Kategorien-Archiv Familien- und Erbrecht

VonHagen Döhl

Rechtsanwaltsbeiordnung bei Prozesskostenhilfe trotz möglicher Jugendamtsvertretung im Vaterschaftsfeststellungsverfahren

Der Beiordnung eines Rechtsanwaltes nach § 121 ZPO steht in einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren nicht entgegen, dass eine unentgeltliche Vertretung durch das Jugendamt möglich wäre.
(OLG Rostock Beschluss vom 20.08.2009 – 10 WF 184/09)

VonHagen Döhl

Erleichterte Rückforderung schwiegerelterlicher Zuwendungen

Der BGH hatte über eine Klage von Schwiegereltern zu befinden, die ihrem Schwiegerkind einen erheblichen Geldbetrag zugewandt hatten und diesen nach dem Scheitern der Ehe ihres Kindes zurückverlangten.
Nach dem Urteil des XII. Zivilsenats des BGH ist eine Rückforderung schwiegerelterlicher Zuwendungen nunmehr unter erleichterten Voraussetzungen möglich.
Die Tochter der Kläger und der Beklagte lebten seit 1990 in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen. Im Februar 1996, als sie ihre Eheschließung bereits in Aussicht genommen hatten, ersteigerte der Beklagte eine Eigentumswohnung. Im April 1996 überwiesen die Kläger auf das Konto des Beklagten 58.000 DM. Im Mai 1996 überwies der Beklagte von seinem Konto an die Gerichtskasse rund 49.000 DM auf den Gebotspreis.
Ab Herbst 1996 lebten der Beklagte und die Tochter der Kläger mit ihrem gemeinsamen, 1994 geborenen Kind in dieser Wohnung. Im Juni 1997 schlossen sie die Ehe, aus der 1999 ein zweites Kind hervorging. 2002 trennten sich die Eheleute. Im Scheidungsverfahren schlossen sie im Jahre 2004 den Zugewinnausgleich aus. Inzwischen ist die Ehe rechtskräftig geschieden. Die Wohnung steht bis heute im Alleineigentum des Beklagten.
Die Kläger verlangen nunmehr von dem Beklagten insbesondere die Rückzahlung der überwiesenen 58.000 DM. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger hatte keinen Erfolg. Zur Begründung der Klagabweisung stützte sich das Berufungsgericht auf die bisherige Rechtsprechung des erkennenden Senats.
Die Revision der Kläger hatte vor dem BGH Erfolg und führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
Wenn Schwiegereltern dem Ehepartner ihres leiblichen Kindes mit Rücksicht auf dessen Ehe mit ihrem Kind und zur Begünstigung des ehelichen Zusammenlebens Vermögensgegenstände zuwandten, kam nach bisheriger Senatsrechtsprechung zwischen den Beteiligten regelmäßig ein Rechtsverhältnis eigener Art zustande, das mit den (ehebezogenen) „unbenannten Zuwendungen“ unter Ehegatten vergleichbar war. Ihre Zuwendungen konnten die Schwiegereltern grundsätzlich nicht zurückfordern, wenn die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hatten.
An dieser Rechtsprechung hält der BGH nicht mehr fest. Vielmehr seien derartige schwiegerelterliche Leistungen als Schenkung zu qualifizieren. Sie erfüllen sämtliche Tatbestandsmerkmale einer Schenkung: Übertragen Schwiegereltern einen Vermögensgegenstand auf das Schwiegerkind, geschehe dies regelmäßig in dem Bewusstsein, künftig an dem Gegenstand nicht mehr selbst zu partizipieren.
Auf schwiegerelterliche ehebezogene Schenkungen bleiben die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anwendbar: Die Geschäftsgrundlage solcher Schenkungen sei regelmäßig, dass die eheliche Lebensgemeinschaft zwischen Kind und Schwiegerkind fortbesteht und das eigene Kind somit in den fortdauernden Genuss der Schenkung kommt. Mit dem Scheitern der Ehe entfalle diese Geschäftsgrundlage. Dadurch werde im Wege der richterlichen Vertragsanpassung die Möglichkeit einer zumindest partiellen Rückabwicklung eröffnet.
Dies gelte abweichend von der bisherigen Rechtsprechung auch dann, wenn die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben. Die Rückabwicklung der Schenkung hat grundsätzlich unabhängig von güterrechtlichen Erwägungen zu erfolgen.
Als Konsequenz der geänderten Senatsrechtsprechung sei damit zu rechnen, dass Schwiegereltern, die ihrem Schwiegerkind Vermögenswerte zugewandt haben, künftig häufiger als bisher mit Erfolg eine Rückabwicklung dieser Zuwendung begehren.
Ist das eigene Kind allerdings einen längeren Zeitraum in den Genuss der Schenkung gekommen (zum Beispiel durch das Leben in einer geschenkten Wohnung), komme regelmäßig nur eine teilweise Rückzahlung in Betracht. Wenn die Eltern dies vermeiden und den gesamten geschenkten Wert nur dem eigenen Kind zugute kommen lassen wollen, müssten sie ihr Kind direkt beschenken.
(BGH 03.02.2010 Aktenzeichen:XII ZR 189/06)

VonHagen Döhl

Frau wird „Vater“ im Sinne des Gesetzes

Das OLG Köln hat entschieden, dass eine nach einer Geschlechtsumwandlung eingetragene Frau „Vater“ im Sinne des Gesetzes für das Kind der Lebensgefährtin sein kann und auch in das Geburtsregister des Standesamtes als solcher einzutragen ist.
Die Eintragung habe allerdings mit dem früheren männlichen Vornamen zu erfolgen.
Irene A. und Brigitte U., die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, sind die leiblichen Eltern des Kindes Jonas A. (alle Namen geändert). Brigitte U. war im Jahre 1969 als Junge zur Welt gekommen und hatte den Vornamen „Bernd“ erhalten. Im Jahre 1997 hatte sie ihr Geschlecht operativ umwandeln lassen. Darauf stellte das AG Köln 1998 fest, dass „Bernd U.“ als dem weiblichen Geschlecht zugehörig anzusehen ist und änderte den Vornamen in „Brigitte“. Vor der Geschlechtsumwandlung hatte Brigitte U. in einer Samenbank noch ein Spermadepot anlegen lassen. Mit Hilfe dieses Spermas unterzog sich ihre Partnerin im April 2006 in einer belgischen Klinik einer künstlichen Befruchtung und brachte am 02.01.2007 den Sohn Jonas zur Welt. Irene A. und Brigitte U. schlossen darauf im Mai 2008 vor dem Standesamt Köln eine gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft, und Brigitte U. erkannte am 21.01.2009 vor dem Jugendamt die Vaterschaft für den Sohn Jonas an.
Das Standesamt Köln hatte Zweifel, ob das Vaterschaftsanerkenntnis wirksam war, weil Brigitte U. bei Abgabe bereits weiblichen Geschlechts gewesen war. Das Problem lag darin, dass nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch ein Vaterschaftsanerkenntnis nur von einer männlichen Person abgegeben werden kann. Nach § 10 des Transsexuellengesetzes (TSG) richten sich die geschlechtsbezogenen Rechte und Pflichten nach der Geschlechtsumwandlung aber nach dem neuen Geschlecht. Das Standesamt hat die Zweifelsfrage deshalb den Gerichten zur Entscheidung vorgelegt.
Das OLG Köln hat jetzt wie die Vorinstanz entschieden, dass das Vaterschaftsanerkenntnis wirksam ist und Brigitte U. deshalb nach § 1592 Nr. 2 BGB auch rechtlich als Vater des Kindes Jonas anzusehen ist.
Nach § 11 TSG soll das Verhältnis zu den Kindern des Umgewandelten durch die neue Geschlechtszuordnung unberührt bleiben. Diese Regelung erfasse nicht nur Kinder, die bei der gerichtlichen Feststellung des neuen Geschlechts bereits geboren oder gezeugt sind, sondern auch solche, die erst später zur Welt gekommen sind. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollten alle leiblichen Kinder vom Schutz des § 11 TSG erfasst sein. Für alle Kinder gelte gleichermaßen, dass die Kenntnis der Herkunft wichtige Anknüpfungspunkte für das Verständnis des familiären Zusammenhangs und für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit geben kann und dass die Unmöglichkeit, die eigene Abstammung zu klären, den Einzelnen erheblich belasten und verunsichern kann.
Allerdings sei das zweite Elternteil nicht mit dem Vornamen Brigitte, sondern mit dem früheren Vornamen „Bernd“ in die Geburtsurkunden aufzunehmen. Denn die Eintragung in der Geburtsurkunde solle bei Dritten keinen Anlass zu Spekulationen geben und der Gefahr einer Offenlegung der Transsexualität eines Elternteils vorbeugen.
Ein weiteres Rechtsmittel ist nicht gegeben.
(OLG Köln, 11.12.2009, 16 Wx 94/09)

VonHagen Döhl

AG München entzieht Mutter wegen Umgangsvereitelung Sorgerecht für Sohn

AG München, Beschluss vom 01.12.2009
Vereitelt ein Elternteil den Kontakt seines Kindes mit dem anderen Elternteil, obwohl kein Grund dafür besteht und entzieht er sich auch allen Vermittlungs- und Hilfsangeboten, kann als letzte Konsequenz das Sorgerecht entzogen werden. Das geht aus einem am 01.12.2009 mitgeteilten Beschluss des Amtsgerichts München hervor. Dieses hatte einer Mutter das Sorgerecht für den Sohn bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts, des Rechts zur Ausübung der Gesundheitsfürsorge und des Rechts zur Ausübung der Schulwahl entzogen und dem Vater übertragen.

Das Elternpaar hatte sich vor fast zwei Jahren getrennt. Das 10-jährige Kind wohnte bei der Mutter, das Sorgerecht bestand aber weiterhin für beide. Der Vater war auch sehr interessiert daran, seinen Sohn weiter zu sehen. Bereits von Anfang an stieß dies jedoch auf Schwierigkeiten. Denn trotz mehrerer Umgangsvereinbarungen konnte der Vater sein Kind in eineinhalb Jahren nur fünfmal sehen. Von Seiten des Familiengerichts, an das sich der Vater wandte, wurde eine Vielzahl von Versuchen gestartet, die Mutter zu bewegen, den Umgang des Sohnes mit seinem Vater zu gestatten. Eine Beratungsstelle wurde eingeschaltet, ein Mediationsverfahren versucht, eine Umgangspflegerin eingesetzt, die den Umgang begleiten und damit der Mutter ihre Ängste nehmen sollte. Schließlich gab es auch Zwangsgeldandrohungen. Nichts konnte die Mutter bewegen, das Kind öfters zum Vater zu lassen. Im Gegenteil – sie meldete im Herbst 2009 das Kind ohne Zustimmung des Vaters von seiner Schule ab.

Daraufhin kam es schließlich zu einer Verhandlung vor dem Familiengericht des AG München. Die zuständige Richterin erholte Stellungnahmen der Umgangspflegerin, des Jugendamtes und schaltete auch einen Sachverständigen ein. Alle kamen zu dem Ergebnis, dass nichts gegen die Besuche des Sohnes bei seinem Vater spricht. Nach der Anhörung aller Beteiligten entzog die Familienrichterin das Sorgerecht der Mutter bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts, des Rechts zur Ausübung der Gesundheitsfürsorge und des Rechts zur Ausübung der Schulwahl und übertrug es auf den Vater, dem das Kind in der Verhandlung auch übergeben wurde. Beim Vater bestünden keine Erziehungsdefizite, so das Gericht. Es sei eine enge vertrauensvolle Vater-Kind-Bindung gegeben, die für die positive Entwicklung des Kindes unverzichtbar sei. Die Mutter sei nicht in der Lage, das Bedürfnis ihres Sohnes nach Kontakt zum Vater unter Hintanstellung ihrer eigenen Probleme zu respektieren und zu unterstützen. Nachdem sämtliche Bemühungen gescheitert seien, sei als letztes Mittel ein Überwechseln des Kindes zum anderen Elternteil angezeigt.

Die zuständige Richterin befand, dass der Wechsel der Hauptbezugsperson vom Kind leichter zu verkraften sei als die fortdauernde Traumatisierung durch den Verlust einer Elternbeziehung. Da der Vater im Gegensatz zur Mutter bereit sei, den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zuzulassen, gebiete es das Kindeswohl, diese Entscheidung zu treffen, so das Gericht. Dem stehe auch nicht entgegen, dass der Sohn momentan nicht zum Vater wolle. Dies sei nicht sein wirklicher Wunsch, sondern resultiere nur aus dem von der Mutter geschaffenen Loyalitätskonflikt.
AG München, Beschluss vom 01.12.2009

VonHagen Döhl

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte stärkt Single-Vater den Rücken

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat unverheirateten Vätern in Deutschland den Rücken gestärkt. In einem wegweisenden Urteil gaben die Straßburger Richter am 03.12.2009 einem ledigen Vater im Streit um die Sorgeberechtigung für seine 14-jährige Tochter Recht. Der 45-jährige sieht die Bevorzugung von Müttern in Deutschland beim Sorgerecht als Diskriminierung an. Nach derzeitiger Rechtslage können nicht verheiratete Väter nur mit Zustimmung der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht erhalten. Bei ehelich geborenen Kindern gilt hingegen in der Regel ein gemeinsames Sorgerecht. Der Verein «Väteraufbruch» schätzt, dass von dem Urteil 1,5 Millionen Väter von 1,6 Millionen Kindern betroffen sind. Die Bundesregierung prüft nun, ob das Sorgerecht geändert werden muss.
EGMR, Urteil vom 03.12.2009

VonHagen Döhl

Voraussetzungen für Zuordnung eines Pkws zum Hausrat

Ein Pkw ist Hausrat, wenn er aufgrund gemeinsamer Zweckbestimmung der Ehegatten
für das familiäre und eheliche Zusammenleben genutzt wird und im Wesentlichen nicht
den persönlichen Zwecken nur eines Ehegatten dient: Gemäß § 23b Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 GVG; § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO ist das Familiengericht ausschließlich zuständig, die Regelung über die Behandlung des Hausrats (hier: Herausgabe eines Pkws) zu treffen.
OLG Saarbrücken, Beschluss vom 19.08.2009, 9 W 257/09 – 11, 9 W 257/09

VonHagen Döhl

Erbrechtsreform 2010

Der Bundesrat hat am 18.09.2009 den Weg zur Erbrechtsreform freigemacht; die Neuregelung wird am 01.01.2010 in Kraft treten.

Die wichtigsten Punkte der Reform im Einzelnen:

1. Modernisierung der Pflichtteilsentziehungsgründe
Das Pflichtteilsrecht lässt Abkömmlinge oder Eltern sowie Ehegatten und Lebenspartner auch dann am Nachlass teilhaben, wenn sie der Erblasser durch Testament oder Erbvertrag von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hat. Der Pflichtteil umfasst die Hälfte des gesetzlichen Erbteils; diese Höhe bleibt durch die geplanten Neuerungen unberührt.
Ein wesentliches Anliegen der Reform ist die Stärkung der Testierfreiheit des Erblassers, also seines Rechts, durch Verfügung von Todes wegen über seinen Nachlass zu bestimmen. Dementsprechend werden die Gründe überarbeitet, die den Erblasser berechtigen, den Pflichtteil zu entziehen:

• Die Entziehungsgründe sollen vereinheitlicht werden, indem sie künftig für Abkömmlinge, Eltern und Ehegatten oder Lebenspartner gleichermaßen Anwendung finden. Bislang gelten insoweit Unterschiede.

• Darüber hinaus sollen künftig alle Personen geschützt werden, die dem Erblasser ähnlich wie ein Ehegatte, Lebenspartner oder Kind nahe stehen, z.B. auch Stief- und Pflegekinder. Eine Pflichtteilsentziehung soll auch dann möglich sein, wenn der Pflichtteilsberechtigte diesen Personen nach dem Leben trachtet oder ihnen gegenüber sonst eine schwere Straftat begeht. Nach derzeitiger Gesetzeslage ist dies nur bei entsprechenden Vorfällen gegenüber einem viel engeren Personenkreis möglich.
Beispiel: Wird der langjährige Lebensgefährte der Erblasserin durch ihren Sohn getötet oder die Tochter des Erblassers durch seinen Sohn körperlich schwer misshandelt, rechtfertigt dies künftig eine Entziehung des Pflichtteils.

• Der Entziehungsgrund des „ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels“ soll entfallen. Zum einen gilt er derzeit nur für Abkömmlinge, nicht aber für die Entziehung des Pflichtteils von Eltern und Ehegatten. Zum anderen hat er sich als zu unbestimmt erwiesen. Stattdessen soll künftig eine rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung zur Entziehung des Pflichtteils berechtigen. Zusätzlich muss es dem Erblasser unzumutbar sein, dem Verurteilten seinen Pflichtteil zu belassen. Gleiches soll bei Straftaten gelten, die im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen wurden.

2. Maßvolle Erweiterung der Stundungsgründe

Besteht das Vermögen des Erblassers im Wesentlichen aus einem Eigenheim oder einem Unternehmen, müssen die Erben diese Vermögenswerte oft nach dem Tod des Erblassers verkaufen, um den Pflichtteil auszahlen zu können. Lösung bietet hier die bereits geltende Stundungsregelung, die jedoch derzeit eng ausgestaltet und nur dem pflichtteilsberechtigten Erben (insbes. Abkömmling, Ehegatte) eröffnet ist. Mit der Reform soll die Stundung unter erleichterten Voraussetzungen und für jeden Erben durchsetzbar sein.
Beispiel: In Zukunft kann auch der Neffe, der ein Unternehmen geerbt hat oder die Lebensgefährtin des Erblassers eine Stundung gegenüber den pflichtteilsberechtigten Kindern geltend machen, sofern die Erfüllung des Pflichtteils eine „unbillige Härte“ darstellen würde.

3. Gleitende Ausschlussfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch

Schenkungen des Erblassers können zu einem Anspruch auf Ergänzung des Pflichtteils gegen den Erben oder den Beschenkten führen. Durch diesen Anspruch wird der Pflichtteilsberechtigte so gestellt, als ob die Schenkung nicht erfolgt und damit das Vermögen des Erblassers durch die Schenkung nicht verringert worden wäre. Die Schenkung wird in voller Höhe berücksichtigt. Sind seit der Schenkung allerdings zehn Jahre verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt. Dies gilt auch, wenn der Erblasser nur einen Tag nach Ablauf der Frist stirbt.
Die Reform sieht nun vor, dass die Schenkung für die Berechnung des Ergänzungsanspruchs graduell immer weniger Berücksichtigung findet, je länger sie zurück liegt: Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall wird demnach voll in die Berechnung einbezogen, im zweiten Jahr jedoch nur noch zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 usw. berücksichtigt. Damit wird sowohl dem Erben als auch dem Beschenkten mehr Planungssicherheit eingeräumt.

4. Bessere Honorierung von Pflegeleistungen beim Erbausgleich

Auch außerhalb des Pflichtteilsrechts wird das Erbrecht vereinfacht und modernisiert. Ein wichtiger Punkt ist die bessere Berücksichtigung von Pflegeleistungen bei der Erbauseinandersetzung. Zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden zu Hause versorgt, über die finanzielle Seite wird dabei selten gesprochen. Trifft der Erblasser auch in seinem Testament keine Ausgleichsregelung, geht der pflegende Angehörige heute oftmals leer aus. Erbrechtliche Ausgleichsansprüche gibt es nur für einen Abkömmling, der unter Verzicht auf berufliches Einkommen den Erblasser über längere Zeit gepflegt hat. Künftig soll der Anspruch unabhängig davon sein, ob für die Pflegeleistungen auf ein eigenes berufliches Einkommen verzichtet wurde.
Beispiel: Die verwitwete Erblasserin wird über lange Zeit von ihrer berufstätigen Tochter gepflegt. Der Sohn kümmert sich nicht. Die Erblasserin stirbt, ohne ein Testament hinterlassen zu haben. Der Nachlass beträgt 100.000 € Die Pflegeleistungen sind mit 20.000 € zu bewerten. Derzeit erben Sohn und Tochter je zur Hälfte. Künftig kann die Schwester einen Ausgleich für ihre Pflegeleistungen verlangen. Von dem Nachlass wird zugunsten der Schwester der Ausgleichsbetrag abgezogen und der Rest nach der Erbquote verteilt (100.000-20.000 = 80.000). Von den 80.000 € erhalten beide die Hälfte, die Schwester zusätzlich den Ausgleichsbetrag von 20.000 €. Im Ergebnis erhält die Schwester also 60.000 €

5. Abkürzung der Verjährung von familien- und erbrechtlichen Ansprüchen

Änderungsbedarf hat sich auch im Verjährungsrecht ergeben. Mit dem Gesetzentwurf wird die Verjährung von familien- und erbrechtlichen Ansprüchen an die Verjährungsvorschriften des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes von 2001 angepasst. Diese sehen eine Regelverjährung von drei Jahren vor. Dagegen unterliegen die familien- und erbrechtlichen Ansprüche noch immer einer Sonderverjährung von 30 Jahren, von denen das Gesetz zahlreiche Ausnahmen macht. Dies führt zu Wertungswidersprüchen in der Praxis und bereitet Schwierigkeiten bei der Abwicklung der betroffenen Rechtsverhältnisse. Die Verjährung familien- und erbrechtlicher Ansprüche wird daher der Regelverjährung von 3 Jahren angepasst. Dort, wo es sinnvoll ist, bleibt jedoch die lange Verjährung erhalten.
Die Reform wird nach Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und Verkündung im Bundesgesetzblatt am 01.01.2010 in Kraft treten; die Rechtsänderung zum Jahreswechsel bietet sich insbesondere wegen der vorgesehenen Änderungen des Verjährungsrechts an.

VonHagen Döhl

nachehelicher Betreuungsunterhalt für Kinder über 3 Jahre

Nach § 1570 Abs. 1 Satz 2 BGB dauert der Anspruch auf nachehelichen Betreuungsunterhalt nur noch dann über die Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes fort, wenn dies der Billigkeit entspricht. Damit verlangt die Neuregelung regelmäßig aber keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit. Nach Maßgabe der im Gesetz genannten kindbezogenen (§ 1570 Abs. 1 Satz 3 BGB) und elternbezogenen (§ 1570 Abs. 2 BGB) Gründen ist auch nach dem neuen Unterhaltsrecht ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich (im Anschluss an die Senatsurteile vom 6. Mai 2009 – XII ZR 114/08 – FamRZ 2009, 1124; vom 18. März 2009 – XII ZR 74/08 – FamRZ 2009, 770, 772 und vom 16. Juli 2008 – XII ZR 109/05 – FamRZ 2008, 1739, 1748).
(BGH Urteil 17.06.2009, XII ZR 102/08)

VonHagen Döhl

Zur Kündigung eines vom Ehegatten abgeschlossenen Energieversorgungsvertrages im Rahmen der Schlüsselgewalt bei erst späterer tatsächlicher Rückgabe der Wohnung an den Vermieter

Kündigt ein Ehepartner, der nach der Trennung in der Mietwohnung wohnen bleibt, den vom anderen Ehepartner geschlossenen Energieversorgungsvertrag, so ist diese Kündigung wirksam – und zwar auch für den schon vorher ausgezogenen Partner. Letzterer haftet aber trotz seines Auszuges als Vertragspartner des Energieversorgers für die Kosten des Energieverbrauchs bis zur Rückgabe der Wohnung.

Die Beklagte und ihr Ehemann waren gemeinschaftliche Mieter der Wohnung. Die Streitverkündete ist Eigentümer und war Vermieter der Wohnung. Die Klägerin ist der örtliche Gasversorger. Am 11.07.2003 meldete die Beklagte allein unter ihrem Namen, die Wohnung bei der Klägerin schriftlich zum Gasverbrauch an. Am 17.08.2005 sprach der Ehemann der Beklagten, dieser dabei durch den ihn bestellten Betreuer vertreten, die Kündigung des Gasversorgungsvertrages zum 31.08.2005 aus. Mit Schreiben vom 14.09.2005 teilte der Betreuer des Ehemannes der Beklagten den Zählerstand mit „2.897,970“ mit. Mit Datum vom 26.09.2005 übersandte die Klägerin dem Betreuer des Ehemannes der Beklagten eine Schlussrechnung für die Zeit bis zum 31.08.2005 über 86,51 €. Diese Rechnung wurde bezahlt.
Am 03.11.2005 besichtigte der Nachmieter die Wohnung. Dabei monierte er für den Zähler einen Stand von 3.296. Die Heizungsanlage der Wohnung wurde bei dieser Gelegenheit abgestellt. Am 27.11.2005 übergab die Streitverkündete dem Nachmieter die Wohnung zum Besitz. Die Klägerin stellte dem Ehemann der Beklagten für die Zeit vom 01.09. bis 14.10.2005 weiteren Gasverbrauch (Anfangszählerstand 2.897; Endählerstand 3.245) mit 210,11 € in Rechnung. Sie nimmt nunmehr die Beklagte auf Bezahlung dieser Rechnung in Anspruch. Sie hatte die Beklagte zweimal schriftlich vergeblich gemahnt und eine Meldeamtsanfrage nach der Anschrift der Beklagten gehalten (Kosten 5,00 €).
Die Klägerin behauptet, ein für den 01.10.2005 vorgesehener Termin für die Rückgabe der Mietwohnung an die Streitverkündete sei wegen Mängeln im Wohnungszustand nicht vollzogen worden. Erst am 14.10.2005 hätten die Beklagte und ihr Ehemann die Schlüssel zur Mietwohnung zurückgegeben. Bei der Wohnungsbesichtigung mit dem Nachmieter am 03.11.2005 sei die Heizung auf volle Leistung eingestellt gewesen und habe demgemäß weiter Gas verbraucht. Bei Schlüsselübergabe an den Nachmieter sei der Zählerstand auf dem Protokoll vermerkt worden. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte hafte im Wege der Schlüsselgewalt für den Gasverbrauch der ehelichen Wohnung. Die für den Ehemann der Beklagten ausgesprochene Kündigung habe nur für diesen, nicht aber auch für die Beklagte gewirkt…

Die Beklagte behauptet, bereits am 01.06.2005 aus der Ehewohnung ausgezogen zu sein und seitdem von ihrem Ehemann getrennt zu leben. Die Mietwohnung sei bereits am 15.09.2005 nahezu rügelos unter Abgabe aller Schlüssel an die Streitverkündete zurückgegeben worden. Alle Heizkörper seien dabei auf Null gestellt gewesen. Noch am selben Tag seien die Nachmieter, darunter die Tochter der Streitverkündeten, in die Wohnung eingezogen.

Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Die Beklagte hat den Vertrag über die Versorgung der ehelichen Mietwohnung im eigenen Namen abgeschlossen. Dadurch ist jedenfalls sie selbst Vertragspartner geworden, sodass es nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist, inwieweit dadurch auch ihr Ehemann in diese vertragliche Verpflichtung eingebunden worden ist.

Der von der Beklagten behauptete Auszug aus der Mietwohnung und Ihr Getrenntleben vom Ehepartner führen nicht dazu, dass sie für die Kosten des weiteren Gasverbrauch in der vormaligen Ehewohnung nicht mehr haftet.

Die für den Ehemann der Beklagten ausgesprochene Kündigung des Versorgungsverhältnisses ließ nicht nur ihn aus einem ansonsten mit der Beklagten fortbestehenden Versorgungsvertrag ausscheiden, sondern auch die Beklagte.
(Amtsgericht Neuruppin Urteil vom 17.12.2008 – 42 C 192/07; FamRZ 2009, 1221)

VonHagen Döhl

Kindergartenkosten erhöhen Unterhaltsanspruch des Kindes

Der BGH hat seine Rechtsprechung aufgegeben, wonach Kosten für den Besuch eines Kindergartens oder vergleichbare Betreuungskosten in Höhe eines Betrages von 50,00 € im Monat bereits von den einschlägigen Unterhaltstabellen berücksichtigt seien.

Bisher hatte der BGH die Auffassung vertreten, dass Kindergartenbeiträge bis zu einem monatlichen Betrag von 50,00 € durch die Tabellenbeträge der Düsseldorfer Tabelle bereits abgedeckt seien. Nur darüber hinaus läge ein Mehrbedarf des Kindes vor.
Diese Rechtsprechung hat der BGH nun ausdrücklich aufgegeben. Die Höhe des Kindesunterhaltes bemisst sich nun nach dem steuerlichen Existenzminimum, d.h. nach dem doppelten Kinderfreibetrag. Nach § 27 Abs. 1 SGB XII deckt das Existenzminimum nur die Kosten des notwendigen Lebensbedarfs, wozu Betreuungskosten nicht zählen. Es spielt dabei keine Rolle, nach welcher Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle der Unterhalt geschuldet wird.
Soweit allerdings in Kindergartenbeiträgen bzw. Betreuungskosten auch Verpflegungskosten enthalten sind, sind diese Anteile herauszurechnen. Sie zählen zum notwendigen Lebensbedarf.

(BGH Urteil vom 26.11.2008 – XII ZR 65/07)