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VonHagen Döhl

Keine Beförderung mit Pass ohne Lichtbild des Sohnes

Das AG München hat entschieden, dass eine Fluglinie die Beförderung ablehnen kann, wenn unzureichende Reiseunterlagen vorgelegt werden.
Der spätere Kläger buchte bei einem Flugunternehmen für seine Frau, seinen minderjährigen Sohn und sich Flüge nach Bangkok für den Januar 2008. In Thailand war ein Aufenthalt in einer Ferienwohnung geplant. Am Abflugtag fuhr die Familie zum Flughafen. Am Check-in-Schalter wurde der Sohn jedoch nicht zugelassen. Grund dafür war, dass für ihn nur ein Pass ohne Lichtbild vorgelegt wurde. Die Mitarbeiterin am Schalter teilte der Familie mit, dass ein Pass ohne Foto für eine Einreise nach Thailand nicht ausreichend sei. Darauf hin fuhr die Familie zum Wohnort zurück, ließ den Pass mit einem Lichtbild versehen und reiste drei Tage später doch noch nach Bangkok.
Infolge der vergeblichen Anreise zum Flughafen und der drei verlorenen Urlaubstage entstanden der Familie Kosten in Höhe von 212 Euro für die Bahnfahrten und 242 Euro für die nutzlos aufgewandte Miete in der Ferienwohnung. Diese Kosten wollte sie vom Flugunternehmen ersetzt bekommen. Außerdem verlangte sie 1.800 Euro Schadenersatz nach der EU-Fluggastrechtsverordnung. Alle drei waren der Ansicht, dass der Pass ohne Bild ausreichend gewesen wäre. Das Unternehmen weigerte sich zu bezahlen. Das Lichtbild sei erforderlich, deshalb habe die Beförderung verweigert werden können.
Das AG München hat die Klage abgewiesen
Das Flugunternehmen habe zu Recht die Beförderung abgelehnt, da unzureichende Reiseunterlagen vorgelegt wurden. Bei dem vorgelegten Pass ohne Lichtbild des Sohnes handele es sich nach der Passverordnung lediglich um einen Passersatz. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes würden deutsche Kinder und Jugendliche für die Einreise nach Thailand mindestens seit November 2007 einen Reisepass mit Bild benötigen. Die von der Familie vorgelegten Einreise- und Visabestimmungen des Königlich Thailändischen Honorarkonsulats datierten vom März 2007 und seien nicht mehr aktuell gewesen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
(AG München 04.01.2010 283 C 25289/08)

VonHagen Döhl

Jagdscheinentzug wegen Schuss auf entlaufene Kuh

Der BayVGH hat entschieden, dass einem Jäger, der auf eine entlaufene Kuh schießt, der Jagdschein zu entziehen ist.
Der Kläger, ein Jäger, schoss an einem Juniabend gegen 20:30 Uhr auf eine aus einem landwirtschaftlichen Betrieb in Beratzhausen entlaufene Kuh, nachdem er sie von seinem Hochsitz aus in seiner Nähe erblickt hatte. Als er sie dann in ca. 80 Meter Entfernung ein zweites Mal sah, schoss er nochmals auf das Tier, ohne im Besitz einer Schießerlaubnis für den Einzelfall gewesen zu sein. Die Behauptung des Klägers, er habe den ersten Schuss in Notwehr abgegeben und mit dem zweiten Schuss die Kuh von ihrem Leiden erlösen wollen, wurde als unglaubwürdig angesehen. Die Entscheidung des Landratsamtes Regensburg, die Waffenbesitzkarte des Klägers wegen waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit zu widerrufen sowie seinen Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen, wurde vom Verwaltungsgericht bestätigt und die dagegen gerichtete Klage abgewiesen.
Der BayVGH hat nunmehr entschieden, den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts abzulehnen, da er keine Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils hatte.
Nach Auffassung des Gerichts rechtfertigt das unbesonnene und unverantwortliche Verhalten des Klägers, ohne erforderliche Schießerlaubnis auf eine entlaufene Kuh zu schießen, die Annahme, dass er auch in Zukunft Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird. Die waffen- und jagdrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers steht damit fest. Der Kläger hätte – selbst bei Vorliegen einer (nicht glaubhaft gemachten) Notwehr- bzw. Notstandssituation – jedenfalls vor dem zweiten Schuss, der die Kuh wiederum nicht tödlich traf, Kontakt mit den Sicherheitsbehörden aufnehmen und eine Schießerlaubnis für den Einzelfall einholen müssen. Wenn das dafür zuständige Landratsamt nach Dienstschluss nicht mehr erreichbar gewesen wäre, hätte er zu der zuständigen Polizeidienststelle Kontakt aufnehmen müssen. Dass der Kläger dies nicht tat, sei unverantwortlich und mache ihn als Jäger und Waffenbesitzer unzuverlässig.
(Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München 11.08.2010 21 ZB 10.444)

VonHagen Döhl

Keine Körperverletzung bei aus dem Raum führen eines Schülers

Ein Lehrer, der einen Schüler ohne Züchtigungsabsicht zur Durchsetzung der nicht befolgten Anweisung den Raum zu verlassen, am Arm ergreift, begeht keine vorsätzliche Körperverletzung.
(LG Berlin, Beschluss vom 18.12.2009, 518 Qs 60/09)

VonHagen Döhl

Keine Gefährdungshaftung für Kinder

Das AG München hat entschieden, dass die Eltern eines Kindes, dass ein Taxi verschmutzt, weil es sich übergeben musste, nur dann haften, wenn sie die Übelkeit ihres Kindes erkennen konnten und nichts unternahmen, um die Verunreinigung zu vermeiden.
Im März 2009 fuhr ein Ehepaar mit seiner 9-jährigen Tochter mit dem Taxi nach Hause. Kurz nach Fahrtantritt sagte die Mutter dem Taxifahrer, dass es der Tochter nunmehr sehr schlecht ginge und der Fahrer anhalten solle. Noch bevor dieser das Fahrzeug zum Stehen bringen konnte, das Taxi befuhr gerade den Mittleren Ring, erbrach sich das Kind und verunreinigte hierdurch das Taxi im Bereich der Rückenlehne des Vordersitzes, der Mittellehne und des Gurtschlosses. Das Taxi musste gereinigt werden. Die Reinigungskosten betrugen 190 Euro. Während der Reinigung musste der Taxifahrer ein Ersatztaxi anmieten, um weiterarbeiten zu können. Dafür fielen 800 Euro an. Das Taxiunternehmen, bei dem der Fahrer angestellt war, verlangte nun von der Mutter den Ersatz der Kosten. Schließlich habe sie erkennen können, dass es ihrem Kind schlecht ging und sie habe nichts unternommen. Diese weigerte sich jedoch. Das Erbrechen sei so plötzlich gekommen, dass sie die Verunreinigung nicht habe verhindern können. Die Tochter habe im Vorfeld nur über Müdigkeit und Halsschmerzen geklagt.
Der Fall kam vor das AG München. Der zuständige Richter versuchte zunächst, den Streit gütlich beizulegen. Er wies die Parteien darauf hin, dass wohl keine Anspruchsgrundlage für die Haftung der Mutter bestehe, dass es unter menschlichen Gesichtspunkten aber sehr vernünftig wäre, wenn diese die Reinigungskosten übernehme. Es wäre eigentlich fair, wenn nicht der Taxifahrer das Risiko der Erkrankung der Tochter tragen müsse, sondern die Eltern. Dies wies die Beklagte aber weit von sich.
Daher kam es zu einem Endurteil, in dem das AG München die Klage abgewiesen hat.
Nach Auffassung des Gerichts ist ein Schadenersatzanspruch zu verneinen. Da es eine Gefährdungshaftung für Kinder nicht gibt, komme ein solcher nur in Betracht, wenn die Mutter eine allgemeine oder vertragliche Sorgfaltspflicht verletzt hätte. Dies setze aber im konkreten Fall voraus, dass es für die Mutter erkennbar gewesen ist, dass sich ihre Tochter erbrechen wird. Dies könne der Taxifahrer aber nicht beweisen. Nach den geschilderten Umständen sei das Erbrechen der Tochter plötzlich und unerwartet eingetreten, ein Verschulden der Mutter liege daher nicht vor.
(AG München 1.12.2009 155 C 16937/09)

VonHagen Döhl

Mindeststreitwert bei Berufungen soll von 600 auf 1000 Euro steigen

Der Bundesrat möchte den Mindeststreitwert in Verfahren vor Zivilgerichten und Arbeitsgerichten von 600 Euro auf 1000 Euro anheben.

Dies sieht ein Gesetzentwurf (BT-Drs. 17/2149 – PDF, 92 KB) zur Änderung der Zivilprozessordnung und des Arbeitsgerichtsgesetzes vor. Nach Meinung der Länderkammer übersteigen die Kosten des Rechtsstreits oft die Höhe des Streitwerts. Angesichts der Tatsache, dass die personellen und sachlichen Ressourcen vor dem Hintergrund knapper Haushaltsmittel begrenzt seien, gelte es, Entlastung zu schaffen, wo dies möglich und verfassungsrechtlich zulässig sei. Den gleichen Vorstoß hatte der Bundesrat in der vergangenen Legislaturperiode unternommen (BT-Drs. 16/6970 – PDF, 164 KB).

Wie die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme mitteilt, ist sie bereit, die Länder durch die Änderungen von Verfahrensregeln bei der notwendigen Konsolidierung ihrer öffentlichen Haushalte zu unterstützen. Die vorgeschlagenen Maßnahmen dürften aber das berechtigte Interesse der Bürger an einem „effektiven Rechtsschutz im gerichtlichen Verfahren nicht unangemessen beeinträchtigen“. Seit 2001 sei die Zahl der Berufungen gegen Urteile der Amtsgerichte bereits um 30% zurückgegangen. Die Berufungsgerichte seien durch die Reform des Zivilprozesses schon jetzt spürbar entlastet worden. Deshalb hätten die Länder seit 2002 mehr als 150 Richterstellen bei der Berufungsgerichten abgebaut. Die Notwendigkeit weiterer Einsparungen sei vor diesem Hintergrund und angesichts der Gefahren für ein „ausgewogenes Rechtsschutzsystem“ sorgfältig zu prüfen.

VonHagen Döhl

Arglistige Täuschung durch Offerte über Eintragung in öffentliches Telefonverzeichnis

Enthält ein Angebotsschreiben über die Eintragung in ein örtliches Telefonregister objektiv unrichtige Angaben, die eine bereits bestehende Vertragsbeziehung suggerieren sollen, dann kann bereits hieraus auf den für eine Täuschungsanfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB erforderlichen subjektiven Tatbestand geschlossen werden. Bei einer bloß missverständlichen Darstellung, die möglicherweise nur auf einem ungeschickten Vorgehen bei der Formulierung beruht, kommt es für eine Annahme eines Täuschungswillen dagegen vor allem darauf an, wie stark die maßgeblichen Punkte verzehrt und entstellt wiedergegeben sind und ob vom Absender hätte erwartet werden können, vorherzusehen, dass Adressaten die wahren Umstände nicht richtig oder nicht vollständig erkennen können. Dass es sich bei dem Adressaten um Gewerbetreibende handelt, die bei Prüfung und Unterzeichnung des Auftragsformulars nicht unter Zeitdruck stehen, ist dabei rechtlich irrelevant.
Hinweis: siehe auch BGH-Urteil vom 22.02.2005 – X ZR 123/03.
(OLG Celle, Urteil vom 18.06.2009 – 13 U 9/09)

VonHagen Döhl

Lieferung bei angeblicher Telefonbestellung unzulässig

Ein Rentnerehepaar erhält ein überraschenden Anruf. Darin preist ein Versandunternehmen seine Münzen und Medaillen, die angeblich eine sichere Wertanlage bedeuten. Wenige Tage später erhält das Ehepaar ein Paket mit etlichen dieser mehr oder weniger wertvollen Münzen. Darin liegt außerdem eine Rechnung, die bezahlt werden muss. Da die Empfänger nicht überweisen, folgen mehrere Drohbriefe. Vor Gericht gibt das Unternehmen an, der Kunde habe sich in einem anderthalbminütigen Telefonatmit der Bestellung einverstanden gezeigt . Der Rentner kann sich daran allerdings nicht mehr erinnern. Die Richter am Landgericht Hildesheim hielten diese Frage für unwichtig:

Es ist ausgeschlossen, dass der Angerufene während des Telefonats frei hätte entscheiden können, ob er mit der Zusendung der Waren und den Bedingungen dafür einverstanden ist. Bei solchen Telefonaten werden die Betroffenen vielmehr überrumpelt. Sie sind grundsätzlich nicht dazu verpflichtet zu zahlen, ebensowenig müssen sie die Waren aufheben oder zurücksenden.

Das Ehepaar hat also völlig richtig gehandelt.

(Landgericht HildesheimAz: 11 O 42/09)

VonHagen Döhl

Versandfirma zur Zahlung von 13.400 Euro aus „Offizieller Gewinnmitteilung“ verurteilt

Das OLG Köln hat den Anspruch eines Kunden auf Zahlung von 13.400 Euro aus einer Gewinnzusage gegen eine „Shopping“-Firma aus Luxemburg bejaht.
Diese wurde in dem Beschluss darauf hingewiesen, dass ihre Berufung gegen ein gleichlautendes Urteil des LG Aachen vom 28.10.229 (11 O 417/08) keine Aussicht auf Erfolg habe. Daraufhin hat die luxemburgische Firma ihr Rechtsmittel am 22.04.2010 zurückgezogen.
Ein Mann aus Neustadt hatte einen Katalog zugesandt bekommen, dem eine „Offizielle Gewinnmitteilung“ beigefügt war: „Und nun halten Sie sich fest, Herr W., das Unglaubliche ist wahr geworden: Die NGA Nationale Glücks-Agentur hat uns mitgeteilt, dass auf Ihre persönliche Losnummer ein Gewinn in Höhe von 13.400,- Euro entfallen ist.“ Der Neustädter klebte seine persönliche Losmarke auf die ausgefüllte Gewinnmitteilung und rief den Gewinn zusammen mit einer Warenbestellung ab, die an eine Postfach-Adresse in Selfkant zu richten war. Die Waren erhielt er zugesandt, den Gewinn allerdings nicht, worauf er den Versender vor dem LG Aachen auf Gewinnauszahlung verklagte. Während des Prozesses mussten zunächst mühsam die Postanschrift und der wahre Inhaber der Versandfirma ermittelt werden. Diese verteidigte sich damit, dass in den Teilnahmebedingungen für das Gewinnspiel weitere Voraussetzungen für die Geldauszahlung aufgestellt worden seien, die nicht erfüllt gewesen seien. Es sei lediglich von einem „Gewinnkandidaten“ die Rede gewesen, der zunächst nur eine Möglichkeit auf einen Gewinn habe.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Das OLG Köln hat das landgerichtliche Urteil bestätigt.
Herrn W. sei mit dem konkret an ihn gerichteten Anschreiben eine Gewinnzusage im Sinne des § 661a BGB erteilt worden. Wenn in der Zusendung deutlich hervorgehoben ist, Herr W. solle sich festhalten, das Unglaubliche sei wahr geworden und auf seine persönliche Losnummer sei der Gewinn von 13.340,- Euro entfallen, könne dies nach dem maßgeblichen Gesamteindruck nur so verstanden werden, der Empfänger der Sendung habe den Gewinn bereits erhalten und brauche ihn nur noch abzurufen. Diesem Eindruck könne auch nicht durch nichtssagende Hinweise im Fließtext entgegengewirkt werden, wie „Ich anerkenne die von mir gelesenen Bargeldvergabe-/Teilnahmebedingungen“ und „Diese Mitteilung wird gültig, wenn ihre persönliche Losnummer identisch mit der gewinnenden Losnummer ist“.
Mit der Zurücknahme der Berufung ist das Urteil des LG Aachen jetzt rechtskräftig.
(OLG Köln 18.03.2010 21 U 2/10)

VonHagen Döhl

Bildnis nackter Oberbürgermeisterin von Kunstfreiheit gedeckt

Das OLG Dresden hat entschieden, dass das Gemälde der Dresdener Oberbürgermeisterin Helma Orosz als weiblicher Akt eine satirische Darstellung eines aktuellen politischen Geschehens ist und von der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt ist.
Die Verfügungsbeklagte hatte im Internet ein Gemälde mit dem Titel „Frau Orosz wirbt für das Welterbe“ veröffentlicht, auf dem die Oberbürgermeisterin nackt – lediglich mit rosafarbenen Strapsen und Strapshaltern sowie einer Bürgermeisterkette „bekleidet“ – zu sehen war. Im Zusammenhang mit dem Tag des offenen Ateliers in Dresden wurde das Gemälde – neben anderen Bildern der Künstlerin – am 15.11.2009 in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht. Nachdem die Malerin die Aufforderung auf Abgabe einer Unterlassungserklärung in Bezug auf die künftige Veröffentlichung und sonstige Verbreitung des Bildes abgelehnt hatte, stellte Oberbürgermeisterin Orosz Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung. Das Originalgemälde ist zwischenzeitlich verkauft.
Das erstinstanzlich mit dem Antrag befasste LG Dresden hatte dem Antrag von Helma Orosz mit der Begründung stattgegeben, die Nacktdarstellung verletze die Verfügungsklägerin in ihrem Recht am eigenen Bild sowie ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die verfassungsrechtlich garantierte Kunstfreiheit habe zurückzutreten, da auch bei Personen der Zeitgeschichte die Intimsphäre insoweit geschützt sei, als ihnen die Entscheidung über die Veröffentlichung ihres nackten Körpers vorbehalten sei.
Das OLG Dresden hat die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und den Antrag abgewiesen.
Das streitgegenständliche Gemälde sei ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte, dessen Zurschaustellung die Klägerin nicht in berechtigten Interessen verletzt und daher ohne ihre Einwilligung verbreitet werden darf. Zwar seien auch Bildnissen mit Bezug zur Zeitgeschichte bei Einbrüchen in die Persönlichkeitssphäre durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Grenzen gesetzt. Insoweit sei im Einzelfall eine Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen einerseits und der Kunst- und der Meinungsfreiheit andererseits geboten.
Diese Abwägung falle hier zugunsten der beklagten Künstlerin aus. Bei dem Bild handele es sich nicht nur um Kunst im verfassungsrechtlichen Sinne, sondern zugleich um eine satirische Darstellung eines aktuellen politischen Geschehens, die dem Schutz der allgemeinen Meinungsfreiheit unterliegt. Satirische Darstellungen genössen einen weiten Freiraum bis zur Grenze der Schmähkritik, da ihnen Übertreibungen, Verzerrungen und Verfremdungen gerade wesenseigen seien. Das Werk der Beklagten beinhalte nach seinem Aussagekern einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf und sei nicht als Schmähkritik oder Kundgabe von Missachtung anzusehen. Die Klägerin erscheine als Werberin für den heftig umstrittenen Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden. Dieses „Werben“ werde in erkennbar satirischer Absicht durch die Platzierung der Klägerin mit geöffneten Armen und zur Brücke hindeutender Pose verdeutlicht und zugleich ins Lächerliche gezogen. Die Nacktheit der Klägerin könne in diesem Kontext ohne weiteres als allegorische Darstellung der Unmöglichkeit oder Unfähigkeit zur Abwendung des Verlustes des Unesco-Welterbetitels verstanden werden. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der weibliche und auch männliche Akt zentrales Thema des künstlerischen Schaffens der Beklagten ist. Die Künstlerin greife malerisch ein Motiv auf, wie es literarisch etwa in Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ auftaucht und habe zum Ausdruck bringen wollen, dass die Klägerin „nichts in der Hand habe“. Dieser Aussagekern bewege sich im Schutzbereich des Rechts auf freie Meinungsäußerung.
Auch die Einkleidung dieser Aussage – die malerische Darstellung des Kopfes der Klägerin mit einem nachempfundenen nackten Körper, Requisiten wie Strapse und Schärpe sowie die leuchtend-aufdringliche Farbgestaltung – müsse die Klägerin hinnehmen. Zwar sei nachvollziehbar, dass sie sich in ihrem Schamgefühl und ihrer Autorität beeinträchtigt sieht. Das Bildnis stelle aber ersichtlich weder einen Vorgang aus dem Sexualbereich dar noch werde die Klägerin in reißerischer Manier oder als Objekt männlicher Begierde zur Schau gestellt. Sie werde auch nicht in ihrem Privatleben, sondern – symbolisiert durch die Amtskette – bei der Ausübung ihrer politischen Tätigkeit abgebildet, in der sie weitgehenden Einschränkungen ihrer Privatsphäre unterworfen ist.
An der Zulässigkeit der satirischen Darstellung ändere nichts, dass es an einer weitgehenden Verfremdung der Person der Klägerin fehlt. Die Erkennbarkeit der Person sei hier vielmehr Voraussetzung dafür, dass der Aussagegehalt der Meinungsäußerung erkennbar wird. Schließlich führe auch das „Unterschieben“ eines fremden Körpers nicht zur Unzulässigkeit der Bildveröffentlichung. Zwar unterliege die Manipulation von Fotografien verschärften verfassungsrechtlichen Anforderungen. Ein weiblicher Akt auf einem Gemälde unterscheide sich von einer Fotomontage aber dadurch, dass er auch bei naturalistischer Darstellung immer nur eine Interpretation der abgebildeten Person durch den Künstler sei und – auch angesichts der flüchtigen, an Kulissenmalerei erinnernden Ausführung – nicht den Eindruck einer authentischen Abbildung erweckt.
Bei dieser Sachlage habe das Persönlichkeitsrecht der Klägerin hinter die Meinungs- und Kunstfreiheit der Beklagten zurückzutreten.
Gegen das im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangene Urteil ist kein förmliches Rechtsmittel mehr möglich.
(OLG Dresden 16.4.2010 4 U 127/10)

VonHagen Döhl

Kosten der ursprünglichen Warenzusendung bei Widerruf des Fernabsatzvertrages

Der EuGH hat entschieden, dass einem Verbraucher, der einen Vertragsabschluss im Fernabsatz widerruft, nicht die Kosten der Zusendung der Ware auferlegt werden dürfen; nur die Kosten der Rücksendung dürfen zulasten des Verbrauchers gehen.
Die Richtlinie über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (RL 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.05.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz – ABl. L 144, 19) bestimmt, dass ein Verbraucher einen Vertragsabschluss im Fernabsatz innerhalb einer Frist von mindestens sieben Werktagen ohne Strafzahlung und ohne Angabe von Gründen widerrufen kann. Übt der Verbraucher sein Widerrufsrecht aus, so hat der Lieferer die vom Verbraucher geleisteten Zahlungen kostenlos zu erstatten. Die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, sind die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren.
Eine im Versandhandel tätige Gesellschaft, Heinrich Heine, sieht in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor, dass der Verbraucher einen pauschalen Versandkostenanteil von 4,95 € trägt. Diesen Betrag hat das Versandunternehmen auch dann nicht zu erstatten, wenn der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, ein deutscher Verbraucherverein, erhob gegen Heinrich Heine Klage auf Unterlassung dieser Praxis, da sie der Auffassung ist, dass dem Verbraucher im Fall des Widerrufs nicht die Kosten der Zusendung der Ware auferlegt werden dürfen. Nach Ansicht des BGH, der diesen Rechtsstreit letztinstanzlich zu entscheiden hat, gewährt das deutsche Recht dem Verbraucher keinen ausdrücklichen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Zusendung der bestellten Ware. Da der BGH jedoch Zweifel hat, ob es mit der Richtlinie vereinbar ist, wenn dem Verbraucher, der sein Widerrufsrecht ausgeübt hat, die Kosten der Zusendung der Waren in Rechnung gestellt werden, ersucht er den EuGH um Auslegung der Richtlinie.
Der EuGH hat festgestellt, dass die Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der der Lieferer in einem im Fernabsatz abgeschlossenen Vertrag dem Verbraucher die Kosten der Zusendung der Waren auferlegen darf, wenn dieser sein Widerrufsrecht ausübt.
Die Bestimmungen der Richtlinie zu den Rechtsfolgen des Widerrufs haben eindeutig zum Ziel, den Verbraucher nicht von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten. Eine Auslegung, nach der es den Mitgliedstaaten erlaubt wäre, zuzulassen, dass im Widerrufsfall die Kosten der Zusendung zulasten dieses Verbrauchers gingen, liefe diesem Ziel zuwider. Im Übrigen stünde eine solche Belastung des Verbrauchers mit den Kosten der Zusendung zusätzlich zu den unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Ware einer ausgewogenen Risikoverteilung bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz entgegen, indem dem Verbraucher sämtliche im Zusammenhang mit der Beförderung der Waren stehenden Kosten auferlegt würden.
(EUGH 15.4.2010 C 511/08)