Kategorien-Archiv Baurecht

VonHagen Döhl

Keine Mängelansprüche trotz mangelhafter Leistung?

Weicht der Auftragnehmer von den vereinbarten planerischen Vorgaben ab, ist die Leistung auch dann mangelhaft, wenn keine Wert- oder Tauglichkeitsminderung vorliegt. Allein aufgrund der Beschaffenheitsabweichung liegt ein Mangel vor. Der Auftraggeber kann trotz einer bestehenden Abweichung zwischen erbrachter und geschuldeter Leistung keine Mängelrechte geltend machen, wenn die vom Auftragnehmer gewählte Ausführung aus fachlicher Sicht nicht zu beanstanden ist, sie weder optische noch bautechnische Nachteile hat und es dem Auftraggeber erkennbar nicht auf eine bestimmte, sondern (lediglich) auf eine geeignete Ausführungsart ankommt, so das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 03.07.2012.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 03.07.2012 – 21 U 150/09

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Auftraggeber fachkundig: Keine Prüfungs- und Hinweispflicht!

Das OLG Celle hat entschieden, dass die Prüfungs- und Hinweispflicht des Werkunternehmers eine leistungsbezogene Verpflichtung ist und unmittelbar aus der Herstellungspflicht der §§ 631, 633 Abs. 2 BGB folgt. In diesem Rahmen kann ein Unternehmer grundsätzlich auch verpflichtet sein, auf Bedenken gegen die vom Auftraggeber vorgesehene Art der Ausführung oder gegen die Brauchbarkeit der vom Auftraggeber gelieferten Stoffe oder Vorleistungen hinzuweisen. Der Umfang der Hinweis- und Prüfungspflicht hängt allerdings entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Prüfungs- und Hinweispflicht entfällt, wenn sich der Auftragnehmer darauf verlassen kann, dass der Auftraggeber selbst erkennbar hinreichend fachlich in der Lage ist, die Unzulänglichkeiten und Abweichungen von der an sich notwendigen Art der Ausführung zu erkennen.

OLG Celle, Urteil vom 23.03.2011 – 14 U 89/09; BGH, 09.08.2012 – VII ZR 93/11 (NZB zurückgewiesen)

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Abweichende Bodenverhältnisse: Wer trägt das Baugrundrisiko?

Dem OLG Jena zufolge realisiert sich das Baugrundrisiko, wenn die tatsächlichen Bodenverhältnisse nicht mit den Vorgaben des Baugrundgutachtens übereinstimmen. Die Vertragspartei, die das Baugrundrisiko trägt, muss auch den mit der Abweichung zwischen tatsächlichen und beschriebenen Bodenverhältnissen verbundenen finanziellen Mehraufwand tragen. Grundsätzlich trägt der Auftraggeber das Baugrundrisiko, weil es sich beim Baugrund um einen von ihm zur Verfügung zu stellenden Stoff handelt. Das Baugrundrisiko kann allerdings durch Vertrag wirksam auf den Auftragnehmer übertragen werden. Die Übertragung des Baugrundrisikos ist in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers nur dann unwirksam, wenn dem Auftragnehmer dadurch Ansprüche abgeschnitten werden, die sich durch Erschwernisse ergeben, die erst nach Abgabe des Angebots erkennbar werden.

OLG Jena, Urteil vom 25.05.2010 – 5 U 622/09; BGH, 12.07.2012 – VII ZR 108/10 (NZB zurückgewiesen)

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Vertragsstrafe auf max. 10% begrenzt: Klausel unwirksam!

Das Thema Vertragsstrafe beschäftigt immer wieder die Gerichte.
Das OLG Brandenburg hat am 04.07.2012 entschieden, dass eine Vertragsstrafenregelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, wonach der Auftragnehmer 0,20% der Nettoabrechnungssumme für jeden Werktag der Verspätung, höchstens jedoch 10% der Nettoabrechnungssumme zu zahlen hat, den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt und deshalb unwirksam ist. Der Einschätzung als Allgemeiner Geschäftsbedingung steht dabei nicht entgegen, dass die Parteien den im Vertragsformular vorgesehenen Text gestrichen und handschriftlich die gleiche Regelung mit dem Hinweis, die Vertragsstrafe sei verhandelt worden und gelte „zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer vereinbart“, eingefügt haben. Nach Ansicht des Gerichts belegt zudem der Umstand einer zeitlich späteren Fertigstellung der Leistungen noch nicht das für die Verwirkung einer Vertragsstrafe nötige Verschulden des Auftragnehmers.
(OLG Brandenburg, Urteil vom 04.07.2012 – 13 U 63/08)

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Keine Mehrvergütung bei Bauzeitverlängerung!

Ein Architekt/Ingenieur hat Anspruch auf ein Honorar, das sich nach den anrechenbaren Kosten, der Honorarzone, der Honorartafel und den erbrachten Leistungen richtet. Dies gilt sowohl für die nach dem Hauptauftrag als auch für die nach den Nachaufträgen geschuldeten Leistungen. Auf den für die Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand kommt es für die Bemessung der Vergütung nicht an. Ein zusätzlich zu vergütender Mehraufwand liegt deshalb nicht schon dann vor, wenn die vom Architekten/Ingenieur geschuldeten Leistungen über einen längeren Zeitraum erbracht werden müssen; allein die Streckung des Leistungszeitraums reicht nicht aus. Das hat das KG entschieden.
KG, Urteil vom 13.04.2010 – 21 U 191/08;
BGH, Beschluss vom 24.05.2012 – VII ZR 80/10 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

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Fehlende Genehmigungen sind Risiko des Auftraggebers

Das OLG Düsseldorf hat entschieden, dass der Auftraggeber die gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 VOB/B erforderlichen Genehmigungen und Erlaubnisse nicht nur überhaupt, sondern insbesondere so rechtzeitig und ordnungsgemäß zu stellen und sie ggf. unter Ausschöpfung von Rechtsmitteln bzw. -behelfen weiterzuverfolgen hat, dass der Auftragnehmer in die Lage versetzt wird, seine Werkleistung vertragsgetreu und rechtzeitig zu erfüllen. Der Auftraggeber trägt deshalb in der Regel das Risiko für die Genehmigung auch für den Fall, dass er den Werkvertrag mit dem Auftragnehmer vor Erteilung der Genehmigung abschließt. Nur in besonderen Einzelfällen kann den Auftragnehmer eine Aufklärungspflicht treffen, sofern er eine Spezialbaumaßnahme mit besonderen Genehmigungen zu erbringen hat, bei der der Auftraggeber keinen Architekten oder Sonderfachmann beauftragt hat und auch sonst nicht fachkundig bzw. fachkundig beraten ist.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.09.2011 – 23 U 137/10

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Für Senioren gebaut, heißt nicht seniorengerecht.

Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass aus der allgemeinen Aussage in einem Bauträgerprospekt, es werde – auch – für Familien und Senioren gebaut, nicht der Schluss gezogen werden kann, dass die Wohnungen seniorengerecht oder insgesamt barrierefrei ausgeführt werden. Auch enthält die Zusage, dass der Zugang zur Wohnung, den Kellerräumen und den Tiefgaragenplätzen barrierefrei ausgeführt wird, keine verbindliche Aussage dahingehend, dass die Terrassen ebenfalls barrierefrei zugänglich sind.
(OLG Stuttgart, Urteil vom 14.12.2010 – 10 U 52/10; der BGH hat durch Beschluss vom 08.03.2012 – VII ZR 221/10 – die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

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Kostenrahmen überschritten: Architekt haftet!

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die zutreffende Kostenermittlung zu den Grundleistungen eines Architekten gehört. Wird ein Bauvorhaben als Renditeobjekt zur Finanzierung eines weiteren Vorhabens errichtet und ist dem Architekten das Investitionskonzept des Auftraggebers bekannt, wird bei Auftragsvergabe ein verbindlicher Kostenrahmen vereinbart und der Architekt muss den Kosten erhöhte Aufmerksamkeit widmen. Deshalb kommt eine Toleranz bei einer Kostenüberschreitung nicht in Betracht, wenn der Architekt keine ausreichende Kostenkontrolle vornimmt. OLG Frankfurt, Urteil vom 15.12.2011 – 12 U 71/10

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Wenn der Bauunternehmer nach berechnet

Der Auftragnehmer ist nicht an seine Schlussrechnung gebunden!

Die Schlussrechnung eines Werkunternehmers entfaltet – von den Fällen des § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B abgesehen – keine Bindungswirkung zu Lasten des Auftragnehmers.
Der Auftragnehmer ist deshalb nicht gehindert, auch noch nach Stellung der Schlussrechnung solche Forderungen geltend zu machen, die nicht in die Schlussrechnung aufgenommen worden sind, aber in ihr hätten enthalten sein können.
Derartige Ansprüche werden allerdings gemeinsam mit den in der Schlussrechnung enthaltenen Forderungen fällig und verjähren innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren.

So hat es das OLG Hamm mit Urteil vom 21.02.2012 (21 U 93/11) entschieden.

Der entschieden Sachverhalt war folgender:
Der Auftragnehmer erhielt im Jahr 2000 den Auftrag zur Ausführung von MSR-Technik. Die VOB/B ist vereinbart. Als es zu Verzögerung im Bauablauf kommt, führte der AN auf Anordnung des Auftraggebers Beschleunigungsmaßnahmen durch. Nach Abnahme der Leistung stellte er im April 2004 seine Schlussrechnung, mit der er Beschleunigungskosten in Höhe von 540.000 Euro geltend machte. Die Rechnung wurde vom Bauherren zwar kurzfristig geprüft, aber nicht bezahlt, woraufhin der Auftragnehmer Mitte 2005 Klage erhob. Im Verlauf des Prozesses stellt sich heraus, dass die tatsächlichen Beschleunigungskosten über 830.000 Euro betrugen. Während der Bauherr insoweit die Einrede der Verjährung erhob, beantragte der Auftragnehmer am 05.03.2010, ihm weitere 290.000 Euro zuzusprechen.

Ohne Erfolg! Zwar entfaltet die Schlussrechnung – von den Fällen des § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B abgesehen – keine Bindungswirkung zu Lasten des Auftragnehmers, so dass der AN nicht gehindert ist, auch nach Stellung der Schlussrechnung noch Ansprüche aus dem betreffenden Bauvorhaben geltend zu machen. Allerdings ist der weitergehende Vergütungsanspruch verjährt. Nach Prüfung der Schlussrechnung bzw. dem Ablauf der zweimonatigen Prüffrist des § 16 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B werden nicht nur diejenigen Forderungen fällig, die in der Rechnung enthalten sind, sondern zudem solche, die in die Schlussrechnung nicht aufgenommen worden sind, aber in ihr hätten enthalten sein können. Insoweit gilt eine einheitliche Fälligkeit für alle Ansprüche aus einem einheitlichen Auftrag. Die Verjährung begann vorliegend gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB am 31.12.2004 und endete am 31.12.2007. Die im Jahr 2005 erhobene Klage hat nicht zu einer Hemmung der Verjährung in Bezug auf erst später geltend gemachten 290.000 Euro geführt. Wird nur ein Teil eines einheitlichen Anspruchs eingeklagt, wird die Verjährung auch nur insoweit gehemmt.

Der Grundsatz, dass der Auftragnehmer nicht an seine Schlussrechnung gebunden ist, wird lediglich von § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B durchbrochen. Danach schließt die vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung etwaige Nachforderungen aus, wenn der Auftragnehmer über die Schlusszahlung schriftlich unterrichtet und auf die Ausschlusswirkung hingewiesen wurde. Diese Regelung ist allerdings AGB-widrig und unwirksam, wenn man – wie dies der Praxis üblich ist – die VOB/B nicht „als Ganzes“ vereinbart hat (BGH, IBR 2002, 1; BGH, IBR 1998, 235; OLG Köln, IBR 1996, 17; OLG Hamm, IBR 1995, 422). Zudem muss der Hinweis auf den mit einer vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung verbundene Ausschluss etwaiger Nachforderungen ausdrücklich erfolgen. Die Erklärung, dass „diese Mitteilung unter Hinweis auf die Ausschlusswirkung gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B erfolgt“, genügt dieser Anforderung nicht (vgl. KG, IBR 2000, 380).

VonHagen Döhl

Selbständiges Beweisverfahren über Mangelfreiheit kann Verjährung des Werklohnanspruchs hemmen

Nach der Entscheidung des BGH vom 09.02.2012 wird die Verjährung des Vergütungsanspruchs des Auftragnehmers gehemmt, wenn der Auftragnehmer zur Aufklärung von Werkmängeln ein selbständiges Beweisverfahren einleitet, um die Abnahmereife seiner Werkleistungen und die tatsächlichen Voraussetzungen für die Fälligkeit seines Vergütungsanspruchs nachweisen zu können.
BGH, Beschluss vom 09.02.2012 – VII ZR 135/11