Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Was ist eigentlich Mobbing?

Sowohl das Bundesarbeitsgericht als auch der Gesetzgeber haben den Begriff Mobbing definiert und damit justitiabel gemacht. Das Bundesarbeitsgericht hat den Begriff Mobbing zunächst umschrieben als „das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern“. Inzwischen definiert der Gesetzgeber im allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) den Begriff „Mobbing“ als Belästigung. Als Mobbing gilt, wenn durch unerwünschte Verhaltensweisen die Würde der betroffenen Person verletzt oder ein von Einschüchterung, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

Ist man leitender Angestellter, weil dies im Arbeitsvertrag so definiert ist?

Damit ein angestellter als „leitender Angestellter“ im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes und des Betriebsverfassungsgesetzes angesehen wird, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

1. Der Angestellte muss von seiner Stellung im Unternehmen her einem Geschäfts- oder Betriebsleiter zumindest ähnlich sein; er muss eine Vorgesetztenstellung inne haben und unternehmerische Führungsaufgaben wahrnehmen.

2. Der Angestellte muss berechtigt sein, selbständig Arbeitnehmer einzustellen oder zu entlassen. Und diese so genannte Personalkompetenz darf nicht nur auf dem Papier stehen, sondern muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit ausmachen. Einen Anteil von nur 1% an der Gesamtarbeitszeit reicht hierfür nicht aus, so das Bundesarbeitsgericht.
(BAG Urteil vom 10.10.2002 – 2 AZR 598/01)

VonHagen Döhl

Reisezeit ist gleich Arbeitszeit?

Die Reisezeit zu einem auswärtigen Termin ist in der Regel keine Arbeitszeit. Das sieht nur dann anders aus, wenn die Wegezeit notwendiger Teil der Arbeitspflichten ist, wie etwa die Fahrtzeit zum Kunden bei einem Außendienstler (BAG, Urteil vom 22.04.2009 – 5 AZR 292/08).
Wer während der Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln Termine oder Ähnliches vorbereiten muss, der arbeitet allerdings. Dann ist die Reisezeit auch vergütungspflichtige Arbeitszeit (BAG Urteil vom 11.07.2006 – 9 AZR 519/05).
Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber Einfluss darauf nimmt, dass gearbeitet wird. Im Einzelfall können sich allerdings Nachweisprobleme ergeben.

VonHagen Döhl

Teilnahmepflicht an Personalgesprächen?

Ein Mitarbeiter muss Weisungen entgegen nehmen, die im Zusammenhang mit Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung stehen oder sich auf „die Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb“ beziehen (§ 106 Satz 1, 2 GewO).
Daraus folgt im Umkehrschluss, dass der Mitarbeiter nicht verpflichtet ist, an Personalgesprächen mit jedwedem Inhalt teilzunehmen. Allerdings dürfte sich bei dieser Argumentation eine wenig gedeihliche Beziehung zu Vorgesetzten entwickeln.
Ein Mitarbeiter muss auch gerade nicht an einem Personalgespräch teilnehmen, in dem es ausschließlich um die Verhandlungen über eine Änderung des Arbeitsvertrages geht. Verhandlungen über den Inhalt des Arbeitsvertrages können vom Arbeitgeber nicht einseitig angeordnet werden – selbst wenn sie während der Arbeitszeit stattfinden sollen. Weigert der Arbeitnehmer sich, ist eine deswegen erteilte Abmahnung unwirksam (BAG Urteil vom 23.06.2009 2 AZR 606/088).

VonHagen Döhl

Zugang einer Kündigungserklärung bei Übergabe an Ehegatten außerhalb der Wohnung

Das BAG hatte darüber zu entscheiden, ob die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wirksam zugegangen ist, wenn das Kündigungsschreiben an den Ehegatten des Arbeitnehmers außerhalb der Wohnung übergeben wird.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 03.02.2003 als Assistentin der Geschäftsleitung beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung. Nach einem Konflikt verließ die Klägerin am 31.01.2008 ihren Arbeitsplatz. Mit einem Schreiben vom selben Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 29.02.2008. Das Kündigungsschreiben ließ sie durch einen Boten dem Ehemann der Klägerin überbringen, dem das Schreiben am Nachmittag des 31.01.2008 an seinem Arbeitsplatz in einem Baumarkt übergeben wurde. Der Ehemann der Klägerin ließ das Schreiben zunächst an seinem Arbeitsplatz liegen und reichte es erst am 01.02.2008 an die Klägerin weiter.
Mit ihrer Klage wollte die Klägerin festgestellt wissen, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht mit dem 29.02.2008, sondern erst nach Ablauf der Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende mit dem 31.03.2008 beendet worden ist. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen.
Die Revision der Klägerin hatte vor dem BAG keinen Erfolg.
Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wird als Willenserklärung unter Abwesenden nach § 130 Abs. 1 BGB erst wirksam, wenn sie dem Kündigungsgegner zugegangen ist. Der Kündigende trägt das Risiko der Übermittlung und des Zugangs der Kündigungserklärung. Diese ist erst dann zugegangen, wenn sie so in den Machtbereich des Arbeitnehmers gelangt ist, dass dieser unter gewöhnlichen Umständen unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen kann. Wird das Kündigungsschreiben einer Person übergeben, die mit dem Arbeitnehmer in einer Wohnung lebt und die aufgrund ihrer Reife und Fähigkeiten geeignet erscheint, das Schreiben an den Arbeitnehmer weiterzuleiten, ist diese nach der Verkehrsanschauung als Empfangsbote des Arbeitnehmers anzusehen. Dies ist in der Regel bei Ehegatten der Fall. Die Kündigungserklärung des Arbeitgebers geht dem Arbeitnehmer allerdings nicht bereits mit der Übermittlung an den Empfangsboten zu, sondern erst dann, wenn mit der Weitergabe der Erklärung unter gewöhnlichen Verhältnissen zu rechnen ist.
Nach Auffassung des BAG ist das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 622 Abs. 2 Nr. 1 BGB nach Ablauf der Kündigungsfrist von einem Monat zum 29.02.2008 beendet worden, da das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 31.01.2008 der Klägerin noch am selben Tag zugegangen ist. Nach der Verkehrsanschauung wäre der Ehemann der Klägerin bei der Übergabe des Kündigungsschreibens am Nachmittag des 31.01.2008 Empfangsbote. Dem stehe nicht entgegen, dass das Schreiben dem Ehemann der Klägerin an seinem Arbeitsplatz in einem Baumarkt und damit außer halb der Wohnung übergeben würde. Entscheidend sei, dass unter normalen Umständen nach der Rückkehr des Ehemanns in die gemeinsame Wohnung mit einer Weiterleitung des Kündigungsschreibens an die Klägerin noch am 31.01.2008 zu rechnen wäre.
(BAG 9.06.2011 6 AZR 687/09)

VonHagen Döhl

Tarifunfähigkeit der CGZP auch für Vergangenheit

Das ArbG Berlin hat entschieden, dass die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP) auch in der Vergangenheit nicht tariffähig war.

Das BAG hatte durch Beschluss vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) festgestellt, dass die CGZP im Zeitpunkt der Entscheidung nicht tariffähig war. Die CGZP sei keine Spitzenorganisation nach § 2 Abs. 3 TVG, weil sich ihre Mitgliedsgewerkschaften nicht im Umfang ihrer Tariffähigkeit zusammengeschlossen haben. Außerdem gehe der in der Satzung der CGZP festgelegte Organisationsbereich für die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinaus.

Das ArbG Berlin hat nun festgestellt, dass die CGZP auch in der Vergangenheit, nämlich am 29.11.2004, am 19.06.2006 und am 09.07.2008 nicht tariffähig war und keine Tarifverträge abschließen konnte.

Das Arbeitsgericht hat sich dabei der Begründung des Beschlusses des BAG angeschlossen. Leiharbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse auf der Grundlage zu den genannten Zeitpunkten abgeschlossener „Tarifverträge“ abgewickelt würden, könnten möglicherweise im Nachhinein eine Gleichstellung mit vergleichbaren Arbeitnehmern der Entleiher verlangen. Dies könne zu erheblichen Nachforderungen führen.

Der Beschluss des Arbeitsgerichts ist nicht rechtskräftig. Er kann mit der Beschwerde vor dem LArbG Berlin angefochten werden.
(ArbG Bewrlin, 30.05.2011 – 29 BV 13947/10)

VonHagen Döhl

Verhältnis der sozialen Auswahlkriterien „Unterhaltspflicht“ und „Alter“ bei betriebsbedingter Kündigung

Das LArbG Köln hatte zu entscheiden, welchem von zwei vergleichbaren Arbeitnehmern bei Wegfall eines Arbeitsplatzes unter sozialen Gesichtspunkten gekündigt werden kann („soziale Auswahl“).
§ 1 Abs. 3 KSchG besagt, dass der Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung die betroffenen Arbeitnehmer unter Berücksichtigung von Betriebszugehörigkeitszeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und einer eventuellen Schwerbehinderung auswählen muss. In der Rechtsprechung ist weitgehend ungeklärt, wie diese Kriterien untereinander zu gewichten sind.
Der Fall betraf zwei etwa gleich lang beschäftigte verheiratete Führungskräfte in der Metallverarbeitung, von denen der eine 35 Jahre alt war und zwei Kinder hatte, der andere 53 Jahre alt und kinderlos.
Das LArbG Köln hat entschieden, dass die Kündigung des älteren Arbeitnehmers unwirksam war, weil der jüngere Arbeitnehmer im Gegensatz zum älteren viel bessere Chancen hatte, alsbald eine neue Arbeit zu finden, sodass mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Unterhaltpflichten für die Kinder gar nicht beeinträchtigt gewesen wären.
(LAG Köln 18.02.2011 4 Sa 1122/10)

VonHagen Döhl

Freistellung unter Anrechnung auf Urlaubsanspruch

Das BAG hat entschieden, dass die Erklärung eines Arbeitgebers, einen Arbeitnehmer unter Anrechnung auf dessen Urlaubsansprüche nach der Kündigung von der Arbeitsleistung freizustellen, nach den §§ 133, 157 BGB aus Sicht des Arbeitnehmers auszulegen ist.

Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Bankunternehmen, als Angestellter mit einem jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen beschäftigt. Mit Schreiben vom 13.11.2006 erklärte die Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum 31.03.2007. Gleichzeitig stellte sie den Kläger „ab sofort unter Anrechnung Ihrer Urlaubstage von Ihrer Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge“ frei. In dem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess entschied das Arbeitsgericht mit rechtskräftigem Urteil, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung der Beklagten nicht beendet worden. Der Kläger macht Resturlaub aus dem Jahr 2007 geltend. Er vertritt die Auffassung, die Beklagte habe ihm während der Kündigungsfrist neben dem aus 2006 resultierenden Urlaub allenfalls 7,5 Tage Urlaub für das Jahr 2007 gewährt. Dies entspreche dem Teilurlaub, den er nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG im Zeitraum vom 01.01. bis zum 31.03.2007 erworben habe.
Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.

Das BAG hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und der Klage stattgegeben.

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BUrlG legt der Arbeitgeber den Urlaub zeitlich fest. Die Erklärung eines Arbeitgebers, einen Arbeitnehmer unter Anrechnung auf dessen Urlaubsansprüche nach der Kündigung von der Arbeitsleistung freizustellen, ist nach den §§ 133, 157 BGB aus Sicht des Arbeitnehmers auszulegen.

Nach Auffassung des BAG erfolgt die Freistellung des Arbeitnehmers zum Zwecke der Gewährung von Erholungsurlaub durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Arbeitgebers. Die Erklärung müsse für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennen lassen, in welchem Umfang der Arbeitgeber die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers erfüllen will. Zweifel gingen zu Lasten des Arbeitgebers. Denn als Erklärender habe er es in der Hand, den Umfang der Freistellung eindeutig festzulegen. Im Streitfall konnte der Kläger der Freistellungserklärung der Beklagten nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen, ob die Beklagte u.a. den vollen Urlaubsanspruch für das Jahr 2007 oder lediglich den auf den Zeitraum vom 01.01. bis zum 31.03.2007 entfallenden Teilurlaubsanspruch erfüllen wollte.

(BAG 17.5.2011 9 AZR 189/10)

VonHagen Döhl

Verweisung auf eine vom Arbeitgeber einseitig verfasste Arbeitsordnung

Wird in einem Arbeitsvertrag auf eine vom Arbeitgeber verfasste Arbeitsordnung in der jeweils geltenden Fassung Bezug genommen, ist die Verweisungsklausel in der Regel teilbar und nur bezüglich der vorbehaltenen Änderung unwirksam.
Fehlt eine Vereinbarung über die Höhe der Vergütung des Arbeitnehmers oder ist die Vereinbarung unwirksam, ist als übliche Vergütung im Sinne von § 612 Abs. 2 BGB nicht die vom Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern gezahlte Vergütung, sondern die verkehrsübliche Vergütung in dem vergleichbaren Wirtschaftskreis maßgeblich.
(BAG 24.02.2011 – 6 AZR 634/09)

VonHagen Döhl

Versetzung – Billiges Ermessen

Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Versetzung an einen anderen Tätigkeitsort, die auf Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß §§ 305 ff. BGB beruht, ist zunächst durch Auslegung der Bestimmungen festzustellen, ob ein Tätigkeitsort vertraglich festgelegt ist und welchen Inhalt ein gegebenenfalls vereinbarter Versetzungsvorbehalt hat.
Im Rahmen der Auslegung ist zu beachten, dass die Bestimmung eines bestimmten Ortes der Tätigkeit in Kombination mit einer durch Vertragsvorbehalt geregelten Einsatzmöglichkeit im gesamten Unternehmen regelmäßig die vertragliche Beschränkung auf den im Vertrag genannten Ort der Arbeitsleistung verhindert.
(BAG 19.01.2011 – 10 AZR 738/09)

VonHagen Döhl

Dienstwagen – Privatnutzung – Arbeitsunfähigkeit

Die Überlassung eines Firmenwagens „auch zur privaten Nutzung“ stellt einen geldwerten Vorteil und Sachbezug dar. Sie ist regelmäßig zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung. Damit ist sie nur solange geschuldet, wie der Arbeitgeber überhaupt Arbeitsentgelt leisten muss, und sei es – wie im Falle der Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit – ohne Erhalt einer Gegenleistung.
Es kann dahinstehen, ob der Arbeitgeber gemäß § 241 Abs. 2 BGB gehalten ist, die Herausgabe des Firmen-Pkw durch den Arbeitnehmer erst nach Ablauf einer Mindestankündigungsfrist verlangen zu dürfen. Der Arbeitgeber ist bei Nichteinhaltung einer Ankündigungsfrist nicht nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine Nutzungsausfallentschädigung zu zahlen. Er hat dann den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass der Arbeitnehmer sich auf den Nutzungsentzug nicht rechtzeitig hat einstellen können: Das ist eine Art Verfrühungsschaden, der bei Einhaltung der Ankündigungsfrist hätte vermieden werden können.
(BAG 14.12.2010 – 9 AZR 631/09)