Nachbarn können sich gegen eine rechtswidrige Baugenehmigung wehren, wenn die Behörden die gebotene Rücksicht auf nachbarliche Interessen besonders krass verletzt haben. Im vorliegenden Fall sah der städtische Bebauungsplan für eine Hanglage in Kassel höchstens zwei Vollgeschosse vor. Nach Einschätzung des hessischen Verwaltungsgerichtshofs hatte die Stadt mit einer „in vollem Umfang objektiv rechtswidrigen Baugenehmigung“ ein sechsstöckiges Wohnhaus genehmigt. Dagegen klagte ein Nachbar, weil ihm die freie Sicht genommen werde. Die Richter betonten, das eingeforderte „Recht auf freie Sicht“ gebe es nicht, weil der Bebauungsplan nicht zum Schutz der Nachbarn aufgestellt werde. Die Anwohner hätten aber Anspruch darauf, dass „die gebotene Rücksicht“ auf ihre Interessen genommen werde. Dies sei hier nicht geschehen, weil mit dem „voluminösen Bauvorhaben“ der gesamte Charakter des Wohngebiets „in Unruhe gebracht“ und in Frage gestellt werde. Daher könnten die Nachbarn zumindest verlangen, dass die Höhe des Hauses auf – immer noch rechtswidrige – vier Geschosse begrenzt werde.(Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 4 TG 1322/99)
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