Klare Regeln für Leiharbeit und Werkverträge

VonHagen Döhl

Klare Regeln für Leiharbeit und Werkverträge

Das Bundeskabinett hat am 01.06.2016 den Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Missbrauchs bei Leiharbeit und Werkverträgen beschlossen.

Die Leiharbeit werde auch zukünftig die nötige Flexibilität für Auftragsspitzen oder Vertretungen bieten, der Verdrängung von Stammbelegschaften soll jedoch entgegengewirkt werden. Ebenso soll verhindert werden, dass Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer dauerhaft zu niedrigeren Löhnen als die Stammbeschäftigten in der Einsatzbranche eingesetzt werden. Durch die gesetzliche Klarstellung, wer Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer ist, und die Pflicht Leiharbeit offenzulegen, sollen missbräuchliche Umgehungen des Arbeits- und Sozialrechts durch vermeintliche Werkverträge verhindert werden. Auch die Stärkung der Betriebsräte durch Klarstellung der Informationsrechte trage hierzu bei.

Wichtigste Neuerung ist die gesetzliche Regelung zu Equal Pay nach neun Monaten. Equal Pay bedeutet, dass Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer den gleichen Lohn erhalten wie vergleichbare Stammarbeitnehmerinnen und Stammarbeitnehmer. Bestehende Branchenzuschlagstarifverträge können fortgeführt und weiterentwickelt werden. Diese sehen bei Einsätzen in bestimmten Branchen bereits jetzt in den ersten neun Monaten eine stufenweise Steigerung des Lohns vor. Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer erhalten dann bereits in den ersten Einsatzmonaten mehr Geld. Daher schafft der Gesetzentwurf auch hier die Möglichkeit, vom Grundsatz der gleichen Bezahlung länger abzuweichen, wenn Branchenzuschlagstarifverträge der Zeitarbeitsbranche bestehen. Diese Branchenzuschlagstarifverträge müssen jedoch soziale Voraussetzungen erfüllen: Erstens müssen die Zuschläge spätestens nach sechs Wochen einsetzen. Und zweitens muss nach spätestens 15 Monaten ein Lohn erreicht werden, der von den Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche als gleichwertig mit dem tarifvertraglichen Lohn der Einsatzbranche festgelegt wird. Durch die stufenweise Erhöhung profitieren insbesondere Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer mit einer kürzeren Einsatzdauer. Diese Regelung soll einen Anreiz zum Abschluss sowie zur Weiterentwicklung von Tarifverträgen bilden.

Zweiter wichtiger Baustein ist die Einführung einer Überlassungshöchstdauer von grundsätzlich 18 Monaten. Damit müssen Leiharbeiternehmerinnen und Leiharbeitnehmer nach 18 Monaten, wenn sie weiterhin im gleichen Entleihbetrieb arbeiten sollen, von diesem übernommen werden. Soll dies nicht geschehen, so müssen sie vom Verleiher aus diesem Entleihbetrieb abgezogen werden. Tarifpartner in den einzelnen Einsatzbranchen können sich durch einen Tarifvertrag auf eine längere Überlassung einigen. Auch nicht tarifgebundene Entleiher erhalten die Möglichkeit, im Rahmen der in ihrer Branche geltenden tariflichen Vorgaben die Überlassungshöchstdauer zu verlängern. Sie können dazu entweder einen Tarifvertrag mit einer festgelegten Überlassungshöchstdauer 1:1 mittels Betriebsvereinbarung nachzeichnen oder eine Öffnungsklausel im Tarifvertrag für Betriebsvereinbarungen nutzen. Voraussetzung ist, dass der Tarifvertrag für die Einsatzbranche repräsentativ ist. Legt der Tarifvertrag für eine solche betriebliche Öffnungsklausel selbst keine konkrete Überlassungshöchstdauer fest, können tarifungebundene Entleiher bei Nutzung der Öffnungsklausel nur eine Überlassungshöchstdauer von maximal 24 Monaten vereinbaren. Legt der Tarifvertrag eine konkrete Überlassungshöchstdauer für die Öffnungsklausel fest (z.B. "48 Monate"), können auch tarifungebundene Entleiher die Öffnungsklausel in vollem Umfang nutzen, wenn sie eine Betriebsvereinbarung abschließen. Mehr Flexibilität gibt es also nur, wenn Schutz und Sicherheit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sozialpartnerschaftlich vereinbart werden. Diese Regelung soll dazu führen, dass in Einsatzbranchen, in denen es bisher keine Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zum Einsatz von Leiharbeitskräften gibt, diese vermehrt abgeschlossen werden.

Des Weiteren wird der Einsatz entliehener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Streikbrecherinnen und Streikbrecher verboten. Ihr Einsatz in einem Betrieb, der von einem Arbeitskampf betroffenen ist, ist künftig nur möglich, wenn sichergestellt ist, dass nicht Tätigkeiten von Streikenden übernommen werden. Dami sollen Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer besser bei Streiks geschützt werden.

Klare Regeln werden zudem für Personalmaßnahmen des öffentlichen Dienstes und der Kirchen getroffen. Insbesondere bleiben Personalgestellungen bei Aufgabenverlagerungen zum Bestandsschutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Abordnungen innerhalb der öffentlichen Verwaltung möglich.

 

De facto haben sich viele Probleme der Leiharbeit mittlerweile in den Bereich der teilweise missbräuchlich genutzten Werkverträge verlagert. Ein Kernproblem ist, dass Verträge zwischen Unternehmen quasi risikolos als Werkverträge bezeichnet werden können, während tatsächlich Leiharbeit praktiziert wird. Die vorgesehenen Regelungen ändern das insbesondere durch die Pflichten zur Offenlegung der Arbeitnehmerüberlassung und die damit verbundene Abschaffung der sog. "Vorratsverleiherlaubnis". Damit soll Arbeitgebern, die vermeintliche Werkverträge zur Umgehung arbeitsrechtlicher Schutzstandards einsetzen, die Möglichkeit entzogen werden, ihr Verhalten nachträglich als Leiharbeit "umzudeklarieren" und damit zu legalisieren.

Ehrliche Arbeitgeber erhalten mehr Rechtssicherheit bei der Abgrenzung von abhängiger und selbstständiger Tätigkeit. Denn das Gesetz definiert, wer Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer ist, in dem es hierzu die Leitsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung gesetzlich festschreibt. Damit sollen missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes durch Beschäftigung in vermeintlich selbstständigen Dienst- oder Werkverträgen verhindert werden. Die Regelung orientiert sich an dem Vorschlag des Bundes der Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit. Die sinnvolle Arbeitsteilung werde nicht eingeschränkt, da eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalles maßgeblich bleibe, aber Missbrauch soll in Zukunft erschwert werden.

Weiterhin werden die Informationsrechte des Betriebsrates gesetzlich klargestellt und dadurch die Betriebsräte gestärkt. Anders als bislang soll für jeden mit einem Blick in das Gesetz klar werden, dass Betriebsräte das Recht haben, über Art und Umfang der vergebenen Aufgaben und die vertragliche Ausgestaltung der eingesetzten Werkvertragsnehmerinnen und -nehmer informiert zu werden. Die Schaffung von Transparenz sei ein wichtiger erster Schritt für bessere Kontrolle und zur Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats.

Quelle: Pressemitteilung des BMAS Nr. 22/2016 v. 01.06.2016

Über den Autor

Hagen Döhl administrator

Schreibe eine Antwort