Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Kündigung – Minderleistung

Die verhaltensbedingte Kündigung gegenüber einem leistungsschwachen Arbeitnehmer kann nach § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch vorwerfbar verletzt, dass er fehlerhaft arbeitet.
Ein Arbeitnehmer genügt – mangels anderer Vereinbarungen – seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet. Er verstößt gegen seine Arbeitspflicht nicht allein dadurch, dass er die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller Arbeitnehmer überschreitet.
Allerdings kann die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote je nach tatsächlicher Fehlerzahl, Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt. Legt der Arbeitgeber dies im Prozess dar, so muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz erheblich unterdurchschnittlicher Leistungen seine Leistungsfähigkeit ausschöpft.
BAG – 17.01.2008 2 AZR 536/06

VonHagen Döhl

LAG Schleswig-Holstein: Kündigung gegen Minderjährigen muss gegenüber Eltern ausgesprochen werden

Eine Kündigung gegenüber einem Minderjährigen ist nur wirksam, wenn sie gegenüber den Eltern als den gesetzlichen Vertretern ausgesprochen wird und den Eltern zugeht. Dabei dürfe der Arbeitgeber den Minderjährigen formlos bitten, das Schreiben seinen Eltern zu übergeben, entschied das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein am 20.03.2008. Der Minderjährige sei dann Erklärungsbote. Das Risiko, dass er das Kündigungsschreiben den Eltern auch tatsächlich zumindest zum Lesen vorlege, trage aber der Arbeitgeber (Az.: 2 Ta 45/08).
Die an den Minderjährigen gerichtete Kündigung sei selbst dann unwirksam, wenn dessen Eltern die Kündigung zufällig zur Kenntnis nähmen, heißt es in der Entscheidung weiter. Schreibe der Arbeitgeber sowohl den Minderjährigen als auch die Eltern in nahezu identischen Schreiben an, ist nach Auffassung des LAG nur von einer Erklärung an die Eltern auszugehen. Durch das Schreiben an den Minderjährigen werde dieser lediglich über die Kündigung informiert.
In dem zugrunde liegenden Fall erachtete das LAG die gegenüber der klagenden Auszubildenden ergangene Kündigung als wirksam. Der Arbeitgeber habe alle Formalien beachtet. Zudem sei die Kündigung des Ausbildungsverhältnisses inhaltlich nicht zu beanstanden gewesen. Sei sei innerhalb der Probezeit erfolgt und deswegen grundsätzlich ohne besonderen Grund möglich gewesen. Das LAG versagte der Auszubildenden wegen fehlender Erfolgsaussicht ihrer Kündigungsschutzklage Prozesskostenhilfe. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

VonHagen Döhl

Kündigung wegen Äußerungen in einer StudiVZ-Gruppe unwirksam

Das Arbeitsgericht Cottbus hat in vier Kündigungen von Mitarbeitern eines Brandenburger Hotels für unwirksam erklärt. Hintergrund des Prozesses war die Teilnahme von Auszubildenden und Angestellten des Hotels „Zur Bleiche“ in Burg/Spreewald im StudiVZ-Forum „Der Storch muss hängen“. Der Storch ist das Logo der Bleiche.
In dem Forum hatten die Mitarbeiter unter anderem über die Arbeitsbedingungen und den Chef gelästert. Außerdem nahmen einige Teilnehmer Bezug auf einen Vorfall aus dem Dezember 2007, bei dem im Wellnessbereich des Luxushotels Gas ausgetreten war. Der Hotelchef hatte neun der Forenteilnehmern fristlos gekündigt. Dagegen haben acht Mitarbeiter geklagt. Vier der Klagen wurden jetzt vor dem Arbeitsgericht Cottbus verhandelt.
Im Prozess hat der Hotelinhaber durch seinen Rechtsanwalt vortragen lassen, er halte schon die Mitgliedschaft in der Gruppe für einen Vertrauensbruch. Er gehe außerdem davon aus, „das sich mehrere Arbeitnehmer und Auszubildende in Zusammenwirken mit ehemaligen Arbeitnehmern und Auszubildenden sowie möglicherweise weiteren Unbekannten bandenmäßig verabredet haben, um durch einen Reizgasanschlag dem Anzeigenerstatter einen möglichst großen Schaden zuzufügen.“
Die vier Mitarbeiter, drei Auszubildende und eine Angestellte, beteuerten dagegen, dem Hotel nicht schaden zu wollen. So sagte zum Beispiel einer der Kläger: „Mit Eintritt in die StudiVZ Gruppe ‚der Storch muss hängen‘ war mir, und ist bis heute, nicht bewusst welche Wirkung auf Dritte diese Mitgliedschaft haben würde. … In der Gruppe ist man ausgelassen und scherzt in hohem Maße. … Zu den Geschehnissen eines ausströmenden Gases in der Landtherme Ende 07 stehe ich in keinerlei Verbindung. .. Ich bitte zutiefst um Entschuldigung, indirekt Dritten eine negative Ansichtsweise über Hotel ‚Zur Bleiche‘ vermittelt zu haben. Ich hoffe, dass es dadurch zu keinen Schäden gekommen ist. …“
Das Gericht folgte der Darstellung der Kläger. „Vieles wurde im Verfahren dramatisiert, Zitate wurden aus dem Zusammenhang genommen und dadurch verfälscht. So wird im Zusammenhang mit dem geschilderten Vorfall im Dezember 2007 der Verdacht eines Reizgasanschlags geäußert, obwohl es weder Beweise für die Anwendung von Reizgas noch für einen Anschlag gibt“, erklärte die Vorsitzende Richterin Lore Seidel. In allen 4 Fällen hat sie daher der Klage stattgegeben und die Kündigung damit für unwirksam erklärt.
Die vier anderen Klagen sollen am 11. Juni und am 23. Juli verhandelt werden.

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BAG: Tarifgebundenheit trotz Wechsels in eine OT-Mitgliedschaft

Der kurzfristige Statuswechsel in eine OT-Mitgliedschaft ist nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts im Vorfeld eines Tarifabschlusses – ähnlich wie ein Blitzaustritt aus dem Arbeitgeberverband – regelmäßig für den verhandelten Tarifvertrag tarifrechtlich unwirksam, wenn er der anderen Tarifvertragspartei nicht mitgeteilt worden oder bekannt geworden ist, weil dadurch typischerweise die Grundlagen des Tarifabschlusses gestört werden (Urteil vom 04.06.2008; Az.: 4 AZR 419/07).

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Ablösung eines Tarifvertrages über betriebliche Altersversorgung durch Betriebsvereinbarung nach Betriebsübergang?

Werden die Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis durch Rechtsnormen eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung geregelt, werden sie bei einem Betriebsübergang Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebserwerber – § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB. Das gilt jedoch dann nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrages oder durch eine andere Betriebsvereinbarung geregelt werden – § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass tarifvertraglich begründete Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht durch eine beim Erwerber geltende Betriebsvereinbarung abgelöst werden können. Der Sinn und Zweck des § 613a BGB besteht darin, dem Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang die bisherigen Arbeitsbedingungen zu erhalten. Betriebsvereinbarungen zur betrieblichen Altersversorgung sind nur teilmitbestimmt; der Arbeitgeber bestimmt allein über die Dotierung. Schon aus diesem Grunde kommt eine Ablösung tariflich begründeter Versorgungsansprüche durch Betriebsvereinbarung im Wege der sog. Überkreuzablösung nicht in Betracht.

Der Kläger war zunächst bei der Stadt Cottbus als Sozialarbeiter beschäftigt. Kraft beiderseitiger Tarifbindung fand ua. der Altersvorsorgetarifvertrag Kommunal Anwendung. Am 1. Juni 2003 ging das Arbeitsverhältnis im Wege des Betriebsteilübergangs auf den beklagten gemeinnützigen Verein über. Die Stadt stellte daraufhin die Zahlung von Beiträgen an die zuständige Zusatzversorgungskasse (ZVK) ein. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger eine Anwartschaft auf eine monatliche Betriebsrente von 75,60 Euro erworben. Auf Grund einer Betriebsvereinbarung schloss der Beklagte einen Gruppenversicherungsvertrag auf das Leben seiner Arbeitnehmer ab. Im Versorgungsfall sollte der Kläger eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe von 665,00 Euro erhalten. Bei Weiterbestehen der Pflichtversicherung bei der ZVK hätte er von dieser eine monatliche Betriebsrente von über 120,00 Euro zu erwarten. – Der Kläger hat die Feststellung begehrt, dass der Beklagte ihm bei Eintritt des Versorgungsfalles die Versorgungsleistungen zu verschaffen hat, die er bei Fortbestehen der Pflichtversicherung bei der ZVK erhalten würde. Der Dritte Senat hat – ebenso wie die Vorinstanzen – der Klage stattgegeben.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. November 2007 – 3 AZR 191/06 –
Vorinstanz: LAG Brandenburg, Urteil vom 8. Dezember 2005 – 9 Sa 324/05 –

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Verdachtskündigung

Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar.
Eine Verdachtskündigung kommt aber nur in Betracht, wenn dringende auf objektiven Tatsachen beruhende schwerwiegende Verdachtsmomente vorliegen und diese geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen bei einem verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zu zerstören. Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben haben.
Dabei sind an die Darlegung und Qualität der schwerwiegenden Verdachtsmomente besonders strenge Anforderungen zu stellen, weil bei einer Verdachtskündigung immer die Gefahr besteht, dass ein Unschuldiger betroffen ist. Der notwendige schwerwiegende Verdacht muss sich aus den Umständen ergeben bzw. objektiv durch Tatsachen begründet sein. Er muss ferner dringend sein, dh., bei einer kritischen Prüfung muss eine auf Beweisanzeichen (Indizien) gestützte große Wahrscheinlichkeit für die erhebliche Pflichtverletzung (Tat) gerade dieses Arbeitnehmers bestehen.
BAG – 29.11.2007 2 AZR 725/06

VonHagen Döhl

BAG: Urlaubsabgeltung nun auch bei zweiter Elternzeit

Hat der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin den ihm oder ihr zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten, muss der Arbeitgeber den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr gewähren (vgl. bis 31.12.2006 § 17 Abs. 2 BErzGG, danach inhaltsgleich § 17 Abs. 2 BEEG – Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz). Der Urlaub ist abzugelten, wenn das Arbeitsverhältnis während der Elternzeit endet oder es im Anschluss an die Elternzeit nicht fortgesetzt wird (§ 17 Abs. 3 BErzGG/BEEG). Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat § 17 Abs. 2 BEEG bisher so ausgelegt, dass der auf Grund einer ersten Elternzeit übertragene Urlaub auch dann mit Ablauf des auf diese Elternzeit folgenden Urlaubsjahrs verfällt, wenn er wegen einer zweiten Elternzeit nicht genommen werden kann. An dieser Rechtsprechung hält der Senat mit seiner aktuellen Entscheidung nicht mehr fest (Urteil vom 20.05.2008, Az.: 9 AZR 219/07).

VonHagen Döhl

Keine Sperrfrist nach Vergleich

Einem Arbeitnehmer kann es regelmäßig nicht zum Nachteil gereichen, wenn er gegen die Kündigung vorgeht und sodann im arbeitsgerichtlichen Verfahren die Klage zurücknimmt oder einen Vergleich schließt. Ein gerichtlicher Vergleich, der die Arbeitslosigkeit nicht zu einem früheren Zeitpunkt herbeiführt, löst daher grundsätzlich keine Sperrfrist aus.
(BAG, Urteil v. 17.10.2007 – B 11a AL 51/06)

VonHagen Döhl

Befristung des Arbeitsverhältnisses nach Ausbildungszeit

Ein Arbeitnehmer darf im Anschluss an seiner Ausbildung nur einmal befristet weiterbeschäftigt werden. Eine erneute Befristung nach Ablauf des ersten Arbeitsvertrages ist unwirksam.
(BAG, Urteil v. 10.10.2007 – 7 AZR 795/06)

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Aufhebungsvertrag – Drohung mit fristloser Kündigung

Droht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mit einer fristlosen Kündigung, die ein verständiger Arbeitgeber nicht in Betracht gezogen hätte, um den Arbeitnehmer zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu veranlassen, wird die Widerrechtlichkeit der Drohung nicht durch eine dem Arbeitsnehmer vom Arbeitgeber eingeräumte Bedenkzeit beseitigt. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände ändert eine dem Arbeitnehmer eingeräumte Bedenkzeit auch nichts an der Ursächlichkeit der Drohung für den späteren Abschluss des Aufhebungsvertrages. Für eine von der Drohung nicht mehr maßgeblich beeinflusste Willensbildung spricht jedoch, dass der Anfechtende die Bedenkzeit dazu genutzt hat, die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung durch aktives Verhandeln – z.B. neue eigene Angebote – erheblich zu seinen Gunsten zu beeinflussen, insbesondere wenn er rechtskundig ist oder zuvor Rechtsrat eingeholt hat bzw. auf Grund der Dauer der eingeräumten Bedenkzeit hätte einholen können.
(BAG, Urteil v. 18.11.2007 – 6 AZR 1108/06)