Kategorien-Archiv Familien- und Erbrecht

VonHagen Döhl

Vollständig neues Verfahren in Familiensachen beschlossen

Das gerichtliche Verfahren in Familiensachen soll grundlegend reformiert werden, indem es in einer einzigen Verfahrensordnung zusammengefasst und vollständig neu geregelt wird. Auf Vorschlag von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat der Deutsche Bundestag am 27.06.2008 das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) beschlossen. Der Bundesrat muss sich am 19.09.2008 noch abschließend mit der Reform befassen, die dann am 01.09.2009 in Kraft treten soll. So lange haben die Länder Zeit, die notwendige Neuorganisation der gerichtlichen Abläufe vorzunehmen.

Die Reform des familiengerichtlichen Verfahrens enthält nach Mitteilung des Bundesjustizministerium als einen Kernpunkt, dass im Verfahren in Kindschaftssachen dringliche Angelegenheiten, insbesondere Streitigkeiten über das Umgangsrecht, künftig vorrangig und beschleunigt bearbeitet werden, um die Verfahrensdauer zu verkürzen. Zudem sollen die Verfahren zeitnah verhandelt werden. Das Gericht solle den Fall spätestens einen Monat nach Eingang des Antrags mit allen Beteiligten erörtern. Diese Neuerungen treten nach Angaben des Ministeriums bereits in Kürze in Kraft, da sie auch Teil des Gesetzes zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls sind.

In Verfahren mit Kindesbezug solle das Gericht künftig den Versuch einer einvernehmlichen Lösung des Konflikts unternehmen, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspreche. Einvernehmliche Lösungen der Eltern müssten vom Gericht gebilligt werden. Gelinge eine Einigung nicht, müsse das Gericht über eine einstweilige Anordnung nachdenken. Über das Umgangsrecht solle das Gericht in der Regel schnell entscheiden, damit der Kontakt zwischen Kind und einem umgangsberechtigten Elternteil aufrechterhalten bleibe und die Beziehung keinen Schaden nehme.

Die Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte des betroffenen Kindes sollen nach Angaben des Bundesjustizministeriums verstärkt werden. In schwierigen Fällen werde das Kind künftig von einem Verfahrensbeistand unterstützt. Dessen Aufgabe solle sein, im gerichtlichen Verfahren die Interessen des Kindes zu vertreten und das Kind über den Ablauf des Verfahrens und die Möglichkeiten der Einflussnahme zu informieren. Im Gegensatz zum bisherigen Verfahrenspfleger könne der Verfahrensbeistand auf Anordnung des Gerichts eine aktive Rolle in dem Konflikt übernehmen und zu einer einvernehmlichen Umgangsregelung – etwa durch Gespräche mit den Eltern – beitragen. Das über 14-jährige Kind solle sich künftig zur Durchsetzung eigener Rechte selbst vertreten können.

Die Beteiligung von Pflegepersonen am Verfahren soll erweitert werden. Pflegepersonen wie beispielsweise Pflegeeltern sollten künftig in allen Verfahren, die das Kind betreffen, hinzugezogen werden können, wenn das Kind seit längerer Zeit bei ihnen lebe. In solchen Fällen wüssten Pflegeeltern häufig besser über das Kind Bescheid als die Eltern, so das Bundesjustizministerium.

Die Vollstreckung von Sorge- und Umgangsentscheidungen solle effektiver werden als bisher. So könne das Gericht künftig Ordnungsmittel verhängen, wenn gegen Umgangsentscheidungen verstoßen werde. Diese könnten – anders als Zwangsmittel – auch noch nach Ablauf der Verpflichtung wegen Zeitablaufs festgesetzt und vollstreckt werden. Zudem werde es künftig möglich sein, einen Umgangspfleger zu bestellen. Dieser solle bei schwierigen Konflikten über den Umgang sicherstellen, dass der Kontakt des Kindes zu dem Umgangsberechtigten nicht abbricht.

In Scheidungssachen müsse der Antragsteller künftig schon im Scheidungsantrag angeben, ob die Ehegatten sich über die Regelung der elterlichen Sorge, des Umgangs und des Unterhalts verständigt haben. Das solle die Eltern dazu anhalten, vor Einleitung des Scheidungsverfahrens die künftigen Lebensumstände der Kinder zu klären. In Unterhaltssachen solle die Klärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse durch weitergehende Auskunftspflichten der Beteiligten verbessert werden.

Mit dem Großen Familiengericht soll nach Angaben des Ministeriums die sachliche Zuständigkeit der Familiengerichte erweitert werden. Es werde den Gerichten ermöglicht, alle durch den sozialen Verband von Ehe und Familie sachlich verbundene Rechtsstreitigkeiten in einer Zuständigkeit zu entscheiden. Das Vormundschaftsgericht solle aufgelöst werden, seine Aufgaben vom Familiengericht und vom Betreuungsgericht übernommen werden. Das führe zu einer Straffung gerichtlicher Zuständigkeiten.

Der vorliegende Gesetzesentwurf enthält zugleich eine Reform des Verfahrens in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die ebenfalls am 01.09.2009 in Kraft treten soll. Das bisher geltende Verfahrensgesetz (FGG) für diese Verfahren, also Betreuungs-, Unterbringungs-, Nachlass- und Registersachen, stamme aus dem Jahre 1898 und sei vielfach geändert worden, erläuterte das Ministerium. Dieses Gesetz solle durch eine vollständige, moderne Verfahrensordnung mit verständlichen, überschaubaren und einheitlichen Strukturen für die verschiedenen Materien ersetzt werden. Die neue Verfahrensordnung definiere erstmals umfassend die Verfahrensrechte und die Mitwirkungspflichten der Beteiligten und sichere ihren Anspruch auf rechtliches Gehör.

Das zersplitterte Rechtsmittelsystem der freiwilligen Gerichtsbarkeit werde bei dieser Gelegenheit neu strukturiert und effizienter gestaltet. Um zügig Rechtssicherheit zu erhalten, werde die Beschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen künftig generell befristet. Die bisherige weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht werde ersetzt durch die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof. Diese Rechtsbeschwerde sei zuzulassen, wenn eine Entscheidung geboten sei, um das Recht zu vereinheitlichen oder fortzubilden. Abweichend davon sei die Rechtsbeschwerde in besonders grundrechtsrelevanten Betreuungssachen, in Unterbringungs- und in Freiheitsentziehungssachen an keine besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen geknüpft. Den Beteiligten werde damit in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit der unmittelbare Zugang zum Bundesgerichtshof eröffnet. Dieser könne dadurch viel stärker als bisher die Materien der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Leitentscheidungen prägen und fortentwickeln.

VonHagen Döhl

Rechte nichtehelicher Väter

Nichteheliche Väter können das Sorgerecht für ihr Kind auch ohne Zustimmung der Mutter bekommen, wenn diese das Kind zur Adoption freigeben will. Voraussetzung ist aber, dass der leibliche Vater erziehungsgeeignet und –bereit ist. Die Behörden müssen es dem Vater ermöglichen, sich kontinuierlich an das in einer Pflegefamilie lebende Kind anzunähern. Wenn die Pflegeeltern das Umgangsrecht des Vaters nicht akzeptieren wollen, könnten sie auch zur Herausgabe des Kindes gezwungen werden.
(BGH, Urteil v. 26.9.2007 – XII ZB 229/06)

VonHagen Döhl

Bemessung des nachehelichen Unterhalts bei Einkommensänderungen

Bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) sind spätere Änderungen des verfügbaren Einkommens grundsätzlich zu berücksichtigen, und zwar unabhängig davon, wann sie eingetreten sind, ob es sich um Minderungen oder Verbesserungen handelt oder ob die Veränderung aufseiten des Unterhaltspflichtigen oder des Unterhaltsberechtigten eingetreten ist.Das Unterhaltsrecht will den geschiedenen Ehegatten nicht besser stellen, als er während der Ehe stand oder aufgrund einer absehbaren Entwicklung ohne die Scheidung stehen würde. Daher sind nur solche Steigerungen des verfügbaren Einkommens zu berücksichtigen, die schon in der Ehe angelegt waren, nicht aber z.B. ein Einkommenszuwachs infolge eines Karrieresprungs.Die Berücksichtigung einer nachehelichen Verringerung des verfügbaren Einkommens findet ihre Grenze erst in der nachehelichen Solidarität. Nur bei unterhaltsrechtlich leichtfertigem Verhalten ist deswegen von einem fiktiven Einkommen auszugehen. Diese Voraussetzung liegt nicht vor, wenn ein Unterhaltsschuldner Kinder aus einer neuen Beziehung bekommt. Daher ist in solchen Fällen von den tatsächlichen Verhältnissen auszugehen und auch die neue Unterhaltspflicht bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts zu berücksichtigen.
BGH Urteil vom 6.2.2008, Az: XII ZR 14/06

VonHagen Döhl

Vorteil mietfreien Wohnens

a) Nach der Trennung der Parteien ist der Vorteil mietfreien Wohnens zunächst regelmäßig nur noch in dem Umfang zu berücksichtigen, wie er sich als angemessene Wohnungsnutzung durch den in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten darstellt. Dabei ist auf den Mietzins abzustellen, den er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende kleinere Wohnung zahlen müsste. Ist eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft allerdings nicht mehr zu erwarten, etwa wenn ein Scheidungsantrag rechtshängig ist oder die Ehegatten die vermögensrechtlichen Folgen ihrer Ehe abschließend geregelt haben, sind solche Ausnahmen von der grundsätzlichen Berücksichtigung des vollen Mietwerts nicht mehr gerechtfertigt (Abgrenzung zu dem Senatsurteil vom 28. März 2007 – XII ZR 21/05 – FamRZ 2007, 879).

b) Von dem Vorteil mietfreien Wohnens sind grundsätzlich die mit dem Eigentumserwerb verbundenen Kosten abzusetzen, weil der Eigentümer nur in Höhe der Differenz günstiger lebt als ein Mieter. Der Tilgungsanteil der Kreditraten kann aber dann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn der andere Ehegatte nicht mehr von der mit der Tilgung einhergehenden Vermögensbildung profitiert und daher eine einseitige Vermögensbildung zu Lasten des Unterhaltsberechtigten stattfindet, wie es im Fall des gesetzlichen Güterstandes ab Zustellung des Scheidungsantrags der Fall ist (Fortführung der Senatsurteile vom 28. März 2007 – XII ZR 21/05 – FamRZ 2007, 879 und vom 1. Dezember 2004 – XII ZR 75/02 – FamRZ 2005, 1159).

Urteil vom 5.3.2008, Az: XII ZR 22/06

VonHagen Döhl

BGH: Verschweigen des tatsächlichen Einkommens kann zu Begrenzung und Befristung des nachehelichen Unterhalts führen

Verschweigt eine Ehefrau nach Abschluss eines Vergleichs über den Trennungsunterhalt über die Dauer von einem Jahr, dass ihr tatsächliches Einkommen mittlerweile wesentlich höher liegt als zum Zeitpunkt des Vergleichs, so kann der nacheheliche Unterhalt gekürzt werden. Das entschied der Bundesgerichtshof und erklärte, mit dem Verschweigen setze sich die Berechtigte über schwerwiegende Vermögensinteressen des Verpflichteten mutwillig hinweg (Urteil vom 16.04.2008; Az.: XII ZR 107/06). Im konkreten Fall hatte die Ehefrau statt der zugrunde gelegten 800 Euro monatlich tatsächlich bereits seit einem Jahr ein eigenes Monatseinkommen von 1.184 Euro erzielt.

VonHagen Döhl

Regressanspruch des Schein- Vaters gegen den wirklichen Vater

Der Bundesgerichtshof hat jetzt über die Klage eines «Scheinvaters», entschieden, der den jahrelang gezahlten Unterhalt für drei nicht von ihm stammende Kinder vom mutmaßlichen Erzeuger zurückverlangt. Dieser hat die Vaterschaft bisher nicht anerkannt und es – ebenso wie die Mutter – abgelehnt, ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren einzuleiten. Wie der BGH nun erklärte, sei es in einem solchen Ausnahmefall aber zulässig, die Vaterschaft auch inzident festzustellen. Ausnahmsweise könne auch der «Scheinvater» die Klärung der Vaterschaft des mutmaßlich biologischen Vaters durchsetzen – und nicht nur die leibliche Mutter, die Kinder oder der Erzeuger selbst. Nur auf diesem Wege sei es ihm möglich, den mutmaßlichen Vater der unterhaltsberechtigten Kinder in Regress für den in der Vergangenheit gezahlten Unterhalt zu nehmen, so die Richter, die sich damit von der zuvor geltenden Rechtsprechung mindestens teilweise abwandten (BGH Urteil vom 16.04.2008; Az.: XII ZR 144/06).

VonHagen Döhl

BGH: Eingehen einer neuen – auch gleichgeschlechtlichen – Beziehung kann zum Verlust des Unterhaltsanspruchs führen

Wer seine Familie für einen homosexuellen Partner verlässt, kann dadurch seinen Unterhaltsanspruch verlieren. Das hat der Bundesgerichtshof im Fall einer Frau entschieden, die ihre lesbische Neigung entdeckt und daraufhin – nach 26 Jahren Ehe – ihren Mann und fünf Kinder verlassen hatte. Nach den Worten des Karlsruher Gerichts kann es einem Ehepartner unzumutbar sein, weiterhin für den Unterhalt des anderen aufzukommen, wenn dieser eine dauerhafte neue Beziehung eingehe. Dieser – allgemeine – Grundsatz gelte auch für gleichgeschlechtliche Beziehungen. Nun muss das Oberlandesgericht Brandenburg erneut über die Sache verhandeln (Urteil vom 16.04.2008; Az.: XII ZR 7/05).

VonHagen Döhl

Notwendiger Selbstbehalt bei neuer Lebensgemeinschaft oder Ehe

Erspart sich der Unterhaltsschuldner im Rahmen einer neuen Lebensgemeinschaft Lebenshaltungskosten, kann sein Selbstbehalt bis an die Grenze des sozialhilferechtlichen Bedarfs herabgesetzt werden.
(BGB Urteil vom 9.01.2008 – XII ZR 170/05)

VonHagen Döhl

Berücksichtigung berufsbedingter Fahrtkosten bei Mindestunterhalt

Der gesteigert unterhaltspflichtige Vater muss beim Mindestunterhalt gegebenenfalls öffentliche Verkehrsmittel oder ein Fahrrad für den Weg zur Arbeit benutzen. Auch die Berücksichtigung von Kosten für eine Heimfahrt in der Mittagspause kommt nicht in Frage.
(OLG Stuttgart Beschluss vom 19.10.2007 – 15 WF 229/07)

VonHagen Döhl

Umgangskosten als Abzugsposten beim Kindesunterhalt

Fahrtkosten für die monatliche Wahrnehmung des Umgangsrechtes bei in größerer Entfernung lebenden Kindern sind bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit in voller Höhe zu berücksichtigen. Voraussetzung dafür ist, dass die Kosten weder aus Kindergeld noch aus anderen Mitteln getragen werden können.
(OLG Bremen Beschluss vom 23.10.2007 – 4 WF 155/07)