Kategorien-Archiv Verkehrsrecht

VonHagen Döhl

Hälftige Schadensteilung bei ungeklärter Kollision

Das OLG Hamm hat entschieden, dass sich die Unfallgegner den Schaden teilen müssen, wenn bei einer Kollision zweier Fahrzeuge nicht eindeutig festgestellt werden kann, ob der eine Fahrer aufgefahren ist oder der andere zurückgesetzt hat.
Der Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden tritt in diesem Fall zurück, wenn das Auffahren nicht bewiesen werden kann bzw. streitig ist.
Nach der Kollision zweier Fahrzeuge stand Aussage gegen Aussage: Die Klägerin behauptete, der Unfallgegner habe zurückgesetzt, während der Beklagte behauptete, die Frau sei auf sein Auto aufgefahren. Bereits in erster Instanz wurde ein technischer Sachverständiger eingeschaltet, der jedoch nach Prüfung und Rekonstruktion des Unfalls beide Schilderungen für möglich hielt. Das Landgericht wies die Klage daraufhin ab.
Auch vor dem OLG Hamm konnte die Klägerin ihre Forderungen nicht durchsetzen.
Das Oberlandesgericht legte die Haftungsquote auf je 50% fest. Ein Schmerzensgeld sei, entgegen der Auffassung der Klägerin, ebenso wenig angebracht wie der Ersatz eines Haushaltsführungsschadens, da die Geschwindigkeit der Fahrzeuge bei der Kollision laut Gutachten so gering gewesen ist, dass dies für eine Verletzung nicht ausreicht. Zudem habe die Klägerin nicht bewiesen, dass sie überhaupt verletzt wurde. Die hälftige Teilung des Unfallschadens beruhe auf dem ungeklärten Unfallhergang. Zwar gehe man in der Regel bei einem Auffahrunfall zunächst vom Verschulden des Auffahrenden aus. Dieser so genannte Beweis des ersten Anscheins sei aber nur dann von Gewicht, wenn die Tatsachen im Einzelnen für den typischen Ablauf eines Auffahrunfalls sprechen. Dies sei hier jedoch nicht der Fall.
(OLG Hamm 15.4.2010 6 U 205/09)

VonHagen Döhl

Moped-Führerschein schon für 15 Jahre alte Jugendliche

Jugendliche können in Zukunft schon mit 15 Jahren den Führerschein für Mopeds, Quads und vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit von 15 Stundenkilometern erwerben.

Dies beschloss der Verkehrsausschuss am 07.07.2010, in dem er einen Antrag (BT-Drs. 17/1574 – PDF, 56 KB) der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Opposition von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Linksfraktion annahm. Anträge der Opposition, das Alter für den Erwerb des Moped-Führerscheins nicht abzusenken, lehnte der Ausschuss mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen ab. Darüber hinaus beschlossen die Abgeordneten, den Erwerb von Zweiradführerscheinen besonders der Klasse A2 zu erleichtern.

Die Koalition begründete ihren Antrag damit, dass mit dem neuen Führerschein die Mobilität gerade auch auf dem Land verbessert werden solle. Es solle eine altersgemäße, stufenweise Heraufsetzung der Geschwindigkeit von 45 Stundenkilometer auf 80 Stundenkilometer erreicht werden, sagte ein Sprecher der Union. Die FDP wies vor allem darauf hin, dass auch in anderen europäischen Ländern entsprechende Führerscheine mit 15 Jahren erworben werden könnten. Dies sei auch in der ehemaligen DDR so gewesen. Außerdem könnten sich jetzt schon Jugendliche mit dem Erwerb des Führerscheins besser ausbilden lassen, als dies bisher beim Mofa-Führerschein der Fall sei. Dadurch erwarte man sich mehr Sicherheit.

Dem widersprachen Sprecher der Oppositionsfraktionen entschieden. Sie verwiesen übereinstimmend auf das Beispiel Österreich. Dort seien nach einer Herabsetzung des Führerscheinalters die Unfälle mit Todesfolge um das zehnfache angestiegen. Die Absenkung des Führerscheinalters werde die Verkehrssicherheit „massiv“ gefährden, da die Jugendlichen in diesem Alter eine hohe Risikobereitschaft haben würden. Außerdem hätten diese wenig Erfahrung im Verkehr.

VonHagen Döhl

BGH: Kfz-Käufer hat auch nach Rücktritt vom Kaufvertrag Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens

Ein Käufer hat trotz Rücktritts vom Kaufvertrag Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Nutzungsausfallschadens, wenn er ein gekauftes Fahrzeug infolge eines Sachmangels nicht nutzen kann. Mit Urteil vom 14.04.2010 hat der Bundesgerichtshof seine entsprechende Rechtsprechung bestätigt. Nach Auffassung der Richter gibt es allerdings Grenzen: Der Käufer sei im Hinblick auf die ihn treffende Schadensminderungspflicht gehalten, binnen angemessener Frist ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen und einen längeren Nutzungsausfall gegebenenfalls durch die Anschaffung eines Interimsfahrzeugs zu überbrücken (Az.: VIII ZR 145/09).

VonHagen Döhl

Verfassungsbeschwerde gegen „Blitzer“ erfolglos

Das BVerfG hat entschieden, dass die Anfertigung von Bildaufnahmen zum Beweis von Verkehrsverstößen rechtmäßig ist.
Der Beschwerdeführer wurde vom Amtsgericht wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße verurteilt. Die Verurteilung stützt sich auf das Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung mittels einer geeichten Messeinrichtung sowie die im Rahmen des Messverfahrens gefertigten Lichtbilder, auf denen der Beschwerdeführer zu erkennen ist. Das Oberlandesgericht verwarf dessen Rechtsbeschwerde als unbegründet.
Seine hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen.
Nach Auffassung des Gerichts hat die Verfassungsbeschwerde weder grundsätzliche Bedeutung noch liegt eine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG vor.
Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Gerichte die Vorschrift des § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO als Rechtsgrundlage für die Anfertigung von Bildaufnahmen zum Beweis von Verkehrsverstößen herangezogen haben. Die Norm erlaube die Anfertigung von Bildaufnahmen ohne Wissen des Betroffenen, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise weniger Erfolg versprechend oder erschwert wäre. Auch die Auslegung und Anwendung dieser Norm durch die Fachgerichte zeige keine Verletzung spezifischen Verfassungsrechts. Eine Bildaufnahme, bei der Fahrer und Kennzeichen seines Fahrzeugs identifizierbar sind, stelle zwar einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Der Zweck derartiger Maßnahmen der Verkehrsüberwachung, nämlich die Aufrechterhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs, rechtfertige jedoch eine Beschränkung der grundrechtlichen Freiheiten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich nicht um verdeckte Datenerhebungen handelt, sondern nur Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet werden, die für Jedermann wahrnehmbar sind. Die Maßnahme ziele zudem nicht auf Unbeteiligte, sondern ausschließlich auf Fahrzeugführer, die selbst Anlass zur Anfertigung von Bildaufnahmen gegeben haben, da der Verdacht eines bußgeldbewehrten Verkehrsverstoßes besteht. Schließlich entfalte die Maßnahme über die Ahndung der Verkehrsordnungswidrigkeit hinaus grundsätzlich keine belastenden Wirkungen für den Betroffenen. Denn es bestünden in § 101 StPO hinreichende grundrechtssichernde Verfahrensvorschriften über die Benachrichtigung sowie zur Kennzeichnung und Löschung von Daten. Vor diesem Hintergrund und angesichts des bezweckten Schutzes der Allgemeinheit vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben im Straßenverkehr bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden verkehrsrechtlichen Maßnahme.
(BVerfG 5.07.2010 2 BvR 759/10)

VonHagen Döhl

Parken: Fehlende Plakette in Umweltzone

Da ein Verstoß gegen das Verkehrsverbot zur Verminderung schädlicher Umwelteinwirkungen auch dann, wenn das Fahrzeug bei der Kontrolle im ruhenden Verkehr vorgefunden wird, keinen Halt- oder Parkverstoß im Sinne des § 25 StVG darstellt, können dem Halter des Fahrzeugs, das ohne vorgeschriebene Plakette in einer Umweltzone abgestellt wurde, auch nicht die Verfahrenskosten auferlegt werden, falls der Fahrer nicht rechtzeitig ermittelt werden kann.
(AG Bremen Beschluss vom 23.06.2009 – 94 Owi 348/09)

VonHagen Döhl

Kein Bußgeld für Sommerreifen im Winter

Das OLG Oldenburg hat die Bußgeldsanktion für eine „Winterbereifungspflicht“ in der Straßenverkehrsordnung für verfassungswidrig erklärt.

Ein Autofahrer befuhr mit seinem PKW im November 2008 mittags eine innerörtliche Straße in Bohmte. Sein Fahrzeug war mit Sommerreifen ausgestattet. Er überfuhr eine Eisfläche und kam ins Rutschen. Er schlitterte in ein an der Straße befindliches Schaufenster eines Geschäftes. Das AG Osnabrück verurteilte ihn zu einer Geldbuße von 85 Euro wegen einer Ordnungswidrigkeit. Er sei mit nicht angepasster Geschwindigkeit und einer nicht den Wetterverhältnisse angepassten Bereifung gefahren. Da sich Eis auf der Straße befunden habe, hätte er mit Winterreifen fahren müssen. Der betroffene Autofahrer vertrat die Auffassung, der Unfall hätte sich auch mit Winterreifen ereignen können und legte Beschwerde vor dem Oberlandesgericht ein.
(OLG Oldenburg 9.7.2010 2 SsRs 220/09)

Das OLG Oldenburg hat entschieden, dass der entsprechende Ordnungswidrigkeitentatbestand in der Straßenverkehrsordnung über die Pflicht zu einer den Wetterverhältnissen angepassten Bereifung in seiner konkreten Ausgestaltung verfassungswidrig ist.

Nach Auffassung des Gerichts verstößt die Vorschrift des § 2 Abs. 3a Satz 1 und 2 i.Vm. § 49 Abs. 1 Ziff. 2 StVO gegen das verfassungsmäßig gebotene Bestimmtheitsgebot. Nach Art. 103 Abs. 2 GG sei der Gesetzgeber verpflichtet, die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit bzw. einer Ordnungswidrigkeit so konkret zu umschreiben, dass der Anwendungsbereich für den Einzelnen erkennbar ist oder sich durch Auslegung ermitteln läßt. Dies sei bei der betroffenen Vorschrift jedoch nicht der Fall. Weder gesetzlichen noch technischen Vorschriften sei zu entnehmen, welche Eigenschaften Reifen für bestimmte Wetterverhältnisse haben müssen. Das gelte auch für Winterreifen. Der Gesetzgeber habe gerade keine generelle Winterreifenpflicht für die Wintermonate geregelt. Ungeklärt sei insbesondere, ob auch Sommerreifen für winterliche Witterungsverhältnisse im Sinne der Vorschrift geeignet sein können. Sogenannte Sommerreifen würden von vornherein kaum auf Schnee- und Glättetauglichkeit geprüft. Bei einem Winterreifentest im Jahr 2005 seien nur zwei Sommerreifen getestet worden, die sich beim Fahren auf Eis sogar als geeignet erwiesen haben. Für den Bürger sei daher nicht eindeutig erkennbar, welche Reifen als „ungeeignete Bereifung bei winterlichen Wetterverhältnissen“ anzusehen sind. Diese Unklarheit hätte der Gesetzgeber durch eine klare Anordnung vermeiden können. Denkbar sei beispielsweise eine klare Anordnung von Winterreifen bei „Wetterverhältnissen, bei denen Eis und/oder Schnee möglich sind“.

Das Oberlandesgericht konnte ohne Vorlage an das BVerfG selber über die Verfassungsmäßigkeit der Norm entscheiden, da es sich bei § 2 Abs. 3 a StVO um kein formelles Gesetz handelt, sondern um eine sogenannte Rechtsverordnung. Formelle Gesetze werden vom Parlament beraten und verabschiedet, während Rechtsverordnungen von den durch ein formelles Gesetz ermächtigten Exekutivorganen (z.B. Bundesministerien oder Landesregierungen) erlassen werden.

Der betroffene Autofahrer ging im Übrigen nicht „straffrei“ aus. Wegen Fahrens mit nicht angepasster Geschwindigkeit wurde das Bußgeld auf einen Betrag von 50 Euro reduziert. Durch diese Entscheidung wird nicht in Frage gestellt, dass bei winterlichen Temperaturen, insbesondere aber bei Schnee und Eis, M+S Reifen oder Reifen mit Schneeflockensymbol benutzt werden sollten, um Unfälle möglichst zu vermeiden. Wer sich anders verhält, riskiert nicht nur haftungs- und versicherungsrechtliche Nachteile; ihm droht darüber hinaus – vor allem wenn andere bei einem Verkehrsunfall verletzt werden – weiter die Verfolgung wegen einer Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit. Das Fahren mit Sommerreifen im Winter, das zu keiner konkreten Verkehrsgefährdung führt, bleibt aber sanktionslos.

VonHagen Döhl

Übernahme von Geldbußen für angestellte Kraftfahrer kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt

Das LSG Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass die Übernahme von Verwarnungsgeldern durch eine Spedition für ihre LKW-Fahrer kein beitragspflichtiger Arbeitslohn ist.
Das Landessozialgericht hat die im Rahmen einer Betriebsprüfung vom Rentenversicherungsträger getroffene Entscheidung aufgehoben, mit der die von einem Speditionsunternehmen bezahlten Geldbußen u.a. wegen Lenkzeitüberschreitungen der bei ihm beschäftigten Kraftfahrer als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt der jeweiligen Fahrer gewertet worden war.
Im Vordergrund der Übernahme der Geldbußen durch den Arbeitgeber hätten dessen eigenbetriebliche Interessen gestanden. Er hatte die Fahrer angewiesen, unter Außerachtlassung güterverkehrsrechtlicher Bestimmungen, die mit den Kunden vereinbarten Liefertermine unbedingt einzuhalten. Für die Beurteilung der betriebsfunktionalen Zielsetzung der Zuwendungen sei ohne Belang, ob das Verhalten des Arbeitgebers von der Rechtsordnung zu billigen sei.
(LSG Rheinland-Pfalz 20.1.2010 L 6 R 381/08)

VonHagen Döhl

Versicherung muss bei Diebstahl aus Auto auch Schaden am Verdeck bezahlen

Das AG München hat entschieden, dass die Teilkaskoversicherung auch den Schaden ersetzen muss, der während eines Diebstahls aus einem Auto am Auto selbst entsteht, um an das Diebesgut zu gelangen.

Im August 2008 schnitten Diebe auf einem Parkplatz das Verdeck eines Cabrios auf und stahlen aus dem Innenraum eine Jacke. Dem Autobesitzer entstand ein Schaden am Fahrzeug in Höhe von rund 830 €. Nach Abzug seiner Selbstbeteiligung verlangte er 682 € von seiner Versicherung. Diese weigerte sich zu zahlen. Schäden am Kraftfahrzeug, die bei Diebstahl von nicht versichertem Gepäck entstünden, so meinte die Versicherung, seien nicht mitversichert.

Das AG München hat der Klage des Autobesitzers stattgegeben und ihm Schadenersatz zugesprochen.

Nach Auffassung des Gerichts sind nach dem Wortlaut der Versicherungsbedingungen von der Teilkaskoversicherung solche Schäden des Fahrzeugs gedeckt, die durch Diebstahl entstehen. Eine Einschränkung, wie die Versicherung sie vornimmt, nämlich dass nur solche Beschädigungen ersetzt werden, die bei Diebstahl des Fahrzeuges entstehen, gebe der Wortlaut nicht her. Bei den Versicherungsbedingungen handele es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen, die so auszulegen sind, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung und aufmerksamer Durchsicht verstehen muss. Für die Auslegung entscheidend seien der Wortlaut, der verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang. Aus dem Wortlaut ergäbe sich die genannte Einschränkung gerade nicht. Eine solche hätte auch leicht in die Klausel aufgenommen werden können, wenn es der Versicherung darauf ankommt. Schließlich trete dieser Streitpunkt öfters auf und sei den Versicherungen auch bekannt. Es sei auch nicht ersichtlich, warum der Versicherungsschutz bei Diebstählen aus dem Auto nicht greifen soll.

223 C 6889/09

VonHagen Döhl

Kein Mitverschulden für nicht angeschnallte Fahrerin

Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass ein Verstoß gegen die Anschnallpflicht bei einem Verkehrsunfall nicht in jedem Fall zu einer Minderung der Schadensersatzansprüche führen muss.
Im vorliegenden Fall waren eine Autofahrerin und ihre beiden Beifahrer bei einem Verkehrsunfall mit einem entgegenkommenden Fahrzeug schwer verletzt worden; ihr Ehemann sogar so schwer, dass er kurz darauf verstarb. Während des Unfalls war die Fahrerin nicht angeschnallt. Unstrittig ist die Tatsache, dass der Unfallgegner den Zusammenstoß verursacht hatte: Er war innerorts mit einer Geschwindigkeit von ca. 90 km/h gefahren. Auf regennasser Fahrbahn hatte er die Gewalt über sein Fahrzeug verloren, war auf die Gegenfahrbahn geraten und dort mit dem entgegenkommenden Fahrzeug zusammengestoßen. Die Frau war nach mehrmonatigem Krankenhaus- und Rehabilitations-Aufenthalt auf fremde Hilfe angewiesen und hat seit dem Unfall schwere körperliche und seelische Belastungen und Einschränkungen hinzunehmen.
Mit ihrer Klage machte die Frau restliche Ersatzansprüche geltend und forderte neben 40.000 € Schmerzensgeld auch die Erstattung der Kosten für eine Haushaltshilfe sowie Schadensersatz für alle materiellen Schäden. Wesentlicher Streitpunkt zwischen Klägerin und der beklagten Versicherung des Unfallgegners war die Mithaftungsquote der nicht angeschnallten Klägerin. Die Versicherung hatte wegen des Verstoßes gegen die Anschnallpflicht eine Mithaftung der Fahrerin von einem Drittel gefordert. Sie habe den Sicherheitsgurt nicht angelegt, da sie aufgrund ihres Übergewichts Schwierigkeiten beim Anschnallen habe, argumentierte die Klägerin. Die beklagte Versicherung wandte ein, sie hätte durch das Anschnallen einen Großteil der Verletzungen vermeiden können.
Das LG Karlsruhe hat der Klage stattgegeben.
Das OLG Karlsruhe hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen.
Laut Sachverständigen hätten der Klägerin bei angelegtem Gurt ähnlich schwere Verletzungen mit möglicherweise tödlichen Bauchverletzungen gedroht. Rein rechtlich gesehen habe die Klägerin zwar gegen die Anschnallpflicht verstoßen, gegenüber der außerordentlich schwer wiegenden Unfallschuld des Unfallgegners trete die grundsätzliche Mithaftung jedoch zurück. Die beklagte Versicherung habe daher die Schäden der Klägerin in vollem Umfang zu ersetzen.
(OLG Karlsruhe 6.11.2009 14 U 42/08)

VonHagen Döhl

Erhebliche Pflichtverletzung des Verkäufers bei Lieferung eines Fahrzeugs in anderer Farbe

Der BGH hat entschieden, dass die Lieferung eines Kraftfahrzeugs in einer anderen als der bestellten Farbe im Regelfall einen erheblichen Sachmangel und eine erhebliche Pflichtverletzung des Verkäufers darstellt.
Der Beklagte kaufte im März 2005 bei einem in Florida/USA ansässigen Unternehmen einen Pkw Chevrolet Corvette zu einem Preis von rund 55.000 US-Dollar. Das von der Verkäuferin anschließend zur Lieferung angebotene Fahrzeug weist nicht, wie im Vertrag angegeben, eine Lackierung in „Le Mans Blue Metallic“ auf, sondern ist schwarz. Der Beklagte verweigert die Annahme des Fahrzeugs und die Zahlung des Kaufpreises mit der Begründung, die Verkäuferin habe den Vertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt. Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht der Verkäuferin Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Lieferung des Fahrzeugs. Der Käufer ist in den ersten beiden Instanzen verurteilt worden. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung dabei im Wesentlichen darauf gestützt, dass ein Zurückweisungsrecht des Käufers noch vor Lieferung nur dann bestehe, wenn er ein Rücktrittsrecht nach § 323 BGB habe. Dies sei aber gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil die Lieferung einer schwarzen statt einer blauen Corvette keine erhebliche Pflichtverletzung darstelle.
Die dagegen gerichtete Revision des Käufers hatte vor dem BGH Erfolg.
Der BGH hat entschieden, dass die Lieferung eines Kraftfahrzeugs in einer anderen als der bestellten Farbe im Regelfall einen erheblichen Sachmangel und damit auch eine erhebliche Pflichtverletzung gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB darstellt, und zwar auch dann, wenn vom Käufer zunächst auch eine andere Fahrzeugfarbe in Betracht gezogen wurde. Die Lackfarbe bestimme maßgeblich das Erscheinungsbild eines Kraftfahrzeugs und gehöre deshalb für den Käufer zu den maßgeblichen Gesichtspunkten seiner Kaufentscheidung.
Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden, weil aufgrund weiterer Umstände des Falles noch zu klären ist, ob die Kaufvertragsparteien sich nachträglich auf die Lieferung einer schwarzen Corvette geeinigt haben.
(BGH 17.02.2010 VIII ZR 70/07)