BGH: Mieter müssen in Urkundsprozess ausgesprochene Verurteilung zu Mietnachzahlung zunächst hinnehmen

VonHagen Döhl

BGH: Mieter müssen in Urkundsprozess ausgesprochene Verurteilung zu Mietnachzahlung zunächst hinnehmen

Klagen Vermieter wegen rückständiger Zahlungen, so genügt im Urkundenprozess die Vorlage des Mietvertrages vor Gericht. Werde der Mieter aufgrund eingeschränkter Beweismittel zu Unrecht zur Begleichung von Mietrückständen verurteilt, könne er im Rahmen des Nachverfahrens mit zusätzlichen Beweismitteln auf Schadensersatz klagen, heißt es in einem Urteil des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 01.06.2005, Az: VIII ZR 216/04).

In dem zu entscheidenden Fall schlossen die beteiligten Parteien einen schriftlichen Mietvertrag über eine Vier-Zimmer-Wohnung zu einer monatlichen Miete in Höhe von 660 Euro ab. Für November 2003 zahlte der Mieter unter Berufung auf eine Gegenforderung lediglich 169,80 Euro. Den Differenzbetrag von 490,20 Euro hat der Vermieter unter Vorlage des Mietvertrags im Urkundenprozess eingeklagt. Der Mieter hat demgegenüber Mängel der Wohnung geltend gemacht, die er jedoch nicht mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln (Urkundenbeweis und Parteivernehmung) belegen konnte. Die Vorinstanzen haben die Klage als im Urkundenprozess unstatthaft abgewiesen. Auf die Revision des Vermieters hat der Bundesgerichtshof den Mieter zur Zahlung der rückständigen Miete verurteilt und ihm die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten.

Der BGH hat entschieden, dass die durch § 592 Satz 1 ZPO grundsätzlich jedem Gläubiger einer Geldschuld eingeräumte Befugnis, im Urkundenprozess einen vorläufigen Titel gegen den Schuldner zu erlangen, auch dem Vermieter von Wohnraum zusteht, der unter Vorlage des Mietvertrags rückständige Miete geltend macht. Zwar wird nach § 536 Abs. 1 BGB bei Mängeln der Mietsache die geschuldete Miete automatisch von Gesetzes wegen gemindert. Jedoch gehört die Mangelfreiheit der Mietsache nicht zu den zur Begründung des Anspruchs auf Miete erforderlichen Tatsachen. Gemäß § 536 Abs. 1 BGB sind Mängel vom Mieter darzulegen und zu beweisen, wenn er die Mietsache übernommen hat.

Der Inanspruchnahme des Urkundenprozesses steht auch nicht entgegen, dass rechtsgeschäftliche Vereinbarungen, die die gesetzlich eintretende Mietminderung zum Nachteil des Mieters ausschließen oder einschränken, bei Wohnraummietverhältnissen gemäß § 536 Abs. 4 BGB unwirksam sind, so der BGH weiter. Zwar habe der Urkundenprozess zur Folge, dass der Mieter, der die von ihm geltend gemachten Mängel regelmäßig wie auch im zur Entscheidung stehenden Fall nicht mit den im Urkundenprozess zugelassenen Beweismitteln nachweisen könne, zunächst durch Vorbehaltsurteil zur Zahlung der Miete verurteilt werde.

Erst im Nachverfahren werde über das Vorliegen von Mängeln und eine sich daraus ergebende Mietminderung entschieden. Der Bundesgerichtshof hat jedoch ausgeführt, dass der Mieter den Nachteilen, die ihm durch eine Vollstreckung aus dem Vorbehaltsurteil möglicherweise entstehen, weitgehend durch die Schutzanordnungen der Zivilprozeßordnung begegnen kann und dass er zudem durch eine verschuldensunabhängige Haftung des Vermieters abgesichert ist. Die Nachteile seien im wesentlichen vorläufiger Natur und nicht zu vergleichen mit einer Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung, die ihm durch eine nach § 536 Abs. 4 BGB unzulässige rechtsgeschäftliche Vereinbarung droht. Das materielle Mietrecht rechtfertige es deshalb nicht, die prozessualen Befugnisse des Vermieters aus § 592 Satz 1 ZPO entgegen dem umfassenden Wortlaut der Vorschrift einzuschränken. Der Rechtsstreit wurde zur Durchführung des Nachverfahrens an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

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