Kategorien-Archiv Verkehrsrecht

VonHagen Döhl

Haftung des KfZ- Halters für Fluchtschäden

Der Halter eines Kraftfahrzeuges, der sich der polizeilichen Festnahme durch Flucht unter Verwendung seines Kraftfahrzeuges entzieht, haftet unter dem Gesichtspunkt des Herausforderns sowohl nach § 823 Abs. 1 BGB als auch nach § 7 StVG für einen bei der Verfolgung eintretenden Sachschaden an den ihn verfolgenden Polizeifahrzeugen, wenn dieser Schaden auf der gesteigerten Gefahrenlage beruht und die Risiken der Verfolgung nicht außer Verhältnis zu deren Zweck stehen.
Dies gilt auch in Fällen, in denen der Fahrer eines Polizeifahrzeuges zum Zwecke der Gefahrenabwehr vorsätzlich eine Kollision mit dem fliehenden Fahrzeug herbeiführt, um es zum Anhalten zu zwingen.
Der Anspruch auf Ersatz des dabei an den beteiligten Polizeifahrzeugen entstandenen Sachschadens kann nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG auch als Direktanspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Fluchtfahrzeuges geltend gemacht werden.
(BGH Urteil 31.01.2012, VI ZR 43/11)

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Lackkratzer beim Neuwagen (Transportschaden)

Ein geringfügiger, fachgerecht in Werksqualität beseitigter Lackkratzer eines Neuwagens stellt keinen Sachmangel dar und ist nicht offenbarungspflichtig. Ein solcher Lackschaden steht, wenn er fachgerecht in Werksqualität behoben ist, der Fabrikneuheit des Fahrzeugs nicht entgegen. Anderes gilt, wenn die Reparaturarbeiten nicht in diesem Sinne fachgerecht ausgeführt worden sein sollten. Allein die Tatsache, dass ein Fahrzeug beim Transport beschädigt worden ist, begründet noch keinen Sachmangel (§ 434 BGB).
(OLG Hamm, Urteil vom 17.11.2011 I 28 U 109/11)

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Blutentnahme – Richtervorbehalt; Gefahr im Verzug

Eine Blutentnahme ohne richterliche Anordnung (§ 81 a Abs. 2 StPO) ist rechtswidrig und verletzt den Angeklagten in seinem Recht auf vorbeugenden richterlichen Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz, wenn die wegen einer Trunkenheitsfahrt ermittelnden Polizeibeamten über einen Zeitraum von 60 Minuten hinweg keinerlei Maßnahmen ergriffen haben, den Richter des Notdienstes zu erreichen.
Hinweis: Ein Beweisverwertungsverbot hat das OLG abgelehnt.
(OLG München, Beschluss vom 21.02.2011 – 4 St RR 18/11)

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Keine Mithaftung bei Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot

Bei einem Zusammenstoß eines aus einem Grundstück auf die Straße einfahrenden Fahrzeugs mit einem Pkw des fließenden Verkehrs ist die Annahme einer Alleinhaftung des einfahrenden auch dann nicht zu beanstanden, wenn der bevorrechtigte Fahrzeugführer des fließenden Verkehrs gegen das Rechtsfahrverbot verstößt.
Die Pflichten des aus einem Grundstück einfahrenden Fahrzeugführers gemäß § 10 Satz 1 StVO werden nicht dadurch gemindert, dass der vorfahrtsberechtigte unter Verstoß gegen das Gebot die linke Straßenseite benutzt. Das Vorfahrtsrecht erstreckt sich über die gesamte Breite. Der bevorrechtigte Fahrzeugführer darf sich nach dem verkehrsrechtlichen Grundsatz darauf verlassen, dass sein Vorrang beachtet wird. Dieses Recht, sich auf den Grundsatz zu berufen, büßt der Fahrzeugführer nicht deshalb ein, weil er pflichtwidrig zu weit links gefahren ist. Das Rechtsfahrgebot schützt den gleich gerichteten und entgegenkommenden Verkehr – nicht aber den einbiegenden oder von einem Grundstück einfahrenden Verkehr. Die tatrichterliche Beurteilung, wonach den aus dem Grundstück einfahrenden die alleinige Haftung treffe, ist nach Auffassung des BGH nicht zu beanstanden (BGH 20.09.2011 – VI ZR 282/1).

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Haftung der DEKRA gegenüber BMW-Vertragshändler wegen fehlerhaften Gutachten?

Das OLG Stuttgart hatte zu entscheiden, ob die DEKRA wegen der Erstellung vermeintlich unrichtiger Bewertungsgutachten einem BMW-Vertragshändler zu Schadensersatz verpflichtet ist.

Mehrere BMW-Vertragshändler (Kläger) machten gegenüber dem DEKRA e.V. und sein Tochterunternehmen, die DEKRA Automobil GmbH, eine Sachverständigenorganisation (Beklagte), Schadensersatzansprüche wegen der Erstellung von – behauptet – fehlerhaften Gutachten im Zusammenhang mit dem Rückkauf gebrauchter Leasingfahrzeuge der BMW-Gruppe geltend. Sie hätten dadurch überhöhte Kaufpreiszahlungen an die BMW Leasing GmbH geleistet und so Schäden von mehreren hunderttausend Euro erlitten.

Die Kläger haben mit der BMW Leasing GmbH eine Vereinbarung, die u.a. eine Verpflichtung der Vertragshändler enthält, nach der Beendigung der vermittelten Leasingverträge die zurückgegebenen Fahrzeuge, die sog. Leasingrückläufer, von der BMW Leasing GmbH zurückzukaufen. Bei der Berechnung des Kaufpreises wird maßgeblich auf den Händlereinkaufspreis abgestellt, der nach der genannten Vereinbarung von der DEKRA aufgrund des Baujahres und der tatsächlich gefahrenen Kilometer, aber ohne Berücksichtigung des jeweiligen Fahrzeugzustandes im Auftrag der BMW Leasing GmbH ermittelt wird. Grundlage der Mitwirkung der DEKRA bei der Ermittlung des Händlereinkaufspreises ist ein EDV-Verbund-Vertrag mit der BMW Leasing GmbH zur Einrichtung einer Datenfernleitung zwischen der BMW Leasing GmbH und dem Hausrechner der DEKRA, über die die BMW Leasing GmbH selbst sog. „BMW-Leasing-Kurzbewertungen“ zum Zwecke der Abrechnung von Leasingverträgen erstellen können sollte. Vor diesem Hintergrund wurden die streitgegenständlichen sog. „Bewertungsgutachten/Rechendaten“ erstellt, auf deren Grundlage die BMW Leasing GmbH ihr Andienungsrecht ausübte und mit den BMW-Vertragshändlern entsprechende Kaufverträge über die jeweiligen Fahrzeuge schloss.

Der Streit der Parteien drehte sich im Wesentlichen um die Frage, ob der EDV-Verbund-Vertrag die Erstellung von Gutachten seitens der DEKRA für die BMW Leasing GmbH beinhaltet, und ob dieser Vertrag Schutzwirkung auch zugunsten der Vertragshändler entfaltet. Das Oberlandesgericht erkannte in dem Rechtsstreit den Charakter eines „Musterprozesses“ auch für zahlreiche weitere BMW-Vertragshändler.
Mit Urteil des LG Stuttgart vom 19.05.2011 war den Klagen zunächst dem Grunde nach stattgegeben worden. Hiergegen richteten sich die nun erfolgreichen Berufungen der Beklagten.

Das OLG Stuttgart hat die Klagen der BMW-Vertragshändler abgewiesen.

Das Oberlandesgericht sah eine Haftung der DEKRA wegen der Erstellung vermeintlich unrichtiger Bewertungsgutachten weder nach den Grundsätzen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter noch aus einer Haftung nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung als gegeben an.

Für eine Haftung der Beklagten nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter fehlte es nach Ansicht des Oberlandesgerichts an einer Schutzbedürftigkeit der Kläger, da sie eigene gleichwertige vertragliche Ansprüche gegenüber der BMW Leasing GmbH hätten, welche auf die Anpassung der jeweiligen Kaufverträge in Bezug auf die Höhe der einzelnen Kaufpreise gerichtet seien. Bei den von den Beklagten erstellten Gutachten handle es sich unter Zugrundelegung des Sachvortrags der Kläger um sog. Schiedsgutachten, bei denen der Schiedsgutachter Tatsachen oder Tatbestandsmerkmale verbindlich feststellen solle, die für die Leistungspflicht relevant sind. Sollten diese – wie von den Klägern behauptet – an „offenbarer Unrichtigkeit“ leiden, so folge daraus die Unverbindlichkeit der getroffenen Bestimmung mit der weiteren Folge, dass die Bestimmung des richtigen Preises dann gemäß § 319 Abs. 1 Satz 2 BGB durch ein Urteil erfolge. Bei diesem Anspruch der BMW-Vertragshändler gegenüber der BMW Leasing GmbH, der im Ergebnis eine Anpassung der Kaufverträge im Hinblick auf den – behaupteten – „richtigen“ Kaufpreis zur Folge haben würde, handle es sich nach Auffassung des Oberlandesgerichts um einen gleichwertigen vertraglichen Anspruch, welcher die Schutzbedürftigkeit der Kläger im Sinne der Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter entfallen lässt.

Eine Inanspruchnahme der Beklagten konnte – entgegen der Auffassung der Kläger – auch nicht auf eine deliktische Haftung gemäß § 826 BGB gestützt werden. Zwar kann ein Sachverständiger, der ein fehlerhaftes Gutachten erstellt hat, gegenüber dem Auftraggeber oder gegenüber einem in den Schutzbereich einbezogenen Dritten nach § 826 BGB haften, wenn er bei der Erstellung des Gutachtens leichtfertig und gewissenlos und mindestens mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Allerdings vermochte sich das Oberlandesgericht aufgrund der Aktenlage und der vom Landgericht getätigten Beweisaufnahme jedoch nicht mit der notwendigen Gewissheit davon zu überzeugen, dass den Beklagten eine (bedingt) vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Kläger zur Last zu legen ist.

Revisionen zum BGH wurden nicht zugelassen.

(OLG Stuttgart 20.12.2011 6 U 107/11)

VonHagen Döhl

Schuldanerkenntnis am Unfallort

Schuldanerkenntnis am Unfallort

Zur Frage, welche Rolle das Schuldanerkenntnis am Unfallort in der Praxis spielt, hat sich das OLG Saarbrücken geäußert, es unterstreicht die herrschende Ansicht, wonach hierin weder ein konstitutives also abstraktes Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB, noch ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu sehen ist. Eine Umkehrung der Beweislast könne nur angenommen werden, wenn dem Erklärenden auch aus der Sicht eines Laien die Tragweite der Erklärung bewusst war, was in der Regel bei einer schriftlichen Erklärung nicht der Fall ist. Fehlt es hieran, weigert sich der Unfallbeteiligte sogar, eine vom Unfallgegner gefertigte Erklärung zu unterschreiben und gibt nur eine mündliche Schilderung des Unfallgeschehens ab, greife eine umkehrende Beweislast nicht ein.
(OLG Saarbrücken in NJW 2011, 1820 = VRR 2011, 228)

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Geschwindigkeitsmessung in der Nähe der Geschwindigkeitsbegrenzung

Aus der StVO-Regelung über Vorschriftszeichen folgt, dass ein Kraftfahrer seine Geschwindigkeit so einzurichten hat, dass er bereits beim Passieren eines die Geschwindigkeit begrenzenden Schildes, die von diesem vorgeschriebene Geschwindigkeit einhalten kann. Ein relativ kurzer Abstand zwischen Geschwindigkeitsbegrenzung und Messstelle kann Auswirkungen auf die gegen den Betroffenen zu verhängenden Rechtsfolgen haben; dies ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn der Geschwindigkeitsbegrenzung ein so genannter Geschwindigkeitstrichter vorausgeht, durch den sich der Kraftfahrer stufenweise einer verringerten Geschwindigkeit anzupassen hat (§ 3 StVO).
(OLG Koblenz, Beschluss vom 24.03.2011 – 2 SsBs 154/10)

VonHagen Döhl

Erstattung von Sachverständigenkosten nach Autounfall

Das AG München hat am 29.3.2011 entschieden(343 C 20721/10), dass es für die Frage, ob der Unfallgeschädigte einen Anspruch auf Erstattung der gesamten Sachverständigenkosten hat, darauf ankommt, ob dem Geschädigten der Vorwurf gemacht werden kann, er hätte sich einen billigeren Sachverständigen suchen müssen.
Im Juni 2010 musste der Fahrer eines Skoda Fabia Combi in der Wasserburger Landstraße in München verkehrsbedingt bremsen. Das hinter ihm fahrende Auto fuhr darauf hin auf seinen PKW auf. Der Autobesitzer wandte sich an seine Reparaturwerkstatt. Diese empfahlen ihm zwei Sachverständige. Einer der Sachverständigen ermittelte dann die Reparaturkosten und die Wertminderung für das Auto und verlangte selbst 653,94 Euro Honorar. Die Versicherung des Unfallverursachers war auch bereit, die Wertminderung und die Reparaturkosten in Höhe von 2.150 Euro zu bezahlen. Allein bei den Sachverständigenkosten stellte sie sich quer. Diese seien zu hoch, fand sie und erstattete nur 189,50 Euro.
Der Fahrer des Skoda erhob darauf hin Klage vor dem AG München.
Das AG München hat seiner Klage stattgegeben und hat ihm die restlichen 464,44 Euro zugesprochen.
Nach Auffassung des Amtsgerichts kann ein Geschädigter im Zusammenhang mit der Schadensregulierung die Kosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig und notwendig halten darf. Dies bedeute, dass er nicht nur das verlangen könne, was objektiv erforderlich sei, sondern auch das, was er in seiner konkreten Situation für erforderlich halten durfte. Demzufolge komme es auch hier nicht darauf an, ob das von dem Sachverständigen in Rechnung gestellte Honorar objektiv ortsüblich und angemessen sei, sondern ob dem Kläger der Vorwurf gemacht werden könne, er habe bei der Auswahl des Sachverständigen seine Schadensminderungspflicht verletzt.
Im vorliegenden Fall habe der Kläger sich an seine Reparaturwerkstatt gewandt, die ihm zwei Sachverständige empfohlen habe. Für einen der beiden habe er sich entschieden. Damit habe sich der Kläger so verhalten, wie es vermutlich die meisten Unfallgeschädigten täten, die mit der Materie nicht so vertraut seien.
Darüber hinaus gäbe es ein „übliches“ Sachverständigenhonorar nicht. Ein Großteil der Sachverständigen würde dieses nach der Schadenshöhe bestimmen, ein Teil mache ein Zeithonorar geltend. Da es sich bei einem Sachverständigenhonorar um einen Werkvertrag handele, müsse ein bestimmtes Honorar auch nicht im vornherein vereinbart werden. Vereinbart sei im Zweifel immer die übliche Vergütung. Lediglich für den Fall, dass der in Rechnung gestellte Betrag für jeden Laien klar ersichtlich völlig außer Verhältnis zum Schaden stehe, habe der Geschädigte die Verpflichtung, diesen zu monieren.
Das Urteil ist rechtskräftig.

VonHagen Döhl

Haftung für einen Steinschlagschaden

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Gefährdungshaftung nach § 7 Absatz 1 StVG sind erfüllt, wenn ein Stein nachweislich infolge der Fahrt des vorausfahrenden Kraftfahrzeugs in Bewegung gesetzt wurde und dieser sodann beim Auftreffen die Frontscheibe des nachfolgenden Fahrzeugs beschädigt hat. In diesem Fall obliegt dem durch den Steinschlag Geschädigten nicht zusätzlich die Darlegung und der Beweis der „genauen Art und Weise der Schadensverursachung“.
Die Frage, ob der Stein von den Rädern des vorausfahrenden Fahrzeugs aufgewirbelt wurde oder von seiner unzureichend gesicherten Ladefläche herabgefallen ist, ist vielmehr nur für die Frage eines Haftungsausschlusses nach § 17 Absatz 2, 3 StVG (unabwendbares Ereignis) relevant. Die Darlegungs- und Beweislast trägt insoweit der Halter des vorausfahrenden Fahrzeugs.
(LG Heidelberg 21.10.2011Aktenzeichen:5 S 30/11)

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Abrechnung des Leasingvertrages – Berechnung des Minderwertausgleichs

Einen Minderwertausgleich, den der Leasinggeber nach regulärem Vertragsablauf wegen einer über normale Verschleißerscheinungen hinausgehenden Verschlechterung der zurückgegebenen Leasingsache vom Leasingnehmer beanspruchen kann, ist ohne Umsatzsteuer zu berechnen, denn es steht keine steuerbare Leistung des Leasinggebers gegenüber, so dass der Leasinggeber darauf keine Umsatzsteuer zu entrichten hat.
(BGH-Urteil vom 18.05.2011 – VIII ZR 216/10)