Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

BAG: Betriebsbedingte Kündigung wegen Verlagerung von Arbeitsaufgaben auf selbständige Einzelunternehmer

Entschließt sich der Arbeitgeber, bisher von Arbeitnehmern ausgeübte Tätigkeiten in Zukunft nicht mehr durch Arbeitnehmer, sondern durch selbständige Unternehmer ausführen zu lassen, so entfällt nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in diesem Umfang das bisherige Beschäftigungsbedürfnis für Arbeitnehmer und ein betriebsbedingter Kündigungsgrund liegt vor.
BAG, Urteil vom 13.03.2008 – 2 AZR 1037/06

VonHagen Döhl

Schadenersatz des Arbeitnehmers bei Eigenkündigung

Nach § 28 Abs. 2 BGB hat der Arbeitnehmer, der durch vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers zur fristlosen (nach § 626, 627 BGB) Kündigung veranlasst wird, gegen diesen einen Schadenersatzanspruch, der neben der entgangenen Vergütung auch eine angemessene Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes entsprechend § 9, 10 KschG umfasst.
Dieser Entschädigungsanspruch für den Verlust des Arbeitsplatzes setzt voraus, dass der durch den Kündigungsschutz vermittelte Bestandschutz verloren geht. Der Anspruch hat neben der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzes weiter zur Voraussetzung, dass der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Arbeitnehmerkündigung das Arbeitsverhältnis nicht selbst hätte kündigen können, dass also kein Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KschG bestand.
(BAG, Urteil v. 26.7.2007 – 8 AZR 796/06, NZA 2007, 1419)

VonHagen Döhl

Kündigungsfristen: Altersdiskriminierung durch § 622 BGB wegen Nichtberücksichtigung von Beschäftigungszeiten

Dadurch, dass nach der Regelung des § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB für die Bestimmung der jeweils maßgeblichen gesetzlichen Kündigungsfristen nur solche Betriebszugehörigkeiten zu berücksichtigen sind, die ab Vollendung des 25. Lebensjahres zurückgelegt wurden, erfahren jüngere Arbeitnehmer allein auf Grund ihres Lebensalters eine weniger günstigere Behandlung als ältere Arbeitnehmer, denn für sie tritt eine Verlängerung der Kündigungsfrist auf Grund ihres (jüngeren) Lebensalters auch dann nicht ein, wenn sie die im Gesetz für die Verlängerung der Kündigungsfrist vorgesehene Betriebszugehörigkeit (an sich) aufweisen. Folge ist, dass die Vorschrift sowohl gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung als auch gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot wegen des Alters verstößt und damit nicht mehr anzuwenden ist.
(LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 24.7.2007 – 7 Sa 561/07 – DB 2007, 2542)

VonHagen Döhl

Deckungsschutz für außergerichtliche arbeitsrechtliche Vertretung

Der Rechtsschutzversicherer hat dem Versicherungsnehmer eine Deckungszusage auch für das zunächst außergerichtliche Vorgehen gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber zu gewähren, wenn dieser nach Ausspruch der Kündigung ein Angebot zum Abschluss eines Abwicklungsvertrages unterbreitet hatte.
(AG München, Urteil v. 27.4.2007 – 223 C 27792/06 – JurBüro 2007, 291)

VonHagen Döhl

BAG bejaht Prozessführungsbefugnis eines Arbeitnehmers für die Bundesagentur für Arbeit

Die Prozessführungsbefugnis kann nach allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts durch Rechtsgeschäft vom Rechtsträger auf die Prozesspartei übertragen werden, wenn diese ein schutzwürdiges Interesse besitzt, das fremde Recht im eigenen Namen geltend zu machen. Diese Prozessstandschaft ist nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts auch bei Vergütungsansprüchen eines Arbeitnehmers möglich, soweit diese wegen der Zahlung von Arbeitslosengeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind (Urteil vom 19.03.2008, Az.: 5 AZR 432/07).

VonHagen Döhl

AGB-Kontrolle – Vertrauensschutz bei Ausschlussfristen

Eine Ausschlussfrist von 2 Monaten, die in einem vor dem 1.1.2002 beschlossenen Arbeitsvertrag enthalten ist, ist ersatzlos unwirksam.
(BAG, Urteil v. 28.11.2007 – 5 AZR 992/06)

VonHagen Döhl

Personenbedingte Kündigung – betriebliches Eingliederungsmanagement

Das Erfordernis eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 II SGB IX besteht für alle Arbeitnehmer, nicht nur für behinderte Menschen. Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 II SGB IX ist keine formale Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung. Die Regelung des § 84 II SGB IX stellt eine Konkretisierung des dem gesamten Kündigungsschutzrecht innewohnenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar.
(BAG, Urteil v. 12.7.2007 – 2 AZR 716/06)

VonHagen Döhl

Entgeltfortzahlung bei Freistellung

Vereinbaren Parteien im Zusammenhang mit einer Kündigung, dass ein Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Bezüge unwiderruflich von der Arbeit freigestellt wird, führt die Auslegung dieser Vereinbarung im Allgemeinen nur dazu, dass die Arbeitspflicht entfällt, ohne dass ein Anspruch auf Arbeitsvergütung über die gesetzlichen Grundlagen hinaus begründet wird Wollen die Parteien eine davon unabhängige entsprechende Zahlungspflicht schaffen, bedarf dies einer ausdrücklichen Regelung.
Wenn sich der Arbeitgeber lediglich verpflichtet, ohne Rücksicht auf die Freistellung „ordnungsgemäß abzurechnen“, schuldet er Arbeitsvergütung nur bei Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers oder nach den gesetzlichen Vorschriften über die Entgeltfortzahlung.
BAG 23.1.2008 – 5 AZR 393/07

VonHagen Döhl

Transformation von Tarifnormen in das Arbeitsverhältnis

Bei einem Betriebsübergang geht das Arbeitsverhältnis in dem Stand
auf den Erwerber über, in dem es für den Veräußerer zu diesem Zeit-
punkt bestanden hat.
Soweit Rechte und Pflichten, die erst in der Zukunft wirksam werden
sollen, bereits zu diesem Zeitpunkt fest vereinbart sind, so dass sie
auch beim Veräußerer aufgrund bloßen Zeitablaufs wirksam werden
würden, gehen auch sie mit diesem Inhalt auf den Erwerber über.
Das gilt auch für bereits vereinbarte, aber erst später wirksam werdende
Rechte und Pflichten, die in Normen eines Tarifvertrages geregelt sind.
Diese werden bei einem nicht tarifgebundenen Erwerber zum Inhalt des
mit dem Arbeitnehmer bestehenden Arbeitsverhältnisses, § 613 a
Abs. 1 Satz 2 BGB.
Der erst beim – nicht tarifgebundenen – Erwerber erfolgende Wirksam-
keitseintritt von bereits vor dem Betriebsübergang in einem normativ
geltenden Tarifvertrag vereinbarten Ansprüchen widerspricht nicht dem
Grundsatz der negativen Koalitionsfreiheit.
BAG 19.9.2007 – 4 AZR 711/06

VonHagen Döhl

Berechtigte fristlose Kündigung des Arbeitnehmers: Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers (§ 628 Abs. 2 BGB)

Ein Lohnrückstand kann an sich geeignet sein, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.
Ein Entschädigungsanspruch nach § 628 Abs. 2 BGB für den Verlust des Arbeitsplatzes setzt voraus, dass der durch den Kündigungsschutz vermittelte Bestandsschutz verloren geht.
Der Entschädigungsanspruch wegen des „Verlustes des Bestandsschutzes“ setzt neben der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes weiter voraus, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Arbeitnehmerkündigung das Arbeitsverhältnis nicht selbst hätte kündigen können, weil ein Kündigungsgrund i.S.v. § 1 Abs. 2 KSchG nicht bestand.
Wegen eines später eröffneten Insolvenzverfahrens entfällt der Bestandsschutz der Arbeitnehmer nicht. § 113 InsO stellt keinen selbstständigen Kündigungsgrund im Insolvenzverfahren dar.
Zur Insolvenztabelle angemeldete Schadensersatzansprüche nach § 628 Abs. 2 BGB betreffen einen anderen Streitgegenstand als Nachteilsausgleichsansprüche nach § 113 Abs. 3 BetrVG oder Sozialplanansprüche nach § 112 BetrVG.
BAG 26.7.2007 – 8 AZR 796/06