Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Fristlose Kündigung bei Bedrohung und Beleidigung gegenüber Kollegen

Das LArbG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der seine Kollegen bedroht und beleidigt, den Betriebsfrieden stört und fristlos gekündigt werden kann.
Die vor Gericht klagende Bäckereiverkäuferin war 31 Jahre alt, verheiratet und seit 7,5 Jahren bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Sie war zunächst ca. drei Wochen vor Erhalt der Kündigung vom Arbeitgeber aufgefordert worden, die neue Auszubildende vernünftig zu behandeln und nicht vor Kunden zu kritisieren. Eine Woche später wurde sie auf Veranlassung der Filialleiterin zu einem Personalgespräch gebeten. Daraufhin hatte die Verkäuferin der Auszubildenden vorgeworfen, sie sei schuld an diesem erneuten Gespräch. Dabei hatte sie mit der Hand ganz nah an deren Hals gestikuliert. Die Auszubildende brach in Tränen aus. Am Folgetag wurde die Klägerin vom Arbeitgeber angewiesen, gegenüber der Auszubildenden und Kolleginnen einen angemessenen Ton zu wahren sowie Beschimpfungen und Bedrohungen zu unterlassen. Das sei ihre letzte Chance. Direkt danach fuhr die Verkäuferin in die Filiale und drohte einer neuen Arbeitskollegin unter anderem: „Wer mich beim Chef anmachen will, den mache ich platt“. Darauf sprach der Arbeitgeber die fristlose Kündigung aus.
Das LArbG Schleswig-Holstein hat entschieden, dass die fristlose Kündigung zulässig war.
Nach Auffassung des Gerichts zerstört das von der Klägerin an den Tag gelegte ungezügelte aggressive Verhalten den Betriebsfrieden und macht eine gedeihliche Zusammenarbeit unmöglich. Da sich die Verkäuferin trotz einer Abmahnung nicht zusammengerissen, sondern ihr beanstandetes Verhalten sofort wiederholt hat, sei die fristlose Kündigung des langjährigen Arbeitsverhältnisses korrekt.( 3 Sa 224/09)

VonHagen Döhl

Auslegung von Willenserklärungen

Der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien geht nicht nur bei der Auslegung einer Individualvereinbarung, sondern auch bei der Auslegung von Allgemeinen Ge-
schäftsbedingungen selbst einem eindeutigen Wortlaut der Vereinbarungen vor. Ein derartiger übereinstimmender Wille der Vertragsparteien führt nicht dazu, dass die vertraglichen Regelungen ausgehandelt sind und es sich deshalb nicht mehr um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt.
(BAG 15.09.2009 – 3 AZR 173/08)

VonHagen Döhl

Mindestlohn bei Leiharbeit

Die Geltung des Tarifvertrags zur Regelung eines Mindestlohns für gewerbliche Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk vom 2. Juni 2005 ist durch die Dritte Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Maler- und Lackiererhandwerk auf nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer erstreckt worden. Dadurch findet er auf alle Arbeitsverhältnisse im räumlichen, betrieblichen und persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags Anwendung. Leiharbeitnehmer werden nur erfasst, wenn der Betrieb des Entleihers in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fällt.

Hinweis:

Der Kläger – gelernter Maler – erhielt 7 Euro Stundenlohn als Produktionshelfer in einem Zeitarbeitsunternehmen.
Von Februar bis April 2007 wurde er bei einem Kunden seines Arbeitgebers zu Malerarbeiten eingesetzt. Dieser Kunde betreibt keinen Maler- oder Lackierbetrieb.
Dem Kläger steht der erhobene Anspruch auf Zahlung des tariflichen Mindestlohns (7,85 Euro) für gewerbliche Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk nicht zu.
Der Anspruch auf Zahlung eines tariflichen Mindeststundenlohns i.H.v. 7,85 Euro brutto ergibt sich nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 TVG. Der Kläger ist nicht tarifgebunden und der TV-Mindestlohn ist nicht nach den Vorschriften des TVG für allgemeinverbindlich erklärt worden.
Die Anwendbarkeit des Mindestlohns für Maler folgt auch nicht aus § 1 Satz 3 der Dritten Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Maler- und Lackiererhandwerk
vom 31. August 2005. Diese Verordnung erstreckt zwar die Geltung der Tarifnormen auf nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer, setzt aber voraus, dass deren Arbeitsverhältnisse in den räumlichen, betrieblichen und personellen Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Der Einsatz von Leiharbeitnehmern in Entleiherbetrieben außerhalb des betrieblichen Geltungsbereichs des Tarifvertrags wird von der Verordnung nicht geregelt.
(BAG 21.10.2009 – 5 AZR 951/08)

VonHagen Döhl

Ausschluss von Sozialplanleistungen bei verweigertem Wechsel in Transfergesellschaft

Es widerspricht dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, wenn im Gegensatz zu den Arbeitnehmern, die bis zur Betriebsschließung in der Insolvenz tatsächlich weiterbeschäftigt wurden, (nur) die Arbeitnehmer von Sozialplanleistungen ausgeschlossen sein sollen, die vom Insolvenzverwalter unter Fortzahlung Ihrer Bezüge einseitig freigestellt wurden, da die Vergütung nicht als Leistung zum Ausgleich oder zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die durch die Beendigung des Arbeitsverhältnis eintreten, angesehen werden kann. Ebenso sachwidrig kann sich die vollständige Herausnahme aus den Sozialplanleistungen bei einem verweigerten Übertritt in eine so genannte Transfergesellschaft darstellen, wenn es sich dabei nicht um ein zumutbares Arbeitsplatzangebot im Sinne des § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG handelt.
(LAG Bremen Urteil vom 22.01.2009 – 3 Sa 153/08)

VonHagen Döhl

Prozessführungsbefugnis – Prozessstandschaft für die Bundesagentur

Der Arbeitnehmer kann Vergütungsansprüche, die wegen
der Zahlung von Arbeitslosengeld auf die Bundesagentur
für Arbeit übergegangen sind, im Wege der gewillkürten
Prozessstandschaft für die Bundesagentur geltend ma-
chen.
BAG 23.09.2009 – 5 AZR 518/08

VonHagen Döhl

Sonn- und Feiertagsarbeit – Direktionsrecht

Ist die Verteilung der Arbeitszeit nicht gesetzlich, kollektiv-
rechtlich oder einzelvertraglich geregelt, bestimmt sie der
Arbeitgeber durch Weisung kraft seines Direktionsrechts
aus § 106 Satz 1 GewO.
Ist Sonn- und Feiertagsarbeit nach dem ArbZG aus-
nahmsweise erlaubt und steht ihr kein Kollektivrecht ent-
gegen, ist der Arbeitnehmer grundsätzlich verpflichtet, auf
Weisung des Arbeitgebers sonn- und feiertags zu arbei-
ten, wenn das Direktionsrecht des Arbeitgebers nicht ver-
traglich beschränkt ist.
Die Vereinbarung, an welchen Wochentagen die Arbeits-
leistung zu erbringen ist, kann ausdrücklich oder konklu-
dent getroffen werden. Regelmäßig beschreiben die Par-
teien im Arbeitsvertrag nur die Arbeitszeiten, die bei Ver-
tragsschluss im Betrieb gelten. Treffen die Vertragspartei-
en keine ausdrückliche Abrede über die Verteilung der Ar-
beitszeit, gilt zunächst die bei Vertragsschluss betriebsüb-
liche Arbeitszeit. Der Arbeitgeber darf die Arbeitszeitvertei-
lung jedoch durch Weisung ändern. Inhalt der getroffenen
Vereinbarung ist lediglich, dass die vereinbarte Arbeitsleis-
tung zu den jeweils wirksam bestimmten betrieblichen Ar-
beitszeiten zu erbringen ist.
Wollen die Vertragsparteien das Weisungsrecht des Ar-
beitgebers für die Arbeitszeitverteilung durch eine konstitu-
tive Regelung einschränken, müssen hierfür besondere
Anhaltspunkte bestehen. Das gilt auch für den Ausschluss
von Sonn- und Feiertagsarbeit.
Eine Konkretisierung auf eine bestimmte Verteilung der
Arbeitszeit auf einzelne Wochentage tritt nicht allein da-
durch ein, dass der Arbeitnehmer längere Zeit in dersel-
ben Weise eingesetzt wurde, z.B. bisher keine Sonn- und
Feiertagsarbeit zu leisten hatte. Zum reinen Zeitablauf
müssen besondere Umstände hinzutreten, die erkennen
lassen, dass der Arbeitnehmer nur noch verpflichtet sein
soll, seine Arbeit unverändert zu erbringen.
Die einzelne Zuweisung von Sonn- und Feiertagsarbeit
muss billigem Ermessen i.S.v. § 106 Satz 1 GewO i.V.m.
§ 315 BGB entsprechen, und damit einer sog. Aus-
übungskontrolle standhalten. Berechtigte Interessen des
Arbeitnehmers z.B. aufgrund persönlicher oder familiärer
Gründe sind bei der Ermessensausübung zu berück-
sichtigen.
BAG 15.09.2009 – 9 AZR 757/08

VonHagen Döhl

Elternzeit: Zustimmung zur Kündigung bei Betriebsstilllegung

Die Behörde muss auch im Falle der dauerhaften Be-
triebsstilllegung dem Antrag auf Zulassung der Kündigung
eines in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmers „in aller Re-
gel“ stattgeben. Das Verbot der Kündigung während der
Elternzeit dient dem Schutz vor Verlust des Arbeitsplatzes
und nicht dem Interesse an einer beitragsfreien Weiterver-
sicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung.
BVerwG 30.09.2009 – 5 C 32.08 = BB 2009, 2421

VonHagen Döhl

Betriebsübergang und Annahmeverzug

Der Eintritt in die Rechte und Pflichten aus dem Arbeits-
verhältnis gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB erfasst einen
bei dem früheren Betriebsinhaber begründeten Annahme-
verzug. Ein Angebot der Arbeitsleistung gegenüber dem
neuen Betriebsinhaber ist dann entbehrlich.
Macht der Arbeitnehmer den Übergang seines Arbeitsver-
hältnisses im Wege einer Feststellungsklage gegen den
neuen Betriebsinhaber geltend, liegt darin regelmäßig
auch die Geltendmachung der von dem Bestand des Ar-
beitsverhältnisses abhängigen Vergütungsansprüche.
BAG 23.09.2009 – 5 AZR 518/08

VonHagen Döhl

Wenn der Arbeitgeber den „Laden dicht macht“ …

… dann sind Arbeitnehmer und Betriebsrat nicht rechtlos. Im Gegenteil: Schließt der Arbeitgeber einen Betrieb oder einen Betriebsteil und sind dort regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt, hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die
wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit dem
Betriebsrat zu beraten. Das Ergebnis dieser Beratungen – ein Interessenausgleich, der sich regelmäßig mit einem Sozialplan verbindet – wird schriftlich fixiert. Kommt der Interessenaugleich nicht zustande, kann die Einigungsstelle angerufen werden, die dann über Interessenausgleich und Sozialplan beschließt.
Betriebsräte sollten sich also „stark machen“, damit auf diesem Wege ein möglichst gutes Ergebnis für die betroffenen Beschäftigten erreicht werden kann. Die Hinzuziehung eines Anwaltes, dessen Kosten der Arbeitgeber übernehmen muss, vermeidet Fehler und trägt zu einem optimalen Ergebnis bei. Grundlage dafür sind die Regelungen in den §§ 111, 112 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Weicht der Arbeitgeber von einem Interessenausgleich ab oder führt er die geplantem Maßnahmen durch, ohne vorher mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich herbeigeführt zu haben, können die Betroffenen Arbeitnehmer nach § 113 BetrVG eine Ausgleich der Nachteile und Abfindungen vom Arbeitgeber verlangen.

VonHagen Döhl

Betriebsübergang bei Insolvenz

Das BAG hatte über die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs in der Insolvenz des bisherigen Betriebsinhabers zu entscheiden.
Der Beklagte eröffnete zum 01.09.2005 in den Räumen des Streitverkündeten H eine Metzgerei mit Partyservice. Bis zum 16.07.2005 hatte dort der Metzger B eine Metzgerei mit Mittagstisch und Partyservice betrieben. Am 29.07.2005 wurde über das Vermögen des B das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Arbeitsverhältnisse der bei B beschäftigten elf Arbeitnehmer endeten aufgrund betriebsbedingter Kündigungen zum 31.10.2005 bzw. zum 30.11.2005; sieben Arbeitnehmer werden – zum Teil zu geänderten Arbeitsbedingungen – vom Beklagten weiterbeschäftigt. Die gekündigten Arbeitnehmer bezogen bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Arbeitslosengeld nach § 143 Abs. 3 SGB III (sog. Gleichwohlgewährung). Für die Zeit vom 29.07.2005 bis zum Ablauf der jeweiligen Kündigungsfristen begehrt die klagende Bundesagentur für Arbeit diese Zahlungen vom Beklagten aus übergegangenem Recht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat einen Betriebsübergang der Metzgerei auf den Beklagten angenommen und der Klage zum großen Teil stattgegeben.
Die Revision des Beklagten hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Nach Auffassung des Gerichts schließen Betriebsstilllegung und Betriebsübergang einander aus. Unter Betriebsstilllegung sei die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen. Abgeschlossen sei die Stilllegung, wenn die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer beendet sind. Kommt es nach der faktischen Einstellung des Betriebs und vor Ablauf der Kündigungsfristen zu einem Betriebsübergang, trete der Betriebserwerber gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den noch bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Dies gelte auch bei einem Betriebsübergang in der Insolvenz.
(BAG 22.10.2009 8 AZR 766/08)