Der Arbeitnehmer (hier: Krankenpfleger im Bereich Anästhesie eines Krankenhauses) ist nicht verpflichtet, bei Rufbereitschaft die Arbeit innerhalb der vom Arbeitgeber festgesetzten Zeitspanne (hier 20 Minuten) nach Abruf aufzunehmen. § 7 AVR (Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes) regelt die Voraussetzungen zur Anordnung von Rufbereitschaft abschließend. Diese Bestimmung räumt dem Arbeitgeber nicht das Recht ein, die Zeit zwischen dem Abruf und der Arbeitsaufnahme im Voraus und für alle Fälle auf eine bestimmte Höchstdauer zu beschränken. Dem Begriff „kurzfristig“ in § 7 Abs. 3 der Anlage 5 zu den AVR ist dies nicht zu entnehmen. Eine solche zeitliche Beschränkung liefe dem Wesen der nur bei erfahrungsgemäß geringem Arbeitsanfall zulässigen Rufbereitschaft zuwider. Je nach Sachlage können zwischen Abruf nicht im Betrieb anwesender Arbeitnehmer und Arbeitsaufnahme unterschiedlich lange Zeiten liegen, die alle als „kurzfristig“ anzusehen sind.
Ist der Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen darauf angewiesen, dass der Arbeitnehmer – z.B. in Notfällen – spätestens innerhalb von 20 Minuten die Arbeit aufnimmt, muss er sich der geeigneten, nach den AVR zulässigen Arbeitszeitregelung bedienen. Neben der Rufbereitschaft kommt insbesondere der Schichtdienst in Betracht oder der Bereitschaftsdienst nach § 7 Abs. 2 der Anlage 5 zu den AVR, der sich von der Rufbereitschaft dadurch unterscheidet, dass der Arbeitnehmer sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit in der Einrichtung aufhalten muss, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen.
Hinweis für die Praxis:
Der EuGH bewertet Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit i.S.d. gesetzlichen Arbeitszeitschutzes (Arbeitszeitgesetz: gesetzlicher Gesundheitsschutz). Wie man in dieser Entscheidung sieht, ist das Ausweichen auf „Rufbereitschaft“ dann problematisch, wenn bestimmte zeitlich enge Vorgaben gesetzt werden, innerhalb derer die Arbeitnehmer die Arbeit aufzunehmen hat.
(BAG 31.1.2002 – 6 AZR 214/00
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