Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Vertragsstrafe für den Fall der arbeitnehmerseitigen Vertragslösung

Eine für den Fall der arbeitnehmerseitigen Vertragslösung formularmäßig vereinbarte Vertragsstrafe ist gem. §§ 306, 309 Nr. 6 BGB n. F. unwirksam. Die sog. Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB n. F. schließt die Anwendbarkeit des § 309 Nr. 6 BGB nicht aus.

Eine beharrliche Arbeitsverweigerung des Arbeitnehmers stellt eine Vertragslösung i. S. d. § 309 Nr. 6 BGB dar.

Nimmt der Arbeitgeber diese zum Anlass für eine wirksame fristlose Kündigung und macht er die Zahlung einer Vertragsstrafe geltend, so stützt er seinen Anspruch auf Grund des einheitlichen Lebenssachverhalts auf die (unwirksame) Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall des arbeitnehmerseitigen Vertragsbruchs. Er kann dann nicht Zahlung der Vertragsstrafe unter dem – ebenfalls formularmäßig erfassten – Gesichtspunkt der Veranlassung einer arbeitgeberseitigen fristlosen Kündigung verlangen.

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Zwischenzeugnis

Der gesetzlich nicht positiv geregelte, aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses ist anlassbezogen und gegenüber dem gesetzlichen Zeugnisanspruch subsidiär. Mit dem Ablauf der Kündigungsfrist einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung kann der Arbeitnehmer die Erteilung eines Zwischenzeugnisses lediglich im Kündigungsschutzverfahren für den Fall der Stattgabe der Kündigungsschutzklage, nicht, aber in einem selbständigen Verfahren einklagen
(Hessisches LAG – 28.03.2003 12 SaGa 1744/02)

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Berechnung der Urlaubsvergütung

Berechnung der Urlaubsvergütung, Erkrankung des Arbeitnehmers ohne Entgeltfortzahlung in den letzten 13 Wochen vor Urlaubsantritt
Ist in den letzten 13 Wochen vor Beginn des Urlaubs wegen Erkrankung des Arbeitnehmers kein Arbeitsverdienst erzielt worden, so berechnet sich die Urlaubsvergütung nach dem Durchschnittsverdienst, den der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen, in denen er einen Anspruch auf Arbeitsvergütung hatte, verdient hat.
(LAG Hamm – 08.12.2004 18 Sa 1165/04)

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Ultima-ratio-Prinzip – freier Arbeitsplatz bei betriebsbedingter Kündigung

Der Arbeitgeber kann zur Vermeidung einer betriebsbedingten Beendigungskündigung verpflichtet sein, dem Arbeitnehmer einen freien anderen Arbeitsplatz anzubieten, auch wenn die Vergütung für diesen Arbeitsplatz erheblich geringer ist als die bisherige Vergütung des
Arbeitnehmers. Dies kommt insbesondere dann in Frage, wenn der Arbeitnehmer nach einer Kündigung voraussichtlich auf dem Arbeitsmarkt langfristig nicht zu vermitteln ist.
(LAG Köln – 26.08.2004 5 (9) Sa 417/04)

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Einsichtsrecht des Arbeitnehmers in Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge

Die in § 8 TVG sowie in § 77 Abs. 2 S. 3 BetrVG statuierte Verpflichtung des Arbeitgebers, den Tarifvertrag bzw. die Betriebsvereinbarung auszulegen, bedeutet, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf Anforderung das entsprechende Regelwerk zugänglich machen muss.
(LAG Nürnberg – 09.12.2004 5 Sa 328/04)

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Umfang der Betriebsratsanhörung vor Kündigung

Grundsätzlich muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat im Rahmen des Anhörungsverfahrens die Kündigungsgründe spezifiziert mitteilen. Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens ist es, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, ohne eigene zusätzliche Ermittlungen anstellen zu müssen, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht aus Sicht der Arbeitnehmerseite dem Arbeitgeber zur Kenntnis zu bringen, damit dieser bei seiner Entscheidung die Stellungnahme des Betriebsrates, insbesondere dessen Bedenken oder dessen Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung berücksichtigen kann. Es genügt deshalb nicht lediglich eine pauschale Begründung. Bei so genannten innerbetrieblichen Gründen für eine betriebsbedingte Kündigung (z.B. Produktionsumstellung, Rationalisierungsmaßnahme, Umgestaltung der Arbeitsplätze), wie sie vorliegend der Beklagte geltend macht, muss der Arbeitgeber diese Gründe und die deshalb beabsichtigten organisatorischen Maßnahmen mit ihren Auswirkungen auf die Arbeitsplätze näher erläutern.

Wegen der genannten Zwecksetzung des Anhörungsverfahrens entfällt aber ausnahmsweise eine Verpflichtung des Arbeitgebers zu einer genauen und umfassenden Darlegung der Kündigungsgründe im Anhörungsverfahren dann, wenn der Arbeitgeber den Betriebsrat bereits vor Beginn des Anhörungsverfahrens aufgrund bestimmter Umstände umfassend unterrichtet hatte und er im Anhörungsverfahren pauschal auf die bereits mitgeteilten
Gründen verweist.
(LAG Rheinland-Pfalz – 01.04.2004 11 Sa 2141/03)

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Betriebliche Übung – Gehaltserhöhung

Unter betrieblicher Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), entstehen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte . Im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers ist zu ermitteln, ob der Arbeitnehmer davon ausgehen
musste, die Leistung werde nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur für eine bestimmte Zeit gewährt. Eine bereits vor Betriebsübergang begründete betriebliche Übung bindet auch den neuen Arbeitgeber.

Eine betriebliche Übung der Erhöhung der Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung kommt grundsätzlich nur bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber in Betracht. Bei bestehender Tarifbindung will der Arbeitgeber dagegen nur die Tarifregelungen umsetzen und
keine weitergehenden Bindungen eingehen. Es erfolgt Normvollzug. Eine betriebliche Übung kann nur angenommen werden, wenn es im Verhalten eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers deutliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass er auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Erhöhungen übernehmen will. Grundsätzlich will sich ein
solcher Arbeitgeber nicht der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien unterwerfen. Mit den in Anlehnung an Tariflohnerhöhungen erfolgenden freiwilligen Lohnsteigerungen entsteht lediglich ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Fortzahlung dieses erhöhten Lohns, nicht aber zugleich eine Verpflichtung des Arbeitgebers, auch künftige Tariflohnerhöhungen weiterzugeben.
(BAG – 03.11.2004 5 AZR 73/04)

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Massenänderungsschutzkündigung und Kündigungsschutz nach § 15 KschG

Auch wenn der Arbeitgeber aus betriebsbedingten Gründen allen oder der Mehrzahl der Arbeitnehmer des Betriebes kündigt und ihn eine Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen anbietet, rechtfertigt ein solcher Massentatbestand nicht ausnahmsweise eine ordentliche Kündigung gegenüber Betriebsratsmitgliedern und den anderen durch § 15 KschG geschützten Amtsträgern. § 15 KschG schließt – abgesehen von den Sonderfällen der Betriebsstilllegung und der Stilllegung einer Betriebsabteilung (§ 15 IV und V KschG) – eine ordentliche Kündigung gegenüber diesem Personenkreis völlig aus und lässt nur eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund zu.
Eine außerordentliche Kündigung ist während der Amtszeit des Betroffenen nach § 103 Betriebsverfassungsgesetz nur mit Zustimmung des Betriebsrates bzw. deren Ersetzung durch die Arbeitsgerichte zulässig. Diese im Interesse des Betriebsratesamtes und der ungestörten Amtsführung geschaffene generelle Regelung lässt keine Einschränkung für so genannte Massenänderungskündigungen zu.
Eine außerordentliche mit notwendiger Auslauffrist zu erklärende Änderungskündigung gegenüber einem Betriebsratsmitglied kommt etwa dann in Betracht, wenn ohne die Änderung der Arbeitsbedingungen ein sinnlos gewordenes Arbeitsverhältnis über einen erheblichen Zeitraum nur durch Gehaltszahlung fortgesetzt werden müsste und der Arbeitgeber möglicherweise sogar eine unternehmerische Entscheidung, bestimmte Arbeitsplätze einzusparen, wegen des Beschäftigungsanspruches des Mandatsträgers nicht vollständig umsetzen könnte.
(BAG, Urteil v. 17.2.2004 – 2 AZR 81/04)

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Befristung eines Arbeitsvertrages unter Vorbehalt

Hat ein Arbeitnehmer die Unwirksamkeit einer Befristung mit einer Klage nach § 17 Satz 1 TZBFG geltend gemacht und schließen die Parteien nach Zustellung der Klage einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag, liegt darin zugleich der konkludente Vorbehalt, dass der neue befristete Arbeitsvertrag nur gelten soll, wenn nicht bereits wegen der Unwirksamkeit der vorangegangenen, der gerichtlichen Kontrolle übergebenen Befristung ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Wird der befristete Folgevertrag nach Einreichung – aber vor Zustellung der Befristungskontrollklage – abgeschlossen, kann wegen der fehlenden Kenntnis des Arbeitgebers von der Klageerhebung ohne weitere Anhaltspunkte nicht von der konkludenten Vereinbarung eines Vorbehaltes ausgegangen werden. Die vorübergehende Beschäftigung eines Arbeitnehmers auf einem Arbeitsplatz, der zu einem späteren Zeitpunkt dauerhaft mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt werden soll, kann die Befristung des Arbeitsvertrages nach § 14 I TZBFG sachlich rechtfertigen, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit dem befristet eingestellten Arbeitnehmer zwischen dem Arbeitgeber und dem anderen Arbeitnehmer bereits eine vertragliche Verbindung besteht. Die Aufzählung von Sachgründen für die Befristung in § 14 I 2 TZBFG ist nicht abschließend und steht der Berücksichtigung weiterer Sachgründe nicht entgegen.
(BAG, Urteil v. 13.10.2004 – 7 AZR 218/04)

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Änderungskündigung nach vorangegangenem auch nicht unter Vorbehalt angenommenem Änderungsangebot

Eine Änderungskündigung ist nicht bereits deshalb entbehrlich, weil der Arbeitgeber bereits zuvor das Änderungsangebot unterbreitet hat und der Arbeitnehmer es nicht und zwar auch nicht unter Vorbehalt binnen einer ihm gesetzten Frist von mindestens einer Woche angenommen hat, obwohl der Arbeitgeber für diesen Fall eine Beendigungskündigung in Aussicht gestellt hat.

Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich aus vielfältigen Gründen ein berechtigtes Interesse, sich erst nach Ausspruch einer Kündigung entscheiden zu müssen, ob er das Änderungsangebot (unter Vorbehalt) annimmt.

Der Arbeitgeber ist auch gehalten, ein Änderungsangebot bei Ausspruch der Kündigung aufrecht zu erhalten, wenn er aus betrieblichen Gründen nur die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen zu einem Zeitpunkt vor Auslaufen der Kündigungsfrist anbieten kann.
(LAG Hamm – 21.09.2004 19 Sa 559/04)