Kein Untergang des Urlaubsanspruchs durch Tod des Arbeitnehmers

VonHagen Döhl

Kein Untergang des Urlaubsanspruchs durch Tod des Arbeitnehmers

Der EuGH hatte zu entscheiden, ob einzelstaatliche Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten für den Fall des Todes des Arbeitnehmers die Abgeltung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub ausschließen können.

Die Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung, ABl. L 299, 9) sieht vor, dass jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen hat und dass dieser Urlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf.

Herr B. war vom 01.08.1998 bis zu seinem Tod am 19.11.2010 bei dem Unternehmen K+K beschäftigt. Von 2009 bis zu seinem Tod war er aufgrund einer schweren Erkrankung mit Unterbrechungen arbeitsunfähig. Bis er starb hatte er 140,5 Tage offenen Jahresurlaub angesammelt. Die Witwe von Herrn B. forderte von K+K eine Abgeltung für den von ihrem Ehegatten nicht genommenen Jahresurlaub. Das Unternehmen wies die Forderung zurück und äußerte Zweifel an der Vererbbarkeit der Abgeltung.

Das mit der Sache befasste Landesarbeitsgericht möchte vom EuGH wissen, ob das Unionsrecht einzelstaatliche Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten gestattet, wonach im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergeht. Ferner möchte es wissen, ob eine solche Abgeltung von einem Antrag des Betroffenen im Vorfeld abhängt.

Der EuGH hat entschieden, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub mit seinem Tod nicht untergeht.

Das Unionsrecht steht nach Auffassung des EuGH einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegen, die für den Fall des Todes des Arbeitnehmers die Abgeltung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub ausschließen. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub sei ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts und die Ansprüche auf Jahresurlaub und auf Bezahlung während des Urlaubs stellten zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs dar (vgl. EuGH, Urt. v. 20.01.2009 – C-350/06 und C-520/06 "Schultz-Hoff u.a.").

Der EuGH hat bereits entschieden, dass der Arbeitnehmer, wenn das Arbeitsverhältnis geendet hat, Anspruch auf eine Vergütung hat, um zu verhindern, dass ihm jeder Genuss des Anspruchs auf Urlaub vorenthalten wird (EuGH, Urt. v. 03.05.2012 – C-337/10 "Neidel"). Das Unionsrecht stehe einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegen, nach denen dem Arbeitnehmer am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung geschuldet wird, obwohl er krankheitsbedingt nicht in den Genuss seines bezahlten Jahresurlaubs kommen konnte.

Der Begriff des bezahlten Jahresurlaubs bedeute, dass für die Dauer des Jahresurlaubs das Entgelt des Arbeitnehmers fortzuzahlen ist. Ein finanzieller Ausgleich im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers stelle die praktische Wirksamkeit des Urlaubsanspruchs sicher. Der unwägbare Eintritt des Todes des Arbeitnehmers dürfe nicht rückwirkend zum vollständigen Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub führen.

Der EuGH hat klargestellt, dass das Unionsrecht einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Außerdem hänge diese Abgeltung nicht davon ab, dass der Betroffene im Vorfeld einen Antrag gestellt hat.
(EuGH 12.06.2014  C-118/13)

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