Selbst wenn der Käufer eines Grundstückes keine Kenntnis von einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung hatte, kann nach Auffassung des BGH der Schluss auf eine „verwerfliche Gesinnung des Begünstigten“ erlaubt sein. Es handele sich dann um ein wucherähnliches Geschäft im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB.
Eine Erbin hatte einen solchen Fall in einem Grundstücksverkauf ihrer verstorbenen Mutter gesehen, die ein Jahr vor ihrem Tod 3 Grundstücke – davon eines mit einem Familienhaus bebaut – für insgesamt DM 100.000,00 verkauft hatte. Zusätzlich wurde ihr eine monatliche Rente in Höhe von DM 1.400,00 und ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht eingeräumt. Die Erbin trug vor, das Grundstück sei 860.000,00 wert. Die Gegenleistung nur DM 200.000,00. Der BGH folgte der Klägerin: Bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung – etwa wenn der eine Wert doppelt so hoch wie der andere sei -, könne man den Schluss auf die bewusste und grob fahrlässige Ausnützung eines dem Vertragspartner in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstandes ziehen. Dies leite sich aus dem Erfahrungssatz her, dass in der Regel außergewöhnliche Leistungen nicht ohne Not zugestanden werden und auch der Begünstigte diese Erfahrung teilt. Wer sich dieser Einsicht leichtfertig verschließe, handle mit verwerflicher Gesinnung. Wer ein Grundstück kaufe, werde sich schon wegen der hohen finanzielle Aufwendungen grundlegende Marktkenntnisse verschafft haben und damit in der Regel in der Lage sein, ein besonders vorteilhaftes Geschäft zu erkennen, so dass er sich im Zweifelsfall „zumindest leichtfertig der Erkenntnis eines besonders groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung und die hierdurch indizierte Zwangslage seines Vertragspartners“ verschließe.
(Quelle: Handelsblatt vom 11.4.2001 – BGH V ZR 437/99)
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