Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Unzulässigkeit sachgrundloser Befristung auch bei länger als drei Jahre zurückliegender Vorbeschäftigung

Das LArbG Stuttgart hatte zu entscheiden, ob der Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund bis zu zwei Jahre zu befristen, eine länger als drei Jahre zurückliegende frühere Beschäftigung des Arbeitnehmers entgegensteht.
Der Kläger war bei einem Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie aufgrund jeweils befristeter Arbeitsverträge vom 27.08.2007 bis 30.11.2007 und wieder vom 01.02.2011 bis 30.06.2011, verlängert bis 31.05.2012 und noch einmal verlängert bis 31.01.2013 beschäftigt.
Mit seiner Klage hat er sich gegen die Befristung seines letzten Arbeitsvertrages gewandt.

Die Klage hatte vor dem LArbG Stuttgart Erfolg.

Gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das BAG hat das Tatbestandsmerkmal "bereits zuvor" in seiner neueren Rechtsprechung (Urt. v. 06.04.2011 – 7 AZR 716/09) dahin ausgelegt, dass in Anlehnung an die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB Vorbeschäftigungen beim selben Arbeitgeber, die länger als drei Jahre zurückliegen, nicht zu berücksichtigen sind.

Von dieser Rechtsprechung ist das LArbG Stuttgart abgewichen. Das Landesarbeitsgericht hält die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung gegen den eindeutigen Wortlaut der Norm und den aus dem Gesetzgebungsverfahren erkennbaren Willen des Gesetzgebers, keine Frist in das Gesetz aufzunehmen, durch das BAG für überschritten. Jedenfalls hätte das BAG die Norm dem BVerfG zur Prüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit vorlegen müssen. Außerdem weiche die Rechtsprechung des 7. Senats des BAG von der des 2. Senats ab, so dass der 7. Senat das Verfahren zur Wahrung der Rechtseinheit nach § 45 ArbGG hätte durchführen müssen.

Das LArbG Stuttgart hat die Revision zum BAG zugelassen.

(Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg   6 Sa 28/13)

VonHagen Döhl

Auszubildender verletzt Kollegen am Auge: 25.000 Euro Schmerzensgeld

Das LArbG Frankfurt am Main hat entschieden, dass ein Auszubildender, der ein Autoreifen-Wuchtgewicht in die Richtung eines Kollegen geworfen und diesen damit schwer am Auge verletzte hatte, in vollem Umfang haftet, da der Wurf dem persönlich-privaten Bereich zuzuordnen sei.
(Hessisches Landesarbeitsgericht  13 Sa 269/13)

VonHagen Döhl

Erfolgreiche Klage wegen unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung

 

Das ArbG Berlin hat der Klage eines bei der Heinrich-Böll-Stiftung zur Durchführung veranstaltungsbedingter Umbauarbeiten eingesetzten Mitarbeiters stattgegeben, mit der dieser das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit der Heinrich-Böll-Stiftung aufgrund unerlaubter Arbeitnehmerüberlassung geltend macht.

Der Kläger ist bei einem Unternehmen für Besucherservice angestellt und wurde bei der Heinrich-Böll-Stiftung seit mehreren Jahren für Umbauarbeiten zu Vorbereitung von Veranstaltungen in ihrem Konferenzzentrum eingesetzt. Die Heinrich-Böll-Stiftung hatte geltend gemacht, der Kläger sei aufgrund eines mit dem Unternehmen für Besucherservice geschlossenen Werkvertrages bei ihr eingesetzt worden.

Das ArbG Berlin hat der Klage stattgegeben.

Das Arbeitsgericht hat entschieden, dass das Unternehmen für Besucherservice aufgrund der von der Heinrich-Böll-Stiftung im Rahmen der Auftragsvergabe erstellten Leistungsbeschreibung und den tatsächlichen Umständen lediglich die Auswahl und Zurverfügungstellung von Personal für den Besucher- und Veranstaltungsservice, nicht jedoch weitergehend auch dessen Durchführung in eigener Verantwortung erbringe. Deshalb handele es sich bei dem zustande gekommenen Vertragsverhältnis nicht um einen Werk- oder Dienstvertrag, sondern um einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. Da das Unternehmen für Besucherservice nicht über eine Erlaubnis für die Arbeitnehmerüberlassung verfüge, bestehe an Stelle des nach § 9 Nr. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) unwirksamen Arbeitsvertrages des Klägers mit dem Unternehmen für Besucherservice aufgrund des § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Heinrich-Böll-Stiftung.

Über einen weiteren Antrag des Klägers, der sich auf die Nachzahlung von Vergütung durch die Heinrich-Böll-Stiftung richtet, hat das Arbeitsgericht nicht entschieden, sondern dem Kläger hierzu Auflagen zu weiterem Vortrag erteilt. Über diesen Antrag will das Arbeitsgericht in einer noch anzuberaumenden weiteren Sitzung entscheiden.

Das Urteil des Arbeitsgerichts ist nicht rechtskräftig. Es kann mit der Berufung vor dem LArbG Berlin-Brandenburg angefochten werden.

ArbG Berlin 5.09.2013   33 Ca 5347/13

VonHagen Döhl

Rechtliche Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds wegen einer eigenen Betroffenheit

Ein Betriebsratsmitglied ist rechtlich verhindert und von seiner Organtätigkeit ausgeschlossen bei Maßnahmen und Regelungen, die es individuell und unmittelbar betreffen.
Im Rahmen der Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 99 BetrVG ist ein Betriebsratsmitglied dann von der Beratung und Beschlussfassung des Betriebsrates ausgeschlossen, wenn es selbst die Person ist, auf die sich das Zustimmungsersuchen des Arbeitgebers unmittelbar richtet. Dagegen ist es an der Mitwirkung bei der Entscheidung über den Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Versetzung eines anderen Arbeitnehmers auch dann nicht gehindert, wenn es sich selbst ebenfalls auf die betreffende Stelle beworben hat.
(BAG 24.04.2013 – 7 ABR 82/11)

VonHagen Döhl

Auswahlentscheidungen bei Versetzungen

Will ein Arbeitgeber Beschäftigte aus dienstlichen Gründen versetzen, so hat er bei der Auswahl die Grundsätze billigen Ermessens zu beachten. Eine Auswahl, die nur Beschäftigte einbezieht, die vorher befristete Arbeitsverträge hatten, ist unzulässig.
Die Klägerin war seit Juli 2009 bei der Bundesagentur für Arbeit als Fachassistentin im Rahmen eines auf den 31. Dezember 2011 befristeten Arbeitsvertrages beschäftigt. Das Bundesarbeitsgericht hat am 9. März 2011 (7 AZR 728/09) entschieden, dass sich die Beklagte zur Rechtfertigung befristeter Arbeitsverträge nicht auf den Sachgrund der so genannten haushaltsrechtlichen Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TZBFG berufen kann. Daraufhin „entfristete" die Beklagte zahlreiche Arbeitsverträge, auch den Arbeitsvertrag der Klägerin. In der Folge wurden viele der vorher befristet beschäftigten Arbeitnehmer versetzt, darunter die Klägerin mit Wirkung zum 1. August 2011 zur Agentur für Arbeit in Weiden.
Alle Instanzen haben der Klägerin Recht gegeben, weil sie davon ausgegangen sind, dass die Grundsätze billigen Ermessens nicht beachtet worden sind, denn die Arbeitgeberin hat in die Auswahlentscheidung nur vorher befristete Beschäftigte einbezogen und solche Arbeitnehmer versetzt.
(BAG 10.07.2013 – 10 AZR 915/12)

VonHagen Döhl

Ordentliche Kündigung im Kleinbetrieb: Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern

Im Betrieb eingesetzte Leiharbeitnehmer sind bei der Bestimmung der Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG mitzuzählen, soweit mit ihnen ein regelmäßiger Beschäftigungsbedarf abgedeckt wird.
Maßgebend ist die Beschäftigungslage, die im Allgemeinen für den Betrieb kennzeichnend ist. Das gilt auch mit Blick auf Leiharbeitnehmer. Es kommt nicht auf die zufällige tatsächliche Anzahl der Beschäftigten im Zeitpunkt des Kündigungszugangs an. Es bedarf vielmehr eines Rückblicks auf die bisherige personelle Stärke des Betriebs und einer Einschätzung seiner zukünftigen Entwicklung; Zeiten außergewöhnlich hohen oder niedrigen Geschäftsanfalls sind dabei nicht zu berücksichtigen.
(BAG 24.01.2013 – 2 AZR 140/12)

VonHagen Döhl

BAG: Nach betriebsbedingter Beendigungskündigung kein Angebot zur Weiterbeschäftigung im Ausland erforderlich

Die aus § 1 Abs. 2 KSchG folgende Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung – gegebenenfalls im Wege der Änderungskündigung – eine Weiterbeschäftigung zu geänderten, möglicherweise auch zu erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen anzubieten, bezieht sich grundsätzlich nicht auf freie Arbeitsplätze in einem im Ausland gelegenen Betrieb des Arbeitgebers. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 29.08.2013 entschieden (Az.: 2 AZR 809/12).

VonHagen Döhl

„Häusliche Alarmbereitschaft“ für Einsatzleiter vom Dienst der Feuerwehr ist Arbeitszeit

Der VGH Mannheim hat entschieden, dass der Einsatzleiter vom Dienst einer Feuerwehr einen zur Arbeitszeit zählenden Bereitschaftsdienst verrichtet, wenn er außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit ein dienstliches Einsatzfahrzeug mitführen, über einen Funkalarmempfänger ständig erreichbar sein und währenddessen regelmäßig mit einer Alarmierung rechnen muss.

(Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg 4. Senat   4 S 94/12)

VonHagen Döhl

Auswahlentscheidung bei Versetzungen

Das BAG hat entschieden, dass billiges Ermessen nicht gewahrt ist, wenn der Arbeitgeber bei der Versetzung aus dienstlichen Gründen nur Beschäftigte in die Auswahl einbezieht, die vorher befristete Arbeitsverträge hatten.

Die Klägerin war seit Juli 2009 bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit als Fachassistentin im Rahmen eines auf den 31.12.2011 befristeten Arbeitsverhältnisses in der Agentur für Arbeit in Pirna beschäftigt. Das BAG hat am 09.03.2011 (7 AZR 728/09) entschieden, dass sich die Beklagte zur Rechtfertigung befristeter Arbeitsverträge nicht auf den Sachgrund der sog. haushaltsrechtlichen Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG berufen kann. Daraufhin "entfristete" die Beklagte zahlreiche Arbeitsverträge, auch den Arbeitsvertrag der Klägerin. In der Folge wurden viele der vorher befristet beschäftigten Arbeitnehmer versetzt, darunter die Klägerin mit Wirkung zum 01.08.2011 zur Agentur für Arbeit in Weiden.

Die Klägerin hält die Versetzung aufgrund ihrer persönlichen Lebensumstände für unbillig, im Übrigen sei die Auswahlentscheidung falsch erfolgt. Die Beklagte hat vorgebracht, sie könne Arbeitnehmer aus haushaltsrechtlichen Gründen nur in denjenigen Arbeitsagenturen dauerhaft einsetzen, in denen entsprechende Planstellen im Haushaltsplan ausgewiesen seien. Auch sei es zulässig gewesen, in ihre Auswahlüberlegungen lediglich die Arbeitnehmer aus dem sog. Entfristungsüberhang, nicht aber auch diejenigen Arbeitnehmer einzubeziehen, die von vornherein unbefristet auf einer im Haushaltsplan vorgesehenen Planstelle beschäftigt gewesen seien. Dies habe auch dem Betriebsfrieden gedient.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht hatten der Klage stattgegeben.

Die Revision der Beklagten blieb vor dem BAG Senat erfolglos.

Nach Auffassung des BAG ist die Beklagte zwar nach den Bestimmungen des bei ihr gültigen Tarifvertrages und nach dem Inhalt des geschlossenen Arbeitsvertrages berechtigt, die Klägerin zu versetzen, wenn hierfür ein dienstlicher Grund besteht. Einen solchen Grund stelle beispielsweise ein Personalüberhang in einer örtlichen Arbeitsagentur dar. Die Versetzung sei wirksam, wenn billiges Ermessen gewahrt sei, also sowohl die Interessen der Beklagten als auch die Interessen der betroffenen Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt werden. Weil die Arbeitgeberin in die Auswahlentscheidung nur vorher befristet Beschäftigte einbezogen habe und nur solche Arbeitnehmer versetzt wurden, ergab sich im Streitfall die Unwirksamkeit der Versetzung.
(BAG 10. 7.2013  10 AZR 915/12)

Vorinstanz
LArbG Chemnitz, Urt. v. 14.09.2012 – 2 Sa 356/12

VonHagen Döhl

Kalendermäßige Befristung des Arbeitsvertrages

Grundsätzlich ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. In diesem zeitlichen Rahmen kann das befristete Arbeitsverhältnis bis zu dreimal verlängert werden. Voraussetzung einer solchen Verlängerung ist, dass sich die Vertragslaufzeit des Folgevertrages unmittelbar an die Laufzeit des zu verlängernden Vertrages anschließt, die Verlängerung noch vor Ablauf der Vertragslaufzeit des zu verlängernden Vertrages vereinbart und nur die Vertragsdauer unter Beibehaltung der übrigen Vertragsbedingungen geändert wird. Wird die Verlängerung erst nach Ablauf der Vertragslaufzeit rückwirkend vereinbart, handelt es sich um den Neuabschluss eines befristeten Arbeitsvertrages, dessen Befristung ohne Sachgrund unzulässig ist.

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hebt in einer Entscheidung vom 06.03.2013 mehrfach hervor, dass die sachgrundlose Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrages nur zulässig und möglich ist, wenn es sich bei dem zu verlängernden Vertrag um einen nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TZBFG befristeten Vertrag handelt. Eine Vertragsverlängerung ist jedoch nur dann zulässig, wenn der zu verlängernde Vertrag nicht selbst gegen das Anschlussverbot verstoßen hat. Voraussetzung einer sachgrundlosen Befristung ist, dass sich die Vertragslaufzeit des Folgevertrages unmittelbar an die Laufzeit des zu verlängernden Vertrages anschließt, die Verlängerung noch vor Ablauf der Vertragslaufzeit des zu verlängernden Vertrages vereinbart wird und nur die Vertragsdauer unter Beibehaltung der übrigen Vertragsbedingungen geändert wird.
(LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.03.2013 – 6 Sa 346/12)