– Gesetzesänderung höhlt Grundrechte aller Steuerzahler aus –
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) sieht die Änderung in der Abgabenordnung, die am 1. April 2005 in Kraft tritt, als verfassungswidrig an. Vorgesehen ist, dass Finanzämter, sowie alle Behörden, die bei ihrer Tätigkeit mit dem Einkommenssteuergesetz arbeiten (zum Beispiel Sozial-, Arbeits- und Bafög-Ämter), über das Bundesamt für Finanzen alle Stammdaten von Bankkunden einsehen können. Auch die nun vorgesehene Information der betroffenen Bürger über eine Abfrage der Daten beseitigt nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken.
„Damit erhalten wir den gläsernen Steuerzahler“, so Rechtsanwalt Hartmut Kilger, Präsident des DAV. Mit den vorgesehenen Änderungen werde in die Grundrechte der informationellen Selbstbestimmung, der Berufsfreiheit und in die Rechtsschutzgarantie massiv eingegriffen. Die Behörden hätten bald unter einfachen Bedingungen die Möglichkeit, Kontodaten der Steuerzahler einzusehen. Der Einzelne könne dagegen kaum etwas unternehmen.
„Bedenklich ist insbesondere, dass für die Abfrage nach den Kontodaten kein strafrechtlicher Verdacht oder Vorwurf mehr nötig ist, also ohne eigentlichen Grund erfolgen kann. Jeder Bürger kann davon betroffen sein“, befürchtet Kilger weiter. Die Abfrage der Daten müsse lediglich in irgendeiner Form für die Festsetzung staatlicher Leistung oder Erhebung von Steuern erforderlich sein. Im Grunde könne jeder Sachbearbeiter eine Abfrage starten, sobald der Steuerpflichtige oder Antragsteller eine Rückfrage – warum auch immer – unbeantwortet lässt.
„Der Bürger ist dem hilflos ausgeliefert“, so Kilger weiter. Es bestehe keine Möglichkeit, Abfragen zu kontrollieren oder im Nachhinein gerichtlich dagegen vorzugehen. Auch die Löschung der Daten sei nicht geregelt, deren Verbleib und Weiterverwertung also unklar. Bei anderen schweren Eingriffsvorhaben wie dem „Großen Lauschangriff“, würden solche Mindestanforderungen im Sinne der Grundrechte noch beachtet. „Weshalb hier nun ohne Not darüber hinweggegangen wird, ist angesichts der bereits absehbaren Folgen nicht nachvollziehbar. Vergleichbar mit der willkürlichen „Rasterfahndung“ findet hier eine „Zasterfahndung“ statt“, so Kilger weiter.
Den Anfang diesen „Staatshackings“ machte bereits eine gesetzliche Regelung aus dem Jahre 2003. Seitdem ist jedes Kreditinstitut verpflichtet, eine Datei über alle „Stammdaten“ ihrer Kunden einzurichten und für automatisierte Abrufe der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zur Verfügung zu halten. Bislang diente dies allerdings lediglich der Ermittlung von Straftaten.
Und: Die Uhren werden nicht auf Null gestellt, warnt der DAV. Durch die Möglichkeit der Rückwirkung der Regelungen ist eine Vielzahl strafrechtlich nicht verjährter Steuerermittlungsverfahren zu befürchten. Ebenso müssten Betroffene mit Nachzahlungsbescheiden für vergangene Jahre rechnen. Nach der Dateneinsicht ist eine strafbefreiende Selbstanzeige nicht mehr möglich. Eine unvollständige Einkommenssteuererklärung wird so noch nach Jahren zum Risiko. „Es genügt, die Angabe eines von mehreren Konten vergessen zu haben, damit ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird“, kritisiert Kilger.
(Auf den Seiten des Bundesamtes für Finanzen ist zu diesem Thema leider nichts zu finden.)
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