Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Entstehung eines Anspruchs auf Sonderzahlung

Hat der Arbeitgeber über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg vorbehaltlos jeweils zum Jahresende eine als Sonderzahlung bezeichnete Leistung in unterschiedlicher Höhe an einen Arbeitnehmer erbracht, darf der Arbeitnehmer daraus auf ein verbindliches Angebot auf Leistung einer jährlichen Sonderzahlung schließen, deren Höhe der Arbeitgeber einseitig nach billigem Ermessen festsetzt. Dieser Anspruch auf die Sonderzahlungen steht auch dann, wenn die Zahlungen in den vergangenen Jahren in unterschiedlicher Höhe erfolgt sind. Ist der Arbeitnehmer unterjährig aus dem Unternehmen ausgeschieden, ergibt sich im Fälligkeitszeitpunkt ein zeitanteiliger Anspruch auf diese Sonderzahlung.

Damit hält der 10. des Bundesarbeitsgerichtes an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest, denn bislang hatte er im Kontext einer betrieblichen Übung die Ansicht vertreten, dass es bei der Leistung einer Zuwendung in jährlich individuell unterschiedlicher Höhe bereits an einer regelmäßigen gleichförmigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen fehle und in einer solchen Verhaltensweise lediglich der Wille des Arbeitgebers zum Ausdruck gekommen sei, in jedem Jahr neu nach "Gutdünken" über die Zuwendung zu entscheiden.

Das sieht man also jetzt genau gegenteilig.

(BAG Urteil vom 13.05.2015 – 10 AZR 266/14)

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Altersdiskriminierung bei Kündigung in einer Freiberuflerpraxis

Ist bei einer Kündigung gegenüber einer in einer Freiberuflerpraxis/Kleinbetrieb tätigen Praxismitarbeiterin aufgrund der von ihr vorgetragenen Indizien eine unmittelbare Benachteiligung wegen ihres Lebensalters (Geburtsjahr: 1950) nach § 22 AGG zu vermuten (hier: Durch Hinweis auf "Pensionsberechtigung" in der Kündigung und Nichtkündigung von einer der anderen vier jüngeren Praxismitarbeiterinnen) und gelingt es dem Arbeitgeber und Praxisinhaber nicht, diese Vermutung zu widerlegen, ist die Kündigung auch im Kleinbetrieb im Sinne des § 23 KSchG unwirksam.
Hinweis: Die Vorinstanz hatte demgegenüber die Differenzierung bzw. Ungleichbehandlung der Klägerin wegen ihres Alters im Hinblick auf die in § 10 AGG geregelten besonderen Rechtfertigungsgründe, zu denen unter anderem auch die Möglichkeit des Rentenbezugs gehöre (§ 10 Satz 3 Nr. 5, 6 AGG) nicht beanstandet.
(BAG, Urteil vom 23.07.2015 – 6 AZR 457/14)

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Neuregelungen zum 01.01.2016 im Arbeits- und Sozialrecht

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) informiert über die wesentlichen Änderungen und Neuregelungen, die zum 01.01.2016 bzw. zum Jahresbeginn 2016 in seinem Zuständigkeitsbereich wirksam werden.

Einzelheiten erfahren Sie hier.

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Keine Kündigung wegen Adipositas

Das ArbG Düsseldorf hat entschieden, dass den Arbeitgeber eine krankhafte Fettleibigkeit (Adipositas) seines Arbeitnehmers nicht zu dessen Kündigung berechtigt.
(ArbG Düsseldorf 17.12.2015   7 Ca 4616/15)

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Kriterien der Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung

Der Arbeitgeber muss grundsätzlich keine Sozialauswahl vornehmen, wenn er allen Arbeitnehmern seines Betriebs kündigt. Eine Sozialauswahl muss allerdings dann erfolgen, wenn der Arbeitgeber zwar allen Arbeitnehmern seines Betriebes kündigt, jedoch einen Teil zugleich im Zusammenwirken mit einem Schwesterunternehmen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anbietet, ohne dass in diesem Fall die ausgesprochene Kündigung irgendwelche weiteren Folgen für den rechtlichen oder sozialen Bestand des Arbeitsverhältnisses haben soll. Eine Sozialauswahl ist in einem solchen Fall nicht entbehrlich, da dem Arbeitnehmer auf diesem Weg sein Arbeitsverhältnis erhalten bleiben kann.

(BAG Urteil vom 21.05.2015 – 8 AZR 409/13)

 

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Anforderungen an die Bestimmtheit einer Kündigungserklärung

Eine Kündigungserklärung muss so bestimmt sein, dass der Kündigungsadressat zweifelsfrei erkennen kann, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet sein soll, sei es durch Angabe des Kündigungstermins oder der Kündigungsfrist, sei es, weil der Beendigungstermin aus anderen Gründen zweifelsfrei bestimmbar ist. Aus der Klärung oder den Umständen muss sich auch ergeben, ob eine fristgemäße oder fristlose Kündigung gewollt ist (BAG NZA 2015, 162, 163).

Bei einer außerordentlichen Kündigung muss zusätzlich zum Ausdruck kommen, dass sich der Erklärende des Vorliegens eines wichtigen Grundes berühmt und von der sich hieraus ergebenden besonderen Kündigungsbefugnis Gebrauch machen will (BGH NJW 1983, 303, 303).

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Änderungskündigung zur Streichung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld unwirksam

Das LArbG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass eine Änderungskündigung, mit der der Arbeitgeber aufgrund des höheren Stundenlohnes nach dem Mindestlohngesetz bisher gezahltes Urlaubs- und Weihnachtsgeld streichen will, unwirksam ist.
(LArbG Berlin-Brandenburg 8.10.2015  9 Sa 570/15)

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Außerordentliche Kündigung eines Sicherheitsmitarbeiters

Das LArbG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass einem Sicherheitsmitarbeiter fristlos gekündigt werden kann, wenn er die ihm obliegende Ausgangskontrolle in einem besonders zu sichernden Bereich während eines erheblichen Zeitraums verlässt.
(LArbG Berlin-Brandenburg 8.10.2015   17 Sa 810/15)
 

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An- und Heimfahrt ist Arbeitszeit

Der EuGH hat entschieden, dass die Fahrten, die Arbeitnehmer ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten Kunden des Tages zurücklegen, Arbeitszeit darstellen.
( EuGH 10.09.2015  C-266/14)

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Überstungdenabgeltung für Kraftfahrer

Die Überstundenvergütung ist immer wieder Grund für Streitigkeiten zwischen den (ehemaligen) Arbeitsvertragsparteien.

In einem Arbeitsvertrag werden eigentlich die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien niedergeschrieben. Oft sind die Klauseln jedoch sehr ungenau formuliert oder unvollständig – was sie bedeuten sollen, bleibt dann der eigenen Vorstellung überlassen. Das führt gerade nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses oft zu Streitigkeiten. So schweigen sich viele Verträge z. B. darüber aus, ob und wann Überstunden zu vergüten sind. Wurden unstreitig Überstunden geleistet, aber nicht dokumentiert, stellt sich jedoch die Frage, ob das Gericht den Umfang der Mehrarbeit einfach schätzen darf.

Nach längerer Arbeitslosigkeit wurde ein Arbeitssuchender bei einem Busunternehmen befristet als Busfahrer eingestellt. Laut Arbeitsvertrag sollte der Beschäftigte unter anderem in Vollzeit tätig werden und 1800 Euro brutto zzgl. Spesen erhalten. Ferner sollte er pro Monat zwei Samstage und jeden Sonntag freihaben – etwaige Tätigkeiten am Wochenende sollten mit freien Tagen während der Woche ausgeglichen werden. Auch umfasste die Tätigkeit des Beschäftigten nicht nur die Busfahrten, sondern unter anderem auch eine Fahrzeugkontrolle auf etwaige Mängel vor Reiseantritt, die Dokumentation etwaiger Mängel sowie das Betanken, Waschen und Putzen des Busses nach einer Fahrt.

Nach Ablauf der Befristung verlangte der Busfahrer von seinem früheren Arbeitgeber die Vergütung geleisteter Überstunden. Der jedoch lehnte eine Zahlung ab – schließlich sei als Arbeitszeit die Dauer anzusehen, die er für die Erledigung seiner Arbeit insgesamt gebraucht habe. Eine feste Arbeitszeit stehe schließlich nicht im Arbeitsvertrag. Somit habe der Beschäftigte keine Überstunden geleistet, sondern nur die geschuldeten Tätigkeiten erbracht. Daraufhin klagte der Busfahrer die Überstundenvergütung ein.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied, dass der Busfahrer für 108 geleistete Überstunden eine Vergütung von insgesamt 1103,76 Euro verlangen darf.

Überstunden stellen Mehrarbeit dar, die über die geschuldete Arbeitszeit hinaus geleistet wird. Im vorliegenden Fall war jedoch problematisch, dass im Arbeitsvertrag bereits der Umfang der Arbeitszeit nicht deutlich zum Ausdruck kam. Der Busfahrer wurde lediglich „in Vollzeit“ beschäftigt. Nach Ansicht des BAG betrug die geschuldete Arbeitszeit bei einer Fünftagewoche acht Stunden pro Tag: Heutzutage arbeiten Vollzeitangestellte regelmäßig 40 Stunden in der Woche. Auch darf die werktägliche Arbeitszeit bei einer Fünftagewoche acht Stunden grundsätzlich nicht überschreiten, vgl. § 3 I Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Daher durfte der Busfahrer als durchschnittlicher Arbeitnehmer davon ausgehen, dass der Begriff „in Vollzeit“ eine 40-Stunden-Woche umfasst.

Eine regelmäßige Arbeitszeit von 48 Stunden bei einer Sechstagewoche lag nach Ansicht des BAG dagegen nicht vor. Zwar wurde der Busfahrer ab und zu samstags und sonntags tätig – für Einsätze am Wochenende erhielt er aber laut Arbeitsvertrag stets einen Ausgleich, nämlich freie Tage während der Woche. Mit der Klausel hatte sich das Unternehmen also lediglich eine flexiblere Verteilung der Arbeitszeit vorbehalten. Darüber hinaus schreibt § 11 III 1 ArbZG für eine Beschäftigung an einem Sonntag einen Ersatzruhetag vor. Letztendlich fehlte aber auch eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag. Will ein Arbeitgeber den nach dem ArbZG zulässigen Arbeitszeitrahmen nämlich voll ausschöpfen, muss dies klar und unmissverständlich geregelt werden.

Überstunden müssen nur vergütet werden, wenn die Arbeitsvertragsparteien dies vereinbart haben oder wenn eine Vergütungspflicht nach § 612 I Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) besteht. Vorliegend hatten die Parteien keinerlei Vereinbarungen in Bezug auf eine Überstundenvergütung getroffen. Allerdings war § 612 I BGB einschlägig: Danach gilt die Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn der Beschäftigte für die Leistung von Überstunden eine Vergütung erwarten durfte. Das wiederum ist der Fall, wenn der Angestellte auf Veranlassung des Chefs – etwa aufgrund einer Weisung – tatsächlich Mehrarbeit geleistet hat. Auch ist das Gehalt des Betroffenen ein Indiz: Ist es eher gering, spricht einiges dafür, dass der Beschäftigte eine Überstundenvergütung erwarten durfte.

Allerdings muss der Angestellte stets nachweisen, dass und in welchem Umfang er Mehrarbeit erbracht hat, was oftmals gar nicht so leicht ist. Sofern jedoch unstreitig feststeht, dass der Beschäftigte auf Veranlassung seines Chefs über die geschuldete Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat, darf das Gericht den Umfang bzw. das Mindestmaß der Überstunden schätzen. Schließlich wäre es unbillig, dem Arbeitnehmer eine Vergütung tatsächlich geleisteter Überstunden zu verweigern, nur weil er sie nicht auf die Minute genau dokumentiert hat.

Vorliegend war das Gericht der Ansicht, dass der Busfahrer seine geschuldeten Tätigkeiten nicht innerhalb von acht Stunden am Tag erledigen konnte. Schließlich musste er nicht nur die Busfahrten durchführen, sondern auch Dokumentationspflichten nachkommen sowie den Bus betanken und putzen. Hierfür brauchte der Busfahrer insgesamt ca. achteinhalb Stunden pro Arbeitstag. Ferner war sein Einkommen eher gering – auch deswegen durfte er eine Vergütung der Mehrarbeit erwarten. Bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses hatte der Busfahrer so insgesamt 108 Überstunden erbracht, die der Arbeitgeber bezahlen musste.

(BAG, Urteil v. 25.03.2015, Az.: 5 AZR 602/13)