräche über Möglichkeiten zur Stellenreduzierung führen zu wollen. Damit konnte der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber den Vorwurf der Fürsorgepflichtverletzung und damit auch den Vorwurf einer Vertragsverletzung erheben, weil dieser ihm eine Kündigung ohne Auskunft über die Sozialauswahl in Aussicht gestellt hat, welche im Ergebnis – aufgrund der fehlenden Sozialauswahl – rechtswidrig gewesen wäre. Der Rechtsschutzfall war damit eingetreten (BGH, Urteil vom 19.11.2008, Az.: IV ZR 305/07).

 

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