Leiharbeiter können Nachzahlungen einklagen
Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) ist laut einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16.12.2010 nicht tariffähig. Damit darf die Organisation keine Tarifverträge mehr abschließen. Zur Frage, was die Entscheidung für die bislang von der CGZP geschlossenen Tarifabschlüsse bedeutet, nahmen die Bundesrichter nicht ausdrücklich Stellung. Im Gegensatz zur Vorinstanz wurden die bisherigen CGZP-Tarifverträge nicht für nichtig erklärt. Es sei jedoch zweifelhaft, dass die CGZP in der Vergangenheit jemals tariffähig gewesen sei, sagte ein Gerichtssprecher tagesschau.de. Betroffene Arbeitnehmer müssen nach seinen Angaben nun selbst vor die Arbeitsgerichte ziehen, um dieselbe Bezahlung wie die Stammbelegschaft einzufordern.
Hintergrund des Streits ist das sogenannte Equal-Pay-Gebot. Danach haben Leiharbeiter Anspruch auf den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft, sofern für sie kein eigenständiger Tarifvertrag gilt. Die Gewerkschaft ver.di und das Land Berlin hatten der CGZP vorgeworfen, mit niedrigen Tarifabschlüssen für Leiharbeiter das Lohnniveau zu drücken. Sie hatten die Tariffähigkeit der CGZP angezweifelt und bereits in den Vorinstanzen Recht bekommen. Die zuvor geschlossenen CGZP-Tarifverträge, die laut Schätzungen für etwa 200.000 Leiharbeiter in 1600 Firmen galten, stuften die Berliner Arbeitsgerichte als nichtig ein.
Ver.di-Vize Gerd Herzberg sagte, die Entscheidung der Richter verbessere die rechtliche und vor allem finanzielle Situation der Beschäftigten in der Leiharbeitsbranche deutlich. „Die CGZP ist keine Gewerkschaft oder gewerkschaftliche Spitzenorganisation im Sinne unseres Rechtssystems. Derartige Organisationen drohen das Tarifvertragssystem durch Billigkonkurrenz vollständig auszuhöhlen.“ Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bezeichnete die Entscheidung als deutliches Signal gegen Dumping-Tarifverträge und Gefälligkeitsvereinbarungen: „Mit dem Urteil sind wir einen Schritt weiter auf dem langen Weg, Tarifdumping zu unterbinden“, sagte DGB-Chef Michael Sommer.
Möglicherweise hohe Nachzahlungen
Die betroffenen Arbeitnehmer müssten nach dem Equal-Pay-Gebot mehr Geld erhalten, falls die bisherigen CGZP-Tarifverträge nichtig sind. Dies könnte laut einer ver.di-Schätzung bis zu 280.000 Arbeitnehmer betreffen. Je nach Arbeitsvertrag könnten sie auch rückwirkend Geld nachfordern. Die betroffenen Firmen müssten zudem teilweise deutlich höhere Sozialversicherungsbeiträge abführen. Schätzungen zufolge könnten allein die Sozialversicherungssysteme mit Nachzahlungen von bis zu zwei Milliarden Euro rechnen.
Nach Einschätzung der IG Metall können aufgrund des Urteils des Bundesarbeitsgerichts Tausende Zeitarbeiter auch nachträglich gleichen Lohn einklagen. Außerdem seien nun die Sozialversicherungsträger am Zug, über Jahre hinweg nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge nachzufordern, erklärte der Justiziar der Gewerkschaft, Thomas Klebe. „Mit diesem Beschluss steht fest, dass die mit der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge unwirksam sind und alle danach bezahlten Beschäftigten Ansprüche auf gleiche Bezahlung und gleiche Arbeitsbedingungen wie die Stammbeschäftigten haben“, sagte Klebe. Es müssten lediglich die individuellen Verjährungsfristen beachtet werden. Auch DGB-Chef Michael Sommer erklärte, die betroffenen Beschäftigten könnten die Differenz zu dem höheren Lohn der Stammbelegschaft beim Verleiher geltend machen und falls erforderlich einklagen.
In der 2002 gegründeten Tarifgemeinschaft CGZP haben sich die nach eigenem Verständnis christlichen Gewerkschaften zusammengeschlossen, um branchenübergreifend Tarifverträge für die Leiharbeitsbranche abzuschließen. Um tariffähig zu sein und Tarifverträge abschließen zu können, ist laut ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine ausreichende „Sozialmächtigkeit“ der Gewerkschaften notwendig. Das heißt, sie müssen ausreichend schlagkräftig und durchsetzungsfähig sein, um der Arbeitgeberseite ein wirkliches Gegengewicht bieten zu können. Im Fall der CGZP kamen die Richter nach Angaben eines Gerichtssprechers zu der Auffassung, dass die erforderliche Tarifmächtigkeit mangels einer ausreichenden Mitgliederzahl nicht gegeben sei.
(BAG 16.12.2010 Az: 1 ABR 19/10)
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