Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Seit Januar 2012 Mindestlohn in der Zeitarbeit

Für die Zeitarbeit, das Dachdeckerhandwerk und die Gebäudereinigung gelten seit Januar 2012 neue Lohnuntergrenzen.

Es gelten für die Zeitarbeit folgende Mindestlöhne:

• vom 01.01.2012 bis zum 31.10.2012

a) in den neuen Ländern: 7,01 Euro,
b) in den übrigen Bundesländern: 7,89 Euro

• vom 01.11.2012 bis zum 31.10.2013

a) in den neuen Ländern: 7,50 Euro,
b) in den übrigen Bundesländern: 8,19 Euro.

Dachdecker-Mindestlohn gilt fort

Im Dachdecker- und Gebäudereinigungshandwerk existierten bereits Mindestlöhne. Hier erlässt das Bundesarbeitsministerium Folgeverordnungen. Für das Dachdeckerhandwerk und für die Gebäudereinigung laufen die noch geltenden Verordnungen jeweils bis zum Ende dieses Jahres.
Die neuen Verordnungen gelten somit ab dem 01.01.2012 bis zum 31.12.2013.

Die neuen Mindestlöhne im Dachdeckerhandwerk:
a) Im Jahr 2012 bundesweit einheitlich: 11 Euro
b) Im Jahr 2013 bundesweit einheitlich: 11,20 Euro

Die neuen Mindestlöhne in der Gebäudereinigung:
a) Im Jahr 2012:
In Westdeutschland einschließlich Berlin: 8,82 Euro (Lohngruppe 1) und 11,33 Euro (Lohngruppe 6),
in den neuen Ländern: 7,33 Euro (Lohngruppe 1) und 8,88 Euro (Lohngruppe 6).
b) Im Jahr 2013:
In Westdeutschland einschließlich Berlin: 9,00 Euro (Lohngruppe 1) und 11,33 Euro (Lohngruppe 6),
in den neuen Ländern: 7,56 Euro (Lohngruppe 1) und 9,00 Euro (Lohngruppe 6).

VonHagen Döhl

„Doppelt genäht, hält nicht unbedingt besser“ – Fehlerquellen bei Ansprüchen aus betrieblicher Übung

Bei einer Verknüpfung von Freiwilligkeitsvorbehalt und Widerrufsvorbehalt in einem Arbeitsvertrag wird für den Arbeitnehmer nicht hinreichend deutlich, dass trotz mehrfacher, ohne weitere Vorbehalte erfolgter Sonderzahlungen ein Rechtsbindungswille des Arbeitgebers für die Zukunft ausgeschlossen bleiben soll.
(BAG-Urteil vom 08.12.2010 – 10 AZR 671/09)

Jeder Anspruch bedarf einer entsprechenden Anspruchsgrundlage. Gewährt der Arbeitgeber in drei aufeinander folgenden Jahren ein Weihnachtsgeld, ohne dazu kraft Gesetzes oder Rechtsgeschäft verpflichtet zu sein, haben seine Arbeitnehmer gleichwohl unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung im vierten Jahr einen Rechtsanspruch auf die Zahlung (BAG NJW 1963,1893). Um hinsichtlich der Leistungsgewährung flexibel zu bleiben, z.B. auf eine Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen reagieren zu können, kann der Arbeitgeber die Leistungsgewährung mit einem Freiwilligkeits- oder einem Widerrufsvorbehalt verbinden.
Der Freiwilligkeitsvorbehalt schließt den Rechtsanspruch aus, während ein Widerrufsvorbehalt die Anspruchsentstehung nicht hindert, sondern dem Arbeitgeber nur die Möglichkeit gibt, einen bestehenden Anspruch unter bestimmten Voraussetzungen zu beseitigen. Dass „doppelt genäht, nicht unbedingt besser hält“, zeigt die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 08.12.2010, in der das Bundesarbeitsgericht erstmals zu der Frage Stellung bezieht, welche Auswirkungen die Vereinbarung eines Widerrufsvorbehaltes auf einen daneben geregelten Freiwilligkeitsvorbehalt hat.
Um den vom Senat aufgestellten Anforderungen gerecht zu werden, sollte der Arbeitgeber nicht unsachgemäß doppelt, sondern rechtssicher dreifach nähen und ausdrücklich darauf hinweisen, dass

1. geldwerte Leistungen, zu denen er nach Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag verpflichtet ist, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erbracht werden;

2. aus der tatsächlichen Erbringung solcher geldwerten Leistungen keine Rechtsansprüche für die Zukunft hergeleitet werden können;

3. dies auch dann gilt, wenn die Leistung mehrfach und ohne ausdrücklichen Hinweis darauf erfolgt, dass aus der Leistung Rechtsansprüche für die Zukunft nicht entstehen können.

VonHagen Döhl

„Equal-Pay“ in Zeitarbeit nicht für Forderungen vor Dezember 2010

Das LArbG Düsseldorf hatte über „Equal-Pay“-Ansprüche eines Leiharbeitnehmers zu entscheiden.

Der Kläger ist bei einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt und als Ableser im Kundenaußendienst eines großen Energieunternehmens eingesetzt. Die dem Arbeitsverhältnis zugrunde liegenden tariflichen Regelungen waren zunächst mit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservicagenturen (CGZP) abgeschlossen worden, der das BAG am 14.12.2010 (1 ABR 19/10) die Fähigkeit abgesprochen hat, wirksam Tarifverträge zu schließen. Am 26.04.2010 hatten die Parteien eine Zusatzvereinbarung abgeschlossen, wonach auf das Arbeitsverhältnis die zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) und den Einzelgewerkschaften des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB) geltenden Tarifverträge Anwendung finden.

Der Kläger ist der Ansicht, es fehle für den Zeitraum von 2007 bis Februar 2011 an einem wirksamen Zeitarbeitstarifvertrag. Er habe daher Anspruch auf Zahlung von Differenzvergütungen in Höhe von insgesamt 43.620,87 Euro (Restvergütungen, Überstundenzuschläge, 13. Monatsgehältern und tariflichen Einmalzahlungen) entsprechend der Vergütung eines von dem Energieunternehmen selbst beschäftigten Ablesers.
Das ArbG Düsseldorf hat seine Klage abgewiesen.

Auch mit seiner Berufung hatte der Kläger vor dem LArbG Düsseldorf keinen Erfolg.

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts sind die Ansprüche des Klägers bis Ende 2009 wegen der wirksamen Ausschlussfrist des durch die Zusatzvereinbarung in Bezug genommenen Manteltarifvertrags zwischen der AMP und den Einzelgewerkschaften des CGB (MTV) verfallen. Der MTV sei ein mehrgliedriger Tarifvertrag. Selbst wenn die CGZP tarifunfähig sei, gelte dies nicht für die Einzelgewerkschaften des CGB. Die Ausschlussfrist habe zudem nicht erst ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des BAG vom 14.12.2010 (1 ABR 19/10) zu laufen begonnen. Ab dem Jahre 2010 bestehe ein mit den Einzelgewerkschaften der CGB wirksam vereinbarter Zeitarbeitstarifvertrag. Diese Entscheidung hat das LArbG Düsseldorf bestätigt.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zum BAG zugelassen.

(LArbG Düsseldorf 8.12.2011 11 Sa 852/11)

VonHagen Döhl

Eingruppierung nach Tarifvertrag

Regelungen im Arbeitsvertrag nicht immer verbindlich!

Wer in einem Unternehmen beschäftigt ist, in dem ein Tarifvertrag anwendbar ist, findet in seinem Arbeitsvertrag häufig auch eine Regelung darüber, in welche Vergütungsgruppe er nach dem Tarifsystem eingruppiert ist.
Bei der Einführung neuer Tarife während der Dauer eines Arbeitsverhältnisses teilt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Eingruppierung in der Regel mit.

Ist diese Eingruppierung aber immer verbindlich?

Eingruppierungen in ein Tarifsystem sind nicht immer richtig. Die zutreffende Eingruppierung erfolgt nach den vom Tarifsystem vorgegebenen Eingruppierungsmerkmalen. Diese knüpfen in der Regel an die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit und seine Qualifikation an.
In den meisten Fällen wollen die Vertragsparteien, wenn sie im Arbeitsvertrag auf eine bestimmte Vergütungsgruppe des Tarifvertrages Bezug nehmen, dass der Arbeitnehmer ausschließlich entsprechend derjenigen Vergütungsgruppe bezahlt wird, die seiner Tätigkeit objektiv entspricht. Die Nennung einer bestimmten Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag oder in der Mitteilung des Arbeitgebers über die Eingruppierung ist daher dann nicht verbindlich, wenn anhand der Eingruppierungsmerkmale aus dem Tarifvertrag richtigerweise eine andere Vergütungsgruppe heranzuziehen gewesen wäre.

Ergibt eine Überprüfung anhand der Eingruppierungsmerkmale des Tarifvertrages, dass die ursprünglich vorgenommene Eingruppierung fehlerhaft war (falsche Vergütungsgruppe), kann der Arbeitgeber (bei zu hoher Eingruppierung) eine so genannte korrigierende Rückgruppierung vornehmen. Andererseits kann der Arbeitnehmer (bei zu niedriger Eingruppierung) die Vergütung nach der (zutreffenden) höheren Vergütungsgruppe beanspruchen.
Können sich die Arbeitsvertragsparteien über die richtige Vergütungsgruppe nicht einigen, kann das Arbeitsgericht angerufen werden, das darüber entscheidet, welche Vergütungsgruppe richtigerweise anzuwenden ist.

Nur dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien ersichtlich gewollt haben, dass der Arbeitnehmer nach einer bestimmten Vergütungsgruppe bezahlt werden soll – und zwar unabhängig davon, ob seine Tätigkeit dieser Vergütungsgruppe entspricht oder nicht – ist die Vereinbarung einer bestimmten Vergütungsgruppe im Arbeitsvertrag verbindlich.

Es empfiehlt sich also unter Heranziehung der Eingruppierungsregelungen des Tarifvertrages zu überprüfen, ob die Vergütungsgruppe, nach der die Bezahlung des Arbeitnehmers erfolgt, die richtige ist.
Da die Eingruppierungsregelungen häufig kompliziert sind, sollte dies unter Hinzuziehung eines Arbeitsrechtsanwaltes erfolgen.
Das gilt erst recht, wenn der Arbeitgeber beabsichtigt, eine korrigierende Rückgruppierung vorzunehmen, denn auch diese ist nicht immer fehlerfrei.

VonHagen Döhl

Keine Haftung des Arbeitnehmers für 12 entwendete Mobiltelefone

Das ArbG Oberhausen hatte zu entscheiden, ob ein in einem Handyshop beschäftigter Arbeitnehmer für aus dem Lager gestohlene Handys Schadensersatz leisten muss.
Die Parteien streiten über die Zahlung von restlichem Gehalt aus ihrem beendeten Arbeitsverhältnis sowie über die Verpflichtung des Arbeitnehmers, für 12 gestohlene hochwertige Mobiltelefone Schadenersatz in Höhe von 6.040 Euro zu leisten.
Der Kläger, der ausgebildeter Einzelhandelskaufmann ist, war in der Zeit vom 01.03.2011 bis zum 28.05.2011 als technischer Verkaufsberater mit einem Gehalt in Höhe von 1.200 Euro brutto bei 40 Stunden Wochenarbeitszeit beschäftigt. Zusätzlich erhielt er noch Provisionen. Diese beliefen sich für die Monate April und Mai 2011 auf einen Betrag in Höhe von 236,30 Euro.
Der Beklagte betreibt in einem Einkaufszentrum einen Handy-Shop. Am 05.05.2011 wurden gegen 19.30 Uhr 12 hochwertige Mobiltelefone aus dem hinter dem Ladenlokal befindlichen Lager entwendet. Dies mache nach den Angaben des Beklagten einen Wert in Höhe von 6.040 Euro aus. Der Kläger befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem Verkaufsgespräch.
Der Beklagte zahlte weder den Lohn für den Monat Mai 2011 noch die Provisionen. Im Wege der Widerklage begehrte er die Zahlung des Betrages für die entwendeten Mobiltelefone.
Das ArbG Oberhausen hat den Zahlungsanträgen des Klägers entsprochen und die Widerklage abgewiesen.
Nach Auffassung des Arbeitsgerichts durfte der Beklagte nicht in zulässiger Weise gegen die Lohnansprüche des Klägers aufrechnen. Einen Schadenersatzanspruch hat das Arbeitsgericht verneint, weil dem Kläger nur leichteste Fahrlässigkeit anzulasten sei. Im Rahmen der Grundsätze der eingeschränkten Haftung von Arbeitnehmern besteht für diesen Grad der Fahrlässigkeit keine Ersatzpflicht.
(ArbG Oberhausen, 24.11.2011 2 Ca 1013/11)

VonHagen Döhl

Kündigung nach so genanntem Whistleblowing

Artikel 10 EMRK (Recht auf freie Meinungsäußerung) gilt für das Arbeitsleben im Allgemeinen und ist auch anwendbar, wenn das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer privatrechtlich geregelt ist. Das Interesse der Allgemeinheit über Defizite bei der institutionellen Altenpflege in einem (hier staatlichen) Unternehmen informiert zu werden, ist einer demokratischen Gesellschaft so wichtig, dass es das Interesse am Schutz des geschäftlichen Rufs und der Interessen dieses Unternehmens überwiegt.
Der Fall betraf die fristlose Kündigung einer Altenpflegerin, die gegen ihren Arbeitgeber eine Strafanzeige wegen Mängeln in der institutionellen Pflege erstattet hatte. Vor den deutschen Gerichten, einschließlich des BAG und des Bundesverfassungsgerichtes hatte sie keinen Erfolg mit ihrer Kündigungsschutzklage. Erst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gab ihr nach umfassender Interessenabwägung Recht. Die Entscheidung dürfte weitreichende Auswirkungen auf den künftigen Umgang mit „Whistleblowern“ haben.
(EGMR – Urteil vom 21.07.2011 – Nr. 28274/08)

VonHagen Döhl

Zulässige Beschränkung des Urlaubsabgeltungsanspruchs auf 15 Monate

Der EuGH hat entschieden, dass durch eine nationale Regelung die Möglichkeit der Ansammlung von nicht genommenem Jahresurlaub, der während der Arbeitsunfähigkeit erworben wurde, zeitlich begrenzt werden kann.

Auf Herrn S., der seit 1964 bei dem deutschen Unternehmen KHS AG beschäftigt war, fand ein Tarifvertrag Anwendung, wonach der Anspruch auf bezahlten Urlaub 30 Tage im Jahr betrug. Dieser Tarifvertrag erlaubt die Abgeltung nicht genommenen Jahresurlaubs nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und sieht vor, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, der wegen Krankheit nicht genommen wurde, nach Ablauf einer Übertragungsfrist von 15 Monaten nach dem Bezugszeitraum (Kalenderjahr) erlischt. Im Jahr 2002 erlitt Herr S. einen Infarkt, infolge dessen er schwerbehindert ist und für arbeitsunfähig erklärt wurde. Bis August 2008, dem Zeitpunkt, zu dem sein Arbeitsverhältnis mit dem Unternehmen KHS endete, bezog er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Im Jahr 2009 erhob Herr S. Klage vor einem deutschen Gericht auf Abgeltung des nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs für die Jahre 2006, 2007 und 2008. Da er während der gesamten Bezugszeiträume krankgeschrieben war, hatte er nicht die Möglichkeit, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auszuüben. Das LArbG Hamm, bei dem die Berufung in dieser Rechtssache anhängig ist, hat festgestellt, dass der Urlaubsanspruch für das Jahr 2006 nach der deutschen Regelung und nach dem Tarifvertrag wegen des Ablaufs des Übertragungszeitraums erloschen sei. Daher fragt es sich, ob eine nationale Regelung oder nationale Gepflogenheiten, nach denen die Übertragung von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub bei Arbeitsunfähigkeit zeitlich begrenzt ist, mit der Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung (Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung – ABl. L 299, 9) vereinbar sind.

Der EuGH hat entschieden, dass durch eine nationale Regelung die Möglichkeit der Ansammlung von Ansprüchen auf nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub, die während eines Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit erworben wurden, zeitlich begrenzt werden kann. Eine derartige Frist muss aber die Dauer des Bezugszeitraums, an den sie anknüpft, deutlich überschreiten.

In seinem Urteil weist der EuGH auf seine Rechtsprechung (Urt. v. 26.06.2001 – C-173/99 „BECTU“) hin, nach der der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen ist, von dem nicht abgewichen werden darf und den die nationalen Stellen nur in den Grenzen umsetzen dürfen, die im Unionsrecht ausdrücklich gezogen sind. Der EuGH hat bereits entschieden (Urt. v. 20.01.2009 – C-350/06 „Schultz-Hoff u.a.“), dass das Unionsrecht einer nationalen Regelung jedoch nicht entgegensteht, die den Verlust dieses Anspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums umfasst, vorausgesetzt, der Arbeitnehmer hat tatsächlich die Möglichkeit gehabt, seinen Urlaubsanspruch auszuüben. Zudem wäre unter bestimmten Umständen – wie denen des vorliegenden Falls – ein Arbeitnehmer, der während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähig ist, berechtigt, unbegrenzt alle während des Zeitraums seiner Abwesenheit von der Arbeit erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln.

Ein Recht auf ein derartiges unbegrenztes Ansammeln von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub, die während eines solchen Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit erworben wurden, würde jedoch nicht mehr dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub entsprechen. Dieser Zweck umfasse zwei Aspekte, nämlich dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich von seiner Arbeit zu erholen und über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen.

Zwar entfalte sich die positive Wirkung des bezahlten Jahresurlaubs für die Sicherheit und die Gesundheit des Arbeitnehmers dann vollständig, wenn der Urlaub in dem hierfür vorgesehenen, also dem laufenden Jahr genommen wird, doch verliere die Ruhezeit ihre Bedeutung insoweit nicht, wenn sie zu einer späteren Zeit genommen wird. Überschreite der Übertrag aber eine gewisse zeitliche Grenze, so fehle dem Jahresurlaub seine positive Wirkung für den Arbeitnehmer im Hinblick auf den in der Erholungszeit bestehenden Zweck; erhalten bleibe lediglich der Zweck hinsichtlich des Zeitraums für Entspannung und Freizeit.

In Anbetracht des Zwecks des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub könne ein während mehrerer Jahre in Folge arbeitsunfähiger Arbeitnehmer daher nicht berechtigt sein, in diesem Zeitraum erworbene Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub unbegrenzt anzusammeln. Um dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, mit dem der Schutz des Arbeitnehmers bezweckt wird, gerecht zu werden, müsse daher jeder Übertragungszeitraum den spezifischen Umständen Rechnung tragen, in denen sich ein Arbeitnehmer befindet, der während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähig ist. Dieser Zeitraum müsse daher für den Arbeitnehmer insbesondere die Möglichkeit gewährleisten, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant werden sowie verfügbar sein können. Zudem müsse ein Übertragungszeitraum die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten. Außerdem müsse der Übertragungszeitraum den Arbeitgeber vor der Gefahr der Ansammlung von zu langen Abwesenheitszeiträumen und den Schwierigkeiten schützen, die sich daraus für die Arbeitsorganisation ergeben können.

Daher könne ein Zeitraum, der wie im vorliegenden Fall 15 Monate beträgt, vernünftigerweise als Übertragungszeitraum angesehen werden, der dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub nicht zuwiderläuft, da er sicherstellt, dass dieser Anspruch seine positive Wirkung für den Arbeitnehmer als Erholungszeit behält.

Folglich stehe das Unionsrecht im Fall eines während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmers einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie etwa Tarifverträgen nicht entgegen, die die Möglichkeit, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch einschränken, dass sie einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch erlischt.
(EUGH 22.11.2011 C-214/10)

VonHagen Döhl

Voraussetzungen für Vorliegen eines Betriebsteilübergangs

Das BAG hatte zu entscheiden, ob auch ohne Wahrung der organisatorischen Selbstständigkeit der übertragenen Einheit ein Betriebsübergang vorliegt.

Der Kläger war bei der auf dem Gebiet „industrielle Automatisierung“ und „Mess- und Regeltechnik“ tätigen ET-GmbH als Leiter einer Abteilung beschäftigt, deren Arbeitsschwerpunkt die Mess- und Regeltechnik war. Diese Abteilung gliederte sich in drei Gruppen, von denen eine ebenfalls vom Kläger geleitet wurde. Ende 2005 schloss die ET-GmbH mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten und deren Muttergesellschaft einen Vertrag, demzufolge die Rechtsvorgängerin der Beklagten von der ET-GmbH eine Reihe der von der Abteilung des Klägers entwickelten Produktlinien übernahm. Aufgrund dieses Vertrages erwarb die Rechtsvorgängerin der Beklagten auch die Rechte an der Software, den Patenten, den Patentanmeldungen und den die fraglichen Produkte betreffenden Erfindungen sowie an den Produktnamen und dem technischen Know-how. Weiter erwarb sie die Entwicklungssoftware, das Produktmaterial, Inventar sowie eine Kunden- und eine Lieferantenliste bezüglich der übernommenen Produktlinien. Von den in der vom Kläger geleiteten Abteilung beschäftigten 13 Mitarbeitern wechselten der stellvertretende Abteilungsleiter und drei Ingenieure zur Rechtsvorgängerin der Beklagten. Die restlichen neun in der Abteilung beschäftigten Arbeitnehmer (einschließlich des Klägers) wurden nicht übernommen. Eine Übernahme des Klägers wurde abgelehnt.

Der Kläger hat die Feststellung begehrt, dass zwischen ihm und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis besteht und von ihr seine Weiterbeschäftigung zu den Bedingungen des mit der ET-GmbH geschlossenen Arbeitsvertrags verlangt. Das Landesarbeitsgericht hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Übergang eines Unternehmens – oder Betriebsteils auf einen anderen Inhaber i.S.v. Art. 1 der Richtlinie 2001/23/EG vom 12.03.2001 nur vorliegt, wenn der Unternehmens- bzw. Betriebsteil bei dem neuen Inhaber als organisatorisch selbstständiger Unternehmensbzw. Betriebsteil fortgeführt wird. Mit Urteil vom 12.02.2009 (C-466/07 „Klarenberg“) hat der EuGH entschieden, dass Art. 1 der Richtlinie auch dann angewandt werden kann, wenn der übertragene Unternehmens- oder Betriebsteil seine organisatorische Selbstständigkeit nicht bewahrt, sofern die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten wird und sie es dem Erwerber erlaubt, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Das Landesarbeitsgericht hat daraufhin einen Betriebsteilübergang bejaht und der Feststellungsklage stattgegeben.

Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hatte vor dem BAG Erfolg.

Ein Betriebsteilübergang i.S.d. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass die vom Erwerber übernommene Einheit bereits beim Betriebsveräußerer die Qualität eines Betriebsteils gehabt hat. Das heißt, es muss eine auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit vorgelegen haben. Dies ist der Fall, wenn es sich um eine organisatorische Gesamtheit von Personen und/oder Betriebsmitteln zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck gehandelt hat, die hinreichend strukturiert und selbstständig war. In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die vom Veräußerer übertragenen Betriebsmittel bei ihm eine einsatzbereite Gesamtheit dargestellt haben, welche als solche dazu ausgereicht hat, die für die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens charakteristischen (Dienst-)Leistungen ohne Inanspruchnahme anderer wichtiger Betriebsmittel oder anderer Unternehmensteile erbringen zu können.

Das BAG hat im vorliegenden Fall festgestellt, dass Voraussetzung für einen Betriebsteilübergang das Bestehen einer organisatorisch abgrenzbaren wirtschaftlichen Einheit beim Veräußerer ist, die vom Erwerber übernommen wird. An dieser Rechtsprechung des BAG und des EuGH hat sich nichts dadurch geändert, dass der EuGH in seiner Entscheidung vom 12.02.2009 an die Wahrung der organisatorischen Selbstständigkeit eines übernommenen Betriebsteils beim Erwerber geringere Anforderungen stellt als die bisherige Rechtsprechung.

Das BAG hat weiter festgestellt, dass die von der Rechtsvorgängerin der Beklagten erworbenen Betriebsmittel einschließlich der übernommenen vier Mitarbeiter bei der ET-GmbH keinen Betriebsteil dargestellt hatten, so dass es auf die Frage, ob die Rechtsvorgängerin der Beklagten die organisatorische Selbstständigkeit desselben bewahrt hatte, nicht ankam.

BAG 13.10.2011 Aktenzeichen: 8 AZR 455/10

VonHagen Döhl

LAG Hessen: Private Trunkenheitsfahrt kann Kraftfahrer Arbeitsplatz kosten

Ein Arbeitgeber darf einem bei ihm beschäftigten Kraftfahrer kündigen, wenn dieser bei einer privaten Autofahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,36 Promille ertappt wird und deshalb seine Fahrerlaubnis verliert. Dies hat am 01.07.2011 das Landesarbeitsgericht Hessen entschieden (Az.: 10 Sa 245/11).

VonHagen Döhl

BAG: Gehaltsrückstände bedeuten nicht, dass Arbeitnehmer Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers kennt

Auf die für die Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen bedeutsame Kenntnis eines Arbeitnehmers über die Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers kann nicht allein deswegen geschlossen werden, weil der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer mit Gehaltszahlungen im Rückstand ist und der Arbeitnehmer weiß, dass dies auch in Bezug auf andere Beschäftigte der Fall ist. Das gilt laut Bundesarbeitsgericht umso mehr, wenn der betreffende Arbeitnehmer keinen Einblick in die Finanzbuchhaltung seines Arbeitgebers und keine Leitungsaufgaben im kaufmännischen Bereich wahrgenommen hatte (Urteil vom 06.10.2011, Az.: 6 AZR 262/10).