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VonHagen Döhl

BGH: Unfallversicherung – Begriff des Unfalls bei Bandscheibenverletzungen

AUB Ziffer 1.3, Ziffer 5.2.1
Der Versicherungsnehmer hat darzulegen und zu beweisen, dass eine Bandscheibenverletzung tatsächlich auf einem Unfall, und nicht etwa auf bereits vorhandenen degenerativen Veränderungen beruht. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
BGH, Urteil vom 28.01.2009 – IV ZR 6/08; BeckRS 2009

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Zugangsbeweis bei Telefax

Durch den O.K.-Vermerk im Sendebericht wird der Zugangsnachweis für ein Telefax geführt.
Die technischen Fragen hinsichtlich der Zweifelhaftigkeit des Sendeberichtes sind einem Sachverständigen vorgelegt worden, welcher das Risiko einer Fehlübertragung trotz O.K.-Vermerks mit 0% bewertete. Damit erhält der Senat den Beweis für erbracht.
(OLG Karlsruhe Urteil vom 30.09.2008 – 12 U 65/08, DB 2008, 2479)

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Unwirksamkeit einer formularmäßigen Erdgas-Preis-Anpassungsklausel

In dem formularmäßigem Erdgassondervertrag eines Gasversorgungsunternehmens mit seinen Kunden ist die Preisanpassungsklausel „der vorstehende Gaspreis ändert sich, wenn eine Änderung der Allgemeinen Tarifpreise eintritt“, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB unwirksam, weil sie hinsichtlich des Umfangs der Preisänderung nicht klar und verständlich ist und die Kunden deswegen unangemessen benachteiligt.
(BGH Urteil vom 17.12.2008 – VIII ZR 274/06)

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Richterliche Fürsorgepflicht

Jedes Gericht ist gehalten, das bei ihm anhängige Verfahren so zu gestalten, wie die Parteien es von ihm erwarten dürfen. Es ist zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation verpflichtet. Das Gericht hat eine Fürsorgepflicht gegenüber den Parteien. (BVerfGE 75, 188 ff.; BVerfGK Band 2, Nr. 15, Seite 72; st. Rspr.)

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Krawattenstreit: Anwalt muss keinen Schlips tragen

Mannheim (dpa) Anwälte müssen nicht grundsätzlich einen Schlips tragen, wenn sie ihren Mandanten vor Gericht verteidigen. Im Streit um den Rausschmiss eines Juristen ohne Schlips aus einem Prozess hat das Landgericht Mannheim zugunsten des Anwalts entschieden. Ob rot, gelb oder bunt: Krawatten sind unter Anwälten üblich. Allerdings besteht laut einem aktuellen Urteil keine Pflicht, vor Gericht einen Langbinder zu tragen.
Das Amtsgericht habe den Mann zu Unrecht zurückgewiesen, nachdem dieser ohne Langbinder vor dem Richter erschienen war, entschied das Landgericht am Dienstag (27.1.). Der Anwalt war Ende Oktober 2008 aus einer Hauptverhandlung ausgeschlossen worden, in der er einen Nebenkläger vertreten sollte.
Der Amtsrichter hatte sich auf eine Verordnung des baden-württembergischen Justizministeriums von 1976 gestützt. Nach dieser gehört ein «weißes Hemd mit weißem Langbinder» zur Amtstracht von Richtern, Staatsanwälten und Amtsanwälten. Der Jurist trug im Amtsgericht unter seiner geschlossenen Robe einen Anzug und ein Hemd – aber keine Krawatte.
Nach Überzeugung des Landgerichts wird das Tragen einer Krawatte zwar von einer Mehrheit in Justiz und Anwaltschaft gestützt und entspricht «der Realität des Alltags der hiesigen Strafgerichte». Es sei aber offen, ob die Verordnung des Ministeriums noch gelte oder längst durch einen Bekleidungsparagrafen in der Berufsverordnung für Rechtsanwälte abgelöst wurde. In diesem Paragrafen steht nur, dass Rechtsanwälte vor Gericht als Berufstracht die Robe tragen.
Ferner habe der Amtsrichter nicht berücksichtigt, dass der Rauswurf vor allem den Nebenkläger benachteiligte. Dieser sei danach weitgehend auf sich allein gestellt gewesen.

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Rentner als Opfer des „Datenskandals“

Nach Recherchen der WirtschaftsWoche ist davon auszugehen, dass eine Rentnerin das erste Opfer des von dem Magazin im Dezember 2008 aufgedeckten Datenskandals ist. Danach kursieren persönliche Daten und Bankverbindungen von 21 Millionen Deutschen auf dem Schwarzmarkt.

Mehr als 20 unterschiedliche Anbieter von Gewinnspielen haben innerhalb von wenigen Wochen vom Konto einer 75-Jährigen mithilfe von 30 einzelnen Lastschriften 1996,20 Euro abgebucht. Nach Recherchen der WirtschaftsWoche ist davon auszugehen, dass die Rentnerin das erste bekannt gewordene Opfer des von dem Magazin im Dezember 2008 aufgedeckten Datenskandals ist, wonach schon länger die Namen, Adressen, Geburtstage sowie Kontonummern und Bankleitzahlen von 21 Millionen Deutschen auf dem Schwarzmarkt kursieren.
Versorgt mit solchen Daten, ist es besonders für aggressive und unseriöse Callcenter vergleichsweise einfach, unbedarften Verbrauchern unnütze Verträge aufzuschwatzen und von ihren Konten Geld abzubuchen, wie im vorliegenden Fall: Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens GfK werden die Deutschen täglich mit fast einer Million unerwünschter Anrufe behelligt. Und wie eine Forsa-Umfrage ergab, haben zwei Drittel der im Rahmen von Telefonwerbung Angerufenen nie die – seit 2004 – erforderliche Einwilligung für derartige Anrufe gegeben. Beide Untersuchungen wurden vom Bundesverband der Verbraucherzentralen in Auftrag gegeben. „Dass Bürger Opfer von unfreiwillig am Telefon abgeschlossenen Verträgen und unberechtigten Abbuchungen von Callcentern werden, ist ein wachsendes Problem“, bestätigte Chef-Verbraucherschützer Gerd Billen aus Berlin gegenüber der WirtschaftsWoche. Offenbar dienen manche Gewinnspiel-Web-Sites dazu, illegal erworbene persönliche Daten zu legalisieren, ohne dass Rückschlüsse auf die wahre Identität des Eingebenden möglich sind. Die betroffene Rentnerin jedenfalls, leicht dement und nicht im Besitz eines Computers, soll sich unter anderem angeblich auf der Internet-Seite des kostenlosen Gewinnspiels www.mp3player-gewinnspiel.de angemeldet und damit gleichzeitig die Zustimmung für spätere Werbeanrufe durch Callcenter gegeben haben. Nachforschungen der WirtschaftsWoche, woher die Eingaben tatsächlich stammen, führten unter anderem bis in die Schweiz, mündeten aber letztlich im Nichts. Verbraucher haben aber die Möglichkeit – nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs – ungenehmigte Abbuchungen über die Sechs-Wochen-Frist bei Lastschriften hinaus zurückzuholen.
Obergrenze dabei ist die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren. Dem Sohn der Mittsiebzigerin ist dies gelungen – ohne dass sich ein Anbieter gewehrt hat.

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BGB-Änderung: Künftig kein Wertersatz nach Ersatzlieferung

Am 16. Dezember 2008 ist eine Änderung des BGB in Kraft getreten, die sicherstellt, dass ein Käufer keinen Wertersatz für die Benutzung einer zunächst gelieferten fehlerhaften Sache an den Verkäufer leisten muss, wenn er die Ware wegen dieses Fehlers später umtauscht. Der Gesetzgeber folgt mit der Neuregelung im Verbrauchsgüterkauf des BGB einer Entscheidung des EuGH zur Auslegung der so genannten Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie.
(Urteil vom 17.04.2008 – RS C-404/06).

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VO (EG) 261/2004 (Fluggastrechte): Anwendbarkeit der Verordnung auf Umbuchungen

VO (EG) 261/2004 (Fluggastrechte) Art. 4 Abs. 3

Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art. 234 EG zur Auslegung von Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 folgende Fragen vorgelegt:

a) Stellt die Umbuchung auf einen anderen Flug einen von Artikel 4 Abs. 3 der Verordnung erfassten Sachverhalt dar?

b) Falls die erste Frage zu bejahen ist:

Ist diese Vorschrift auch auf eine Umbuchung anzuwenden, die nicht durch das Luftfahrtunternehmen, sondern allein durch das Reiseunternehmen veranlasst worden ist?

BGH Beschluss 07.10.2008, X ZR 96/06

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OLG Karlsruhe: Telefax – Sendeprotokoll mit „OK“-Vermerk kann Zugang beweisen!

Der Zugang eines Telefaxschreibens kann im Einzelfall durch Vorlage des Sendeberichts mit „OK“-Vermerk bewiesen werden. Dies gilt zumindest dann, wenn der Empfänger Kaufmann ist.
Entscheidung vom 30.09.2008 – 12 U 65/08

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BGH: Käufer muss beim Verbrauchsgüterkauf bei Ersatzlieferung für die Nutzung der Mangelware keinen Wertersatz zahlen

Der Verkäufer kann beim Verbrauchsgüterkauf (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) vom Verbraucher im Falle der Ersatzlieferung für eine mangelhafte Ware entgegen dem Wortlaut von § 439 Abs. 4, § 346 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB keinen Wertersatz für die Nutzung der zunächst gelieferten Kaufsache verlangen. Denn eine solche Verpflichtung wäre nicht mit Art. 3 der europäischen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (1999/44/EG) vereinbar, führte der Bundesgerichtshof aus (Urteil vom 26.11.2008, Az.: VIII ZR 200/05). Mit dem Urteil setzt der BGH eine Vorgabe des Europäischen Gerichtshofs um (NJW 2008, 1433).

Eine Verbraucherin hatte im Sommer 2002 bei der Beklagten, einem Versandhandelsunternehmen, ein Herd-Set zum Preis von rund 525 Euro gekauft. Im Januar 2004 stellte die Kundin fest, dass sich die Emailleschicht im Backofen abgelöst hatte. Da eine Reparatur des Gerätes nicht möglich war, tauschte die Beklagte den Backofen aus. Für die Nutzung des ursprünglich gelieferten Gerätes verlangte sie rund 70 Euro, die die Käuferin entrichtete. Dies erachtete der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände e.V. für unzulässig. Er forderte aufgrund einer Ermächtigung durch die Käuferin von der Beklagten die Rückzahlung der 70 Euro. Weiterhin verlangte er von der Beklagten, es zu unterlassen, im Zusammenhang mit der Lieferung von Waren als Ersatz für mangelhafte Kaufgegenstände von Verbrauchern Zahlungen für die Nutzung der zunächst gelieferten Ware zu verlangen. Das Landgericht hat dem Zahlungsantrag stattgegeben und den Unterlassungsantrag abgewiesen (NJW 2005, 2558). Das Oberlandesgericht hat die Berufungen beider Parteien zurückgewiesen (NJW 2005, 3000). Dagegen haben beide Parteien Revision eingelegt.

Zunächst hatte der BGH das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Vorschrift des § 439 Abs. 4 BGB mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in Einklang steht. Nach dem daraufhin ergangenen Urteil des EuGH ist Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG «dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die dem Verkäufer, wenn er ein vertragswidriges Verbrauchsgut geliefert hat, gestattet, vom Verbraucher Wertersatz für die Nutzung des vertragswidrigen Verbrauchsguts bis zu dessen Austausch durch ein neues Verbrauchsgut zu verlangen.»

Nachdem der EuGH entschieden hatte, hat der BGH die Revision der Beklagten, mit der diese die Abweisung der Klage auch hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs begehrt hatte, zurückgewiesen. Dagegen hat er der Revision des Klägers, mit der dieser seinen Unterlassungsantrag weiter verfolgt hatte, stattgegeben. § 439 Abs. 4 BGB sei im Falle eines Verbrauchsgüterkaufs (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) entgegen seinem Wortlaut einschränkend anzuwenden, argumentierte der BGH. Die durch § 439 Abs. 4 BGB in Bezug genommenen Vorschriften über den Rücktritt (§§ 346 bis 348 BGB) würden nur für die Rückgewähr der mangelhaften Sache selbst greifen. Beim Verbrauchsgüterkauf würden sie hingegen nicht zu einem Anspruch des Verkäufers auf Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Sache führen. Diese Einschränkung sei erforderlich, weil eine Verpflichtung des Käufers zur Zahlung von Nutzungsersatz nach der Entscheidung des EuGH mit Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG nicht vereinbar sei. An diese Entscheidung seien die nationalen Gerichte gebunden.

Sie seien zudem verpflichtet, die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräume, soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen (richtlinienkonforme Auslegung). Dieser von der Rechtsprechung des EuGH geprägte Grundsatz verlange von den nationalen Gerichten mehr als nur eine Rechtsfindung innerhalb des Gesetzeswortlauts (Auslegung im engeren Sinne). Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung erfordere darüber hinaus, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich sei, richtlinienkonform fortzubilden. Daraus folge hier das Gebot einer richtlinienkonformen Rechtsfortbildung durch Beschränkung des § 439 Abs. 4 BGB auf einen mit Art. 3 der Richtlinie zu vereinbarenden Inhalt, so der BGH.

Dies stehe im Einklang mit dem Grundsatz der Bindung der Gerichte an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), betonen die Karlsruher Richter. Aus der Gesetzesbegründung ergebe sich, dass eine planwidrige Regelungslücke bestehe, die durch richterliche Rechtsfortbildung zu schließen sei. Aus den Gesetzesmaterialen gehe hervor, dass der Gesetzgeber die Absicht gehabt habe, eine richtlinienkonforme Regelung zu schaffen, jedoch irrtümlich davon ausgegangen sei, § 439 Abs. 4 BGB sei im Falle des Verbrauchsgüterkaufs mit Art. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vereinbar (BT-Drs. 14/6040, 232 f.). Dies werde dadurch bestätigt, so der BGH, dass der Gesetzgeber nunmehr der Entscheidung des EuGH Rechnung tragen und durch eine Gesetzesänderung eine richtlinienkonforme Umsetzung der Richtlinie herbeiführen wolle (Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 15.10.2008, BT-Drs. 16/10607, 4, 5 f.).