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VonHagen Döhl

EuGH: Verkäufer bei Nachlieferung zu Aus- und Einbau verpflichtet

Der Verkäufer ist im Zuge der Ersatzlieferung verpflichtet, ein mangelhaftes Verbrauchsgut auszubauen und die Ersatzsache einzubauen oder die dafür erforderlichen Kosten zu tragen. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 16.06.2011 entschieden. Denn anderenfalls würden dem Verbraucher zusätzliche finanzielle Belastungen aufgebürdet, die er nicht hätte tragen müssen, wenn der Verkäufer den Kaufvertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte. Weiter hat der EuGH entschieden, dass es richtlinienwidrig ist, wenn der Verkäufer nach nationalem Recht die Ersatzlieferung als einzig mögliche Art der Abhilfe wegen absolut unverhältnismäßiger Kosten verweigern kann. Allerdings sei es zulässig, die Kostenerstattung auf einen Betrag zu beschränken, der verglichen mit dem Wert des Verbrauchsguts in vertragsgemäßem Zustand und zu der Bedeutung der Vertragswidrigkeit verhältnismäßig sei (Rs. C-65/09 und C-87/09).

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Rechte bei Flugausfällen wegen Vulkanasche

Rechte bei Flugausfällen wegen Vulkanasche

Die Rechte von Flugpassagieren bei Flugausfällen sind in der Fluggastrechte-Verordnung der EU (Nr. 261/2004) geregelt; bei Pauschalreisen sind daneben auch die reiserechtlichen Bestimmungen im BGB (§ 651a ff. BGB) zu beachten.

1. Anwendungsbereich der Fluggastrechte-Verordnung

Die Fluggastrechte-Verordnung findet Anwendung, wenn der Flug von einer deutschen Fluggesellschaft oder einer Fluggesellschaft eines anderen EU-Staates durchgeführt wird. Hat die Fluggesellschaft ihren Sitz außerhalb der EU, gilt die Fluggastrechte-Verordnung immer dann, wenn sich der Abflugort innerhalb der EU befindet.

Beispiel: Bei einem Direktflug von Istanbul nach Berlin mit Lufthansa ist die Fluggastrechte-Verordnung anwendbar, ebenso wenn der Flug mit Alitalia über Mailand erfolgt. Wird der Flug dagegen mit Turkish Airlines durchgeführt, ist die Verordnung nicht anwendbar.

2. Flugausfall bei „Nur-Flug“

Hat der Flugpassagier keine Pauschalreise gebucht, sondern das Flugticket einzeln erworben, so ist sein Ansprechpartner die Fluggesellschaft, die den Flug ausführt.

Bei einem Flugausfall aufgrund der Luftraumsperrung wegen Vulkanasche hat der Fluggast die Wahl, ob er von der ausführenden Fluggesellschaft den Flugpreis zurückerstattet haben möchte oder ob er eine kostenlose anderweitige Beförderung (etwa die Umbuchung auf einen späteren Flug) wünscht (sog. „anderweitige Beförderung“).

Beispiel: Sitzt ein Fluggast nach einer Geschäftsreise am Berliner Flughafen „fest“, weil sein Flug nach München aufgrund eines Vulkanausbruchs gestrichen wurde, so kann er wählen, ob er den Flugpreis zurückverlangt, um sodann beispielsweise mit der Bahn zurückzufahren, oder ob er sich auf den nächstmöglichen Rückflug umbuchen lässt.

Daneben hat der Fluggast Anspruch auf folgende sog. „Betreuungsleistungen“: Verpflegung, zwei kostenlose Telefonate (bzw. Telefaxe oder E-Mails) sowie, falls notwendig, auch eine Hotelunterbringung. Im Fall einer notwendigen Hotelunterbringung ist die Fluggesellschaft auch für den Transfer vom Flughafen zum Hotel verantwortlich.

Beispiel: Wird ein Flug von Berlin nach Paris aufgrund einer Aschewolke annulliert und nimmt der Fluggast das Angebot der Fluggesellschaft an, auf einen Flug am folgenden Tag umzubuchen, kann der Fluggast für die Wartezeit Verpflegung und eine Hotelübernachtung samt Transfer verlangen.

Zu beachten ist aber, dass nur solche Passagiere Betreuung beanspruchen können, die ihrer wirklich bedürfen und dass nur eine den Umständen angemessene Betreuung geschuldet wird.

Ein Anspruch auf eine zusätzliche Ausgleichszahlung, der einem Flugpassagier im Allgemeinen bei einer Annullierung zustehen würde, besteht nicht, da die Luftraumsperrung wegen Vulkanasche einen sog. „außergewöhnlichen Umstand“ darstellt, für den die Fluggesellschaft nicht verantwortlich ist.

Da die Fluggesellschaft an dem Flugausfall kein Verschulden trifft, können auch sonstige Schäden (zum Beispiel aufgrund eines versäumten Geschäftstermins) nicht ersetzt verlangt werden.

Die meisten Fluggesellschaften bieten bereits auf ihrer Internetseite Hinweise auf die Möglichkeit der kostenlosen Stornierung oder Umbuchung von Flügen an, die aufgrund der Luftraumsperrungen wegen Vulkanasche nicht durchgeführt werden konnten. Weigert sich eine Fluggesellschaft, die Ansprüche nach der Fluggastrechte-Verordnung zu erfüllen, so kann der betroffene Flugpassagier hiergegen zivilgerichtlich vorgehen. An einer außergerichtlichen Schlichtung nehmen die Fluggesellschaften bisher nicht teil. Daneben kann sich der Passa-gier beim Luftfahrt-Bundesamt beschweren; dieses entscheidet jedoch nicht über zivilrechtliche Ansprüche.

3. Flugausfall bei Pauschalreisen

Wenn der annullierte Flug Bestandteil einer Pauschalreise ist, kann es Rechte gegenüber dem Reiseveranstalter und Rechte gegenüber dem Flugunternehmen geben.

a) Rechte gegenüber dem Reiseveranstalter bei Pauschalreisen

aa) Der Hinflug fällt aus

Reiseveranstalter und Reisender können die Pauschalreise kündigen, wenn die Reise wegen höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt wird, sofern das Ereignis bei Vertragsschluss nicht absehbar war. Die Luftraumsperrung infolge eines Vulkanausbruchs ist als höhere Gewalt anzusehen. Folge der – formlos möglichen – Kündigung ist, dass der Reisveranstalter keine Reise mehr durchführen und der Reisende grundsätzlich auch den Reisepreis nicht zahlen muss.

Hatte der Reiseveranstalter jedoch schon Vorleistungen erbracht (zum Beispiel ein Visum beschafft oder Reiseliteratur übersandt), kann er dafür vom Reisenden eine Entschädigung verlangen. Entstehen dem Reiseveranstalter Stornokosten (zum Beispiel für ein bereits reserviertes Hotel), sind diese nach der Rechtsprechung je zur Hälfte vom Reiseveranstalter und vom Reisenden zu tragen.

Beispiel: Wird der Hinflug einer seit langem gebuchten Studienreise aufgrund einer Aschewolke annulliert und kündigt der Reiseveranstalter deswegen den Reisevertrag, dann entfällt die gesamte Reise und der Kunde bekommt sein Geld zurück. Hatte der Reiseveranstalter bereits vorbereitende Literatur übersandt, kann er dafür eine Entschädigung verlangen. Muss der Reiseveranstalter für die Stornierung des Hotels bezahlen, kann er die Hälfte der Stornokosten auf den Kunden umlegen.

Wird trotz der Luftraumsperrung von keiner Seite gekündigt und verkürzt sich die Gesamtreisedauer durch einen späteren Hinflug, kann der Reisende den Reisepreis mindern, also anteilige Rückerstattung des Reisepreises für versäumte Urlaubstage verlangen. Etwas anderes gilt, wenn die Vertragsparteien den ursprünglichen Vertrag einvernehmlich abändern, sich etwa auf Durchführung der gesamten Reise zu einem späteren Zeitpunkt verständigen.

Beispiel: Nach Annullierung des Hinflugs wegen eines Vulkanausbruchs startet eine gebuchte Mallorcareise drei Tage später als geplant. Verkürzt sich die Gesamtreisezeit um diese Tage, kann der Kunde mindern und anteilige Rückerstattung des Reisepreises verlangen. Den vollen Preis muss er zahlen, wenn der Reiseveranstalter die Reise zeitlich verschoben in voller Länge anbietet und sich der Kunde darauf einlässt.

bb) Der Rückflug fällt aus

Wird der Rückflug wegen der Vulkanasche annulliert, können Reiseveranstalter und Kunde ebenfalls wegen höherer Gewalt kündigen. Der Reiseveranstalter bleibt jedoch verpflichtet, den Reisenden zurückzubefördern. Wird die vom Reiseveranstalter organisierte andere Rückbeförderung teurer als der ursprüngliche Flug, müssen sich Reiseveranstalter und Kunde die Mehrkosten teilen. Häufig ist allerdings die Fluggesellschaft verpflichtet, den Rückflug kostenneutral umzubuchen (s.u.), so dass für den Rücktransport keine Mehrkosten entstehen. Weitere Mehrkosten – etwa Übernachtungskosten – trägt der Kunde im Verhältnis zum Reiseveranstalter selbst. Auch hier kann es jedoch Ansprüche gegen die Fluggesellschaft geben (s.u.).

Beispiel: Der Rückflug einer Pauschalreise nach Mallorca wird aufgrund von Vulkanasche annulliert. Auch wenn der Reiseveranstalter kündigt, muss er dennoch zurück nach Deutschland transportieren. Organisiert der Veranstalter einen Rücktransport mit Schiff und Bahn, der teurer als der ursprüngliche Flug ist, müssen sich Veranstalter und Reisender die Mehrkosten teilen. Solche Mehrkosten entstehen allerdings nicht, wenn der Reisende die Möglichkeit einer kostenlosen Umbuchung auf den nächstmöglichen Rückflug nutzt (s.u.). Hotelkosten für die Zeit bis zu einem verspäteten Rückflug muss der Reiseveranstalter dem Reisenden nicht ersetzen. Der Reisende bekommt die Kosten der Hotelübernachtung jedoch möglicherweise von der Fluggesellschaft ersetzt (s.u.).

Kündigt der Reiseveranstalter trotz des annullierten Rückflugs nicht, bleibt er in der Pflicht zur vollständigen Erfüllung des Vertrages. Er muss den Reisenden sobald als möglich zurückbefördern. Fallen dadurch Mehrkosten an, etwa für weitere Übernachtungen oder einen teureren Rücktransport als den vereinbarten Flug, sind diese vom Reiseveranstalter zu tragen. Einen Rücktransport, der unverhältnismäßig teurer ist als der annullierte Flug, kann der Reisende jedoch nicht verlangen. Verschiebt sich der Rücktransport erheblich, liegt ein Reisemangel vor, der den Reisenden berechtigen kann, eine anteilige Rückerstattung des Reisepreises zu verlangen.

Beispiel: Ein Pauschalreisender kann von seinem Urlaubsort in Griechenland wegen einer Aschewolke nicht zum vereinbarten Termin zurück nach Deutschland fliegen; der Rückflug wird erst vier Tage später möglich. Kündigt der Reiseveranstalter nicht, muss er nicht nur für den baldigen Rücktransport des Reisenden sorgen, sondern auch für dessen Unterbringung bis dahin. Wegen der Verschiebung des Rückflugs um vier Tage kann der Reisende die Rückerstattung eines nach den Umständen zu bestimmenden Teils des Reisepreises verlangen.

b) Rechte gegenüber der Fluggesellschaft bei Pauschalreisen

Wie beim Nur-Flug (s.o.) können Fluggäste auch dann gegenüber der Fluggesellschaft Ansprüche aus der EU-Fluggastrechte-Verordnung haben, wenn der Flug Bestandteil einer Pauschalreise ist. Es gelten jedoch einige Besonderheiten:

Auch beim Ausfall von Flügen, die im Rahmen einer Pauschalreise gebucht wurden, kann eine kostenlose Umbuchung des Fluges verlangt werden. Eine Erstattung des Flugpreises kann in diesem Fall von der ausführenden Fluggesellschaft dagegen nicht gefordert werden, da hier die oben genannten Ansprüche gegen den Reiseveranstalter vorrangig sind.

Beispiel: Hat ein Urlauber einen Badeurlaub in Portugal gebucht, so kann er, wenn der Hinflug wegen einer Luftraumsperrung aufgrund eines Vulkanausbruchs annulliert wird, am Schalter der ausführenden Fluggesellschaft eine kostenlose Umbuchung auf den nächstmöglichen Flug zum Urlaubsort verlangen.

Im Übrigen haben auch Pauschalreisende Anspruch auf die oben dargestellten Betreuungsleistungen nach der Fluggastrechte-Verordnung.

Beispiel: Wurde der Rückflug aufgrund eines Vulkanausbruchs gestrichen, so können Pauschalurlauber von der ausführenden Fluggesellschaft während der Wartezeit bis zum nächstmöglichen Weiterflug ebenso wie Nur-Flug-Reisende Getränke- und Essensgutscheine erhalten und haben, wenn notwendig, auch Anspruch auf eine Hotelunterbringung (s.o.).

Findet die Fluggastrechte-Verordnung nicht Anwendung, weil der annullierte Rückflug von einem Abflugort außerhalb Europas aus starten sollte und auch die ausführende Fluggesellschaft ihren Sitz außerhalb der EU hat, so kann der Reisende auf seine Rechte gegenüber dem Reiseveranstalter zurückgreifen (s.o.).

Beispiel: Nach einem Pauschalurlaub in Russland kann der Rückflug von Moskau mit Aeroflot wegen einer Sperrung des Flughafens Berlin-Schönefeld nicht stattfinden. Hier findet die Fluggastrechte-Verordnung keine Anwendung; der Reisende kann jedoch von dem Reiseveranstalter verlangen, für seine Rückbeförderung zu sorgen.

VonHagen Döhl

Zugang des Kündigungsschreibens mittels Einschreiben/Rückschein

Ein Kündigungsschreiben ist als Willenserklärung dann wirksam zugegangen, sobald es derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass bei der Annahme gewöhnlicher Verhältnisse damit zu rechnen ist, er könne von ihm Kenntnis erlangen. Bei einer Übermittlung per Einschreiben mit Benachrichtigungsschein ersetzt der fristgemäße Zugang des vom Postzusteller gefertigten Benachrichtigungsscheins allerdings noch nicht den Zugang des Einschreibebriefes selbst. Denn jener Zettel unterrichtet den Empfänger lediglich darüber, dass für ihn eine Einschreibesendung bei der Post zur Abholung bereit liegt. Er enthält aber keinen Hinweis auf den Absender des Einschreibens und lässt den Empfänger zudem im Unklaren darüber, welche Angelegenheit die Einschreibesendung zum Gegenstand hat. Folglich ist der Empfänger einer Benachrichtigung über die Niederlegung einer Zustellung auch nicht per se gehalten, das für ihn niedergelegte Schriftstück auch abzuholen. Insoweit kann von daher vom Erklärenden ggf. zusätzlich verlangt werden, dass er nach Kenntnis von dem nicht erfolgten Zugang unverzüglich einen erneuten Versuch unternimmt, seine Erklärung in den Machtbereich des Empfängers zu dessen Kenntnisnahme zu bringen. Ein solcher wiederholter Zustellungsversuch ist damit regelmäßig nur dann entbehrlich, wenn entweder der Empfänger die Annahme der an ihn gerichteten Mitteilung grundlos verweigert, obwohl er mit dem Eingang rechtserheblicher Mitteilungen seines Vertrags- oder Verhandlungspartners rechnen musste, oder wenn der Adressat den Zugang der Erklärung arglistig verweigert (vgl. BGH, Urteil vom 26.11.1997 – VIII ZR 22/97).

Im Streitfall scheiterte der Zugang der Kündigungserklärung schließlich daran, dass der vom Vermieter eingeschaltete Boote das Schreiben in Geschäftsraum des Mieters an „dort beschäftigte Personen“ übergab, bei denen zweifelhaft war, ob es sich bei ihnen tatsächlich um sog. Empfangsboten gehandelt hat.

(Kammergericht, Beschluss vom 10.06.2010 – 8 U 11/10)

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Haftung eines Vorarbeiters für Personenschäden beim Baumfällen

Haftung eines Vorarbeiters für Personenschäden beim Baumfällen#

Das OLG Oldenburg hat entschieden, dass ein Baustellenleiter, der zwei unerfahrene Arbeiter zur Mithilfe bei Baumfällarbeiten einteilt, für dadurch entstehende Verletzungen der Mitarbeiter auf Schadensersatz haftet.
Der beklagte Vorarbeiter war von seiner Firma mit der Räumung eines Grundstücks beauftragt worden. Auf dem Grundstück standen nur noch der Schornstein mit Fundamentplatte eines abgerissenen Hauses sowie einige Bäume von ca. 10 Meter Höhe und 30 cm Durchmesser. Der Baustellenleiter teilte zwei unerfahrene Mitarbeiter zur Mithilfe bei den Baumfällarbeiten ein. Er beauftragte sie, ein Seil zwischen Baum und Schornstein mithilfe eines Kettenzuges zu spannen. Nach Auftragserteilung verließ er die Baustelle. Der Schornstein stürzte beim Spannen des Seils auf die beiden Arbeiter. Einer der beiden ist seither querschnittsgelähmt, der andere zu 20% erwerbsgemindert.
Das LG Oldenburg verurteilte den Baustellenleiter zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von knapp 900.000 Euro wegen grob fahrlässigen Verhaltens.
Die Berufung des Beklagten blieb vor dem OLG Oldenburg ohne Erfolg.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts haftet der Beklagte, weil er keine fachkundigen Personen hinzugezogen hat und Mitarbeiter ausgewählt hat, die noch nie einen Baum gefällt hatten und daher aufgrund ihrer Unerfahrenheit offensichtlich ungeeignet zum selbstständigen Ausführen der Fällarbeiten gewesen sind. Die Geschädigten seien weder fachkundig in die Arbeiten eingewiesen noch überwacht worden. Die Gefahr sei offensichtlich gewesen und hätte sich dem Beklagten aufdrängen müssen, zumal die beiden Arbeiter per Telefon selbst noch mitgeteilt hätten, dass sie sich im Umgang mit dem Kettenzug nicht auskennen würden.
Das Urteil ist rechtskräftig.
(OLG Oldenburg 24.02.2011 1 U 33/10)

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Anlageberatung für Diplom-Volkswirtin bei hochkomplexem Anlageprodukt

BGB § 280, WpHG § 31 Abs. 1 Nr. 2, WpHG § 31 Abs. 1 Nr. 2

a)Eine Bank muss bei der Anlageberatung vor der Abgabe einer Empfehlung die Risikobereitschaft des Anlegers erfragen, es sei denn, diese ist ihr aus einer langjährigen Geschäftsbeziehung oder dem bisherigen Anlageverhalten des Anlegers bereits bekannt. Die berufliche Qualifikation einer Mitarbeiterin des Anlegers als Diplom-Volkswirtin lässt für sich allein weder den Schluss auf deren Kenntnis von den spezifischen Risiken des CMS Spread Ladder Swap-Vertrages zu, noch kann allein aus etwaigen vorhandenen Vorkenntnissen auf die konkrete Risikobereitschaft des Anlegers geschlossen werden.

b)Bei einem so hochkomplexen Anlageprodukt wie dem CMS Spread Ladder Swap-Vertrag muss die Aufklärung gewährleisten, dass der Anleger im Hinblick auf das Risiko des Geschäfts im Wesentlichen den gleichen Kenntnis- und Wissensstand hat wie die ihn beratende Bank, weil ihm nur so eine eigenverantwortliche Entscheidung darüber möglich ist, ob er die ihm angebotene Zinswette annehmen will.

c)Bei einem CMS Spread Ladder Swap-Vertrag muss die beratende Bank über den negativen Marktwert aufklären, den sie in die Formel zur Berechnung der variablen Zinszahlungspflicht des Anlegers einstrukturiert hat, weil dieser Ausdruck ihres schwerwiegenden Interessenkonflikts ist und die konkrete Gefahr begründet, dass sie ihre Anlageempfehlung nicht allein im Kundeninteresse abgibt.

d)Eine Bank, die eigene Anlageprodukte empfiehlt, muss grundsätzlich nicht darüber aufklären, dass sie mit diesen Produkten Gewinne erzielt. Der insofern bestehende Interessenkonflikt ist derart offenkundig, dass auf ihn nicht gesondert hingewiesen werden muss, es sei denn, es treten besondere Umstände hinzu. Solche besonderen Umstände liegen beim CMS Spread Ladder Swap-Vertrag vor, weil dessen Risikostruktur von der Bank bewusst zu Lasten des Anlegers gestaltet worden ist, um unmittelbar im Zusammenhang mit dem Abschluss des Anlagegeschäfts das Risiko verkaufen zu können, das der Kunde aufgrund ihrer Beratungsleistung übernommen hat.
BGB § 280, WpHG § 31 Abs. 1 Nr. 2, WpHG § 31 Abs. 1 Nr. 2
(BGH Urteil 22.03.2011, XI ZR 33/10)

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Sächsisches Versammlungsgesetz nichtig

Der VerfG Leipzig hat am 19.4.2011 entschieden, dass das Sächsische Versammlungsgesetz vom 20.01.2010 aus formellen Gründen nicht verfassungskonform und nichtig ist.
(Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen Vf. 74-II-10)

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Lieferung frei Bordsteinkante bedarf einer vorherigen Vereinbarung

Das AG Bonn hatte über Liefermodalitäten bei einem Möbelkauf zu entscheiden. Das Gericht stellte klar, dass bei einem Versendungskauf grundsätzlich eine Lieferung der Kaufsache bis in die Wohnungs – oder Geschäftsräume des Käufers geschuldet wird, sofern es keine ausdrückliche und unmissverständliche abweichende Vereinbarung gibt. Auch bei sperrigen Waren und selbst unter Kaufleuten besteht ohne eine solche anderweitige Regelung kein Grundsatz, dass nur bis zur Bordsteinkante zu liefern ist.
(AG Bonn und Urteil vom 25.3.2010-100 3C 315/09)

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Verstoß gegen Schikaneverbot bei rein erzieherischen Klagegründen

Das AG München hat entschieden, dass Ornamente, die jemand auf der Mauer seines Nachbars angebracht hat, die diesen aber nicht stören, da er sie nicht sehen kann, nicht zu einer Beseitigungsklage berechtigen.
Die Grundstücke zweier Nachbarn werden durch eine Mauer voneinander abgegrenzt. Der eine Nachbar brachte auf seiner Seite zwei Ornamente an, einen Salamander und eine Sonne aus Metall. Darüber hinaus schüttete er an der Wand ein Pflanzenbeet auf, das er mit Zaunleisten und einer Noppenfolie von der Mauer abgrenzte. Seine Nachbarin war damit nicht einverstanden. Die Mauer gehöre ihr, diese würde durch das Beet feucht. Deshalb müsse der andere Nachbar es beseitigen. Außerdem glaube dieser, dass er tun und lassen könne, was er wolle. Deshalb müsse er auch die Ornamente entfernen. Dem widersetzte sich der zweite Nachbar. Als auch das Schlichtungsverfahren scheiterte, kam es zur Klage vor dem AG München.
Das AG München hat der Klage nur teilweise stattgegeben.
Zunächst wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass in der Tat von dem Beet Feuchtigkeit ins Mauerwerk kommen kann. Die Abgrenzung durch die Noppenfolie sei als Schutz nicht ausreichend. Um einen ausreichenden Schutz zu gewährleisten, müsse ein Sicherheitsabstand eingehalten werden. Der Nachbar wurde daher zur Entfernung des Beetes verurteilt.
Die Klage auf Entfernung der Ornamente wurde allerdings abgewiesen. Diese seien auf der Seite des Beklagten und störten die Klägerin nicht. Für einen Beseitigungsanspruch sei eine gegenwärtige Beeinträchtigung erforderlich. Dafür reiche es nicht aus, dass die Klägerin vielleicht einmal in der Zukunft die Wand streichen lassen will und der Beklagte die Ornamente dann vielleicht nicht entfernen wird.´Die Klägerin habe ausgeführt, der Beklagte habe sich den Antrag auf Entfernung selbst zuzuschreiben, da er glaube, er könne tun und lassen, was er wolle. Eine Klage, die eher erzieherische Gründe zu verfolgen scheint, als die Durchsetzung eines Anspruchs, an dem ein ernsthaftes und schützenswertes Interesse besteht, verstoße gegen das Schikaneverbot.
Das Urteil ist rechtskräftig.
(281 C 17376/09)

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Sorgfaltspflichten bei Silvesterfeuerwerk

Das OLG Stuttgart hat sich mit den Anforderungen an die mit einem Silvesterfeuerwerk verbundenen Sorgfaltspflichten befasst.
An die Voraussicht und Sorgfalt derjenigen Personen, die ein Feuerwerk veranstalten bzw. entzünden, seien grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen. Beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern müsse ein Platz gewählt werden, von dem aus fehlgehende Raketen aller Voraussicht nach keinen nennenswerten Schaden anrichten können. Allerdings hafte derjenige, der die Feuerwerksrakete gezündet hat, für den eingetretenen Schaden mangels Verschulden dann nicht, wenn an einem in der Nachbarschaft befindlichen Gebäude durch eine fehlgehende Feuerwerksrakete ein Brandschaden eintritt und die Gefahr des Eindringens des Feuerwerkskörpers in das Gebäude und eines dadurch ausgelösten Brandes bei aller Sorgfalt nicht erkennbar war.
Der Beklagte des vom Oberlandesgericht entschiedenen Rechtsstreits hatte vor dem von ihm bewohnten Haus im Alb-Donau-Kreis eine Leuchtrakete in einen Schneehaufen gesteckt und gezündet. Die Rakete stieg zunächst ca. 5 Meter gerade nach oben, schwenkte dann zur Seite und drang durch eine Spalte zwischen der mit Eternit verkleideten Außenwand und dem Blechdach in eine ca. 12 Meter entfernte Scheune, in der Stroh und Getreide gelagert waren, ein. Dort explodierte sie und setzte innerhalb kürzester Zeit das Gebäude in Brand. Die Klägerin, ein großes deutsches Versicherungsunternehmen, machte gegen den Beklagten übergegangene Ersatzansprüche von mehr als 410.000 Euro geltend.
Das LG Ulm hatte die Klage zurückgewiesen.
Das OLG Stuttgart hat die vorinstanzliche Entscheidung bestätigt.
Eine Haftung des Beklagten ergebe sich nicht, weil die einzig festzustellende, bei objektiver Sicht vorliegende Gefahr des Eindringens einer Feuerwerksrakete zwischen Wand und Dach der Scheune für den Beklagten nicht erkennbar war. Eine andere Gefahr beim Zünden einer Feuerwerksrakete in der Nähe der Scheune bestand nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in diesem Fall objektiv nicht. Der Brand stellte sich daher als Unglück und nicht als vom Beklagten schuldhaft verursachter Unfall dar.
Das Oberlandesgericht wies in seinem Urteil u.a. weiter darauf hin, dass es in der Silvesternacht und am Neujahrstag in den Städten und Gemeinden, soweit nicht ein Verbot besonders verfügt wurde, zulässig und üblich sei, nicht erlaubnispflichtige Feuerwerkskörper zu zünden. Auf diesen Brauch müsse man sich – in vernünftigen Grenzen – zum Selbstschutz einrichten. So sei zum Beispiel vom Besitzer eines Gebäudes zu erwarten, dass er in der Silvesternacht und am Abend des 1. Januars Fenster und Türen seiner Gebäude schließt, um Vorsorge vor dem Eindringen von Feuerwerkskörpern zu treffen. Personen, die ein Feuerwerk veranstalten bzw. entzünden, müssten aber andererseits einen Standort wählen, von dem aus andere Personen oder Sachen nicht ernsthaft gefährdet werden. Da niemals ein Fehlstart von Raketen völlig ausgeschlossen werden kann, müsse beim Abbrennen von Feuerwerkskörpern ein Platz gewählt werden, von dem aus etwa fehlgehende Raketen aller Voraussicht nach keinen nennenswerten Schaden anrichten können.
Das Urteil des Oberlandesgerichts wurde durch Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH rechtskräftig (OLG Stuttgart 10 U 116/09 – BGH Az. VI ZR 68/10).

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Basiszinssatz für Verzugszinsen ist unverändert geblieben

Mit dem Inkrafttreten des sog. Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen hat der Gesetzgeber auch die Regelungen zum Verzug und zur Höhe der Verzugszinsen verändert.

Der Schuldner kommt danach nach Ablauf von 30 Tagen nach Erhalt der Rechnung ohne gesonderte Mahnung in Verzug.

Die gesetzlichen Verzugszinsen betragen – anders als früher – nicht mehr nur 4 %, sondern 5 % über dem Basiszinssatz gem. §247 BGB.

Die seit dem 1.1.2002 geltende Neufassung des § 288 BGB regelt für den Fall des Verzuges bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist (also zwischen Unternehmen untereinander), dass der Verzugszinssatz für Entgeltforderungen (nicht mehr 5 %), sondern 8 % Punkte über dem Basiszinssatz beträgt.
Der Basiszinssatz wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres um die Prozentpunkte angepasst, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen oder gefallen ist. Bezugsgröße ist der Zinssatz für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank vor dem ersten Kalendertag des betreffenden Halbjahrs.
Die Deutsche Bundesbank gibt den geltenden Basiszinssatz unverzüglich nach den in Absatz 1 Satz 2 genannten Zeitpunkten im Bundesanzeiger bekannt.
Zum 1.1.2011 ist der Basiszimnsatz erneut unverändert geblieben und beträgt nun seit dem 1.Juli.2009 0,12 %.