Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

BAG: Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit

Der Arbeitnehmer kann sein Verlangen auf Verringerung der regelmäßigen Arbeitszeit gemäß § 8 II TzBfG davon abhängig machen, dass der Arbeitgeber auch seinem Verteilungswunsch zustimmt. Dabei darf der Arbeitnehmer seinen Verteilungswunsch erstmals auf Grund des Ergebnisses der Erörterung nach § 8 III TzBfG äußern oder einen vorher geäußerten Verteilungswunsch ändern. Danach ist er hieran nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts gebunden.

BAG, Urteil vom 24.06.2008 – 9 AZR 514/07 (

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Arbeitsvertrag: Wirksamkeit doppelter Schriftformklauseln

Vom Arbeitgeber vorformulierte Arbeitsvertragklauseln sind gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, wenn Sie den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach § 305 b BGB haben individuelle Vertragsabreden vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen Vorrang.
Hinweis: Mit dieser Entscheidung hat das BAG eine in der Praxis verbreitete so genannte doppelte Schriftformklausel der AGB – Kontrolle unterworfen und im Ergebnis für wirksam erklärt. An sich sind nach der neueren Rechtsprechung des BAG derartige Klauseln (sie unterwerfen nicht nur die Abänderung und Ergänzung des Vertrages, sondern auch die Änderung der vereinbarten Schriftformklausel der Schriftform, können daher nicht mehr einfach mündlich abbedungen oder durch betriebliche Übung überwunden werden) wirksam (vgl. BAG, Urteil vom 18.09.2002 – 1 AZR 477/01; vom 14.06.2003 – 9 AZR 302/02).
Nach der jüngsten Entscheidung vom 20.05.2008 müssen jedoch die gängigen doppelten Schriftformklauseln einer erneuten Überprüfung daraufhin unterzogen werden, ob Sie nicht zu weit gefasst sind und damit den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Sie dürfen in der Konsequenz der jüngsten BAG- Entscheidung nicht mehr den Eindruck erwecken, mündliche individuelle Vertragsabrede würden an ihr scheitern. Nach wie vor dürften doppelte Schriftformklausel aber zumindest einen wirksamen Schutz gegen vertragsabändernde betriebliche Übungen bieten.
(BAG Urteil vom 20.05.2008 – 9 AZR 382/07)

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Streitwert bei Vergütungsforderungen neben Kündigungsschutzanspruch

Macht der Arbeitnehmer in einem Bestandsstreit i. S. d. § 42 IV 1 GKG zugleich auch Vergütungsforderungen klageweise geltend, die nach Ablauf des streitigen Beendigungszeitpunktes fällig geworden sind, so sind beide Ansprüche zusammenzurechnen, da es sich um unterschiedliche Streitgegenstände handelt. Eine wirtschaftliche Identität der Anträge liegt ebenfalls nicht vor. Der Zweck des § 42 IV 1 GKG fordert nicht, dass eine Zusammenrechnung unterbleibt (=strittig).
Sächsisches LAG – 21.06.2007 4 Ta 10/07 (2)
GKG § 42

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Schadensersatz, PKW

Ein Schaden, der aufgrund mittlerer Fahrlässigkeit des Arbeitnehmers entstanden ist, muss von diesem unabhängig von den Grundsätzen, die die Rechtsprechung zur Arbeitnehmerhaftung entwickelt hat, nicht ersetzt werden.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste.

Bei der groben Fahrlässigkeit sind auch subjektive, in der Individualität des handelnden begründete Umstände zu berücksichtigen, den Handelnden muss auch in subjektiver Hinsicht ein schweres Verschulden treffen.

LAG Köln – 13.08.2007 Sa 370/07

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BAG: Änderungskündigung wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes unwirksam, wenn sie über erforderliches Maß hinausgeht

Eine Änderungskündigung wegen Wegfalls des bisherigen Arbeitsplatzes ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber die an sich notwendigen Anpassungen nicht auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt, sondern darüber hinausgehende – nicht notwendige – Änderungen vornehmen will. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 26.06.2008 (Az.: 2 AZR 147/07).

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BAG: Keine zu hohen Anforderungen an Darlegungslast des Arbeitnehmers zur Geltung des Kündigungsschutzgesetzes

Zweifel daran, ob das Kündigungsschutzgesetz gilt oder ob beispielweise ein Kleinbetrieb mit weniger als zehn Beschäftigten vorliegt, gehen nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu Lasten des Arbeitnehmers. Die Richter hoben in ihrem Urteil vom 26.06.2008 allerdings hervor, dass die Anforderungen an den Tatsachenvortrag des Arbeitnehmers, dass kein Kleinbetrieb vorliege, nicht überstrapaziert werden dürften. Er genüge seiner Darlegungslast bereits dann, wenn er die ihm bekannten Anhaltspunkte dafür vortrage, dass kein Kleinbetrieb vorliege (Az.: 2 AZR 264/07).

Rechtlicher Hintergrund

Nach § 23 Abs. 1 KSchG bedürfen ordentliche Kündigungen in Kleinbetrieben keiner sozialen Rechtfertigung. Kleinbetriebe sind beispielsweise solche, die in der Regel zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigen. Will ein Arbeitnehmer im Prozess geltend machen, eine ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt und deshalb unwirksam, so muss er darlegen und beweisen, dass die nach § 23 Abs. 1 KSchG erforderliche Beschäftigtenzahl von mehr als zehn Arbeitnehmern erreicht ist.

Sachverhalt

Im Streitfall hatte die Klägerin geltend gemacht, eine von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung sei sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 KSchG und daher unwirksam. Denn die Beklagte beschäftige 14 Arbeitnehmer und sei deshalb kein Kleinbetrieb. Die Beklagte hatte eingewandt, die Kündigung bedürfe keiner sozialen Rechtfertigung, weil sie in ihrem Betrieb nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftige. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen, weil die Klägerin nicht ausreichend konkret dargelegt habe, dass die Beklagte mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftige.

Trotz Beweislast keine zu hohen Anforderungen an Tatsachenvortrag des Arbeitnehmers

Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Zwar treffe auch nach der zum 01.01.2004 vom Gesetzgeber eingeführten Erhöhung der für Kleinbetriebe maßgeblichen Höchstbeschäftigtenzahl von fünf auf zehn Arbeitnehmer die Darlegungs- und Beweislast nach wie vor den Arbeitnehmer, so das BAG. Das Landesarbeitsgericht München (Urteil vom 01.04.; Az. 2 Sa 589/06) habe jedoch zu hohe Anforderungen an den erforderlichen Tatsachenvortrag der Klägerin gestellt. Der Arbeitnehmer genüge seiner Darlegungslast bereits dann, wenn er die ihm bekannten Anhaltspunkte dafür vortrage, dass kein Kleinbetrieb vorliege. Der Arbeitgeber müsse sich daraufhin vollständig zur Anzahl der Beschäftigten erklären. Bleibe auch nach der Beweiserhebung unklar, ob die für den Kündigungsschutz erforderliche Beschäftigtenzahl erreicht sei, gingen dieser Zweifel zu Lasten des Arbeitnehmers. Der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts am 26.06.2008 hat damit die bisherige Rechtsprechung bestätigt.

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Zweistufige Ausschlussfrist in AGB

Mit Erhebung einer Kündigungsschutzklage macht der Arbeitnehmer alle durch die Kündigung bedrohten regelmäßig fällig werdenden Einzelansprüche aus der Arbeitsverhältnis schriftlich geltend (Wahrung der ersten Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist).
Ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers geregelt, dass von der Gegenseite abgelehnte Ansprüche binnen einer Frist von drei Monaten einzuklagen sind, um deren Verfall zu verhindern, genügt die Erhebung der Kündigungsschutzklage, um das Erlöschen der vom Ausgang des Kündigungsrechtstreits abhängigen Annahmeverzugsansprüche des Arbeitnehmers zu verhindern (Wahrung der zweiten Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist).

Das BAG führt aus:

Eine in den AGB gewählte Formulierung, wonach Ansprüche einzuklagen sind, kann von einem nicht rechtskundigen Durchschnittsarbeitnehmer nicht so verstanden werden, dass nur die Erhebung einer bezifferten Leistungsklage diesem Erfordernis genügt. Er darf sie vielmehr so verstehen, dass jede prozessuale Auseinandersetzung über den Anspruch seine Obliegenheit erfüllt
Das in einer einzelvertraglichen Ausschlussfrist in der zweiten Stufe enthaltene Erfordernis des Einklagens von Annahmeverzugsansprüchen, die von einem Kündigungsschutzprozess abhängen, verlangt aus der Sicht des Durchschnittsarbeitnehmers nicht mehr als die Erhebung der Kündigungsschutzklage selbst, die bereits eine ausreichende schriftliche Geltendmachung der von dem Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abhängigen Ansprüche darstellt. Die zweite Stufe verdeutlicht dem Arbeitnehmer nach allgemeinem Sprachgebrauch nur, dass ein Anspruch vor einem Gericht vorgebracht werden muss und eine außergerichtliche Geltendmachung nicht genügt. Wie bei der schriftlichen Geltendmachung kann er davon ausgehen, dass die Erhebung eine Kündigungsschutzklage eine Geltendmachung von hiervon abhängigen Ansprüchen auf Annahmeverzugsvergütung beinhaltet, denn die Kündigungsschutzklage ist in der Regel nicht auf den Erhalt des Arbeitsplatzes beschränkt, sondern zugleich und gerade auch auf die Sicherung der Ansprüche gerichtet, die durch den Verlust des Arbeitsstelle möglicherweise verloren gehen. Dem Erfordernis einer Klageerhebung bzw. gerichtlichen Geltendmachung hat der Arbeitnehmer aus seiner Sicht damit zugleich Genüge getan. Von einem nicht rechtskundigen Arbeitnehmer kann insbesondere nicht erwartet werden, dass er den prozessualen Begriff des Streitgegenstands und dessen Bedeutung kennt. Will der Arbeitgeber als Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen erreichen, dass der Arbeitnehmer bereits vor dem rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens in Unkenntnis von dessen Ergebnis und unter Inkaufnahme eines unnötigen Kostenrisikos, eine bezifferte Leistungsklage binnen bestimmter Frist jeweils nach Fälligkeit der Annahmeverzugsansprüche und etwaiger anderer Ansprüche erhebt, so muss er dies klar und deutlich zum Ausdruck bringen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Eines weitergehenden Schutzes bedarf der Arbeitgeber nicht, denn durch die Kündigungsschutzklage ist er ausreichend über den Willen des Arbeitnehmers unterrichtet, die durch die Kündigung bedrohten Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten.

Das BAG entscheidet zwar bei zweistufigen Ausschlussfristen in Tarifverträgen anders. Aber:

Etwaige, gegebenenfalls auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu zweistufigen Ausschlussfristen in Tarifverträgen zurückgehende Auslegungszweifel (vgl. hierzu: BAG 26. April 2006 – 5 AZR 403/05) gehen nach der Unklarheitenregel (§ 305c Abs. 2 BGB) zu Lasten des Verwenders. Führt nämlich die objektive Auslegung zu dem Ergebnis, dass die vom Arbeitgeber verwendete Klausel nach dem Wortlaut unter Berücksichtigung ihres nach verständiger Würdigung zu ermittelnden Sinns und Zwecks objektiv mehrdeutig ist und die Mehrdeutigkeit nicht beseitigt werden kann, greift die arbeitnehmerfreundlichste Auslegung ein.

Das BAG weist darauf hin, dass nicht zu entscheiden werden brauchte, ob zweistufige Ausschlussklauseln, die dem Arbeitnehmer die Pflicht auferlegen, vor rechtskräftigem Abschluss eines Kündigungsschutzprozesses die davon abhängigen Annahmeverzugsansprüche jeweils binnen einer mit Fälligkeit beginnenden Frist mittels einer bezifferten Leistungsklage geltend zu machen, zu einer unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers führen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).
(BAG 19.03.08 – 5A7R 429/07)

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BAG: Wunsch auf Verringerung der Arbeitszeit kann an bestimmte Verteilung der Arbeitszeit gebunden werden

Der Arbeitnehmer kann sein Angebot auf Verringerung der regelmäßigen Arbeitszeit gemäß § 8 Abs. 2 TzBfG davon abhängig machen, dass der Arbeitgeber auch seinem Verteilungswunsch zustimmt. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 24.06.2008 (Az.: 9 AZR 514/07). Der Arbeitsnehmer unterbreite mit seinem Wunsch ein einheitliches Vertragsangebot. Er dürfe auf Grund des Ergebnisses der Erörterung nach § 8 Abs. 3 TzBfG seinen Verteilungswunsch erstmals äußern oder einen vorher geäußerten Verteilungswunsch ändern. Danach sei er an seinen Verteilungswunsch gebunden.

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BAG: Tarifliche «Altersgrenze 65» wirksam

Tarifliche Altersgrenzen, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Zeitpunkt des Erreichens der sozialversicherungsrechtlichen Regelaltersgrenze vorsehen, sind zulässig. Der Wirksamkeit einer derartigen Regelung stehen auch das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters und die Vorgaben aus der Richtlinie 2000/78/EG nicht entgegen. Die Ungleichbehandlung sei durch ein legitimes Ziel aus der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG gerechtfertigt. Dies hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts zu einer vor Inkrafttreten des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) vereinbarten tariflichen Altersgrenze entschieden (Urteil vom 18.06.2008 – 7 AZR 116/07).

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Prozessführungsbefugnis für die Bundesagentur für Arbeit

Der Arbeitnehmer kann Vergütungsansprüche, die wegen der Zahlung von Arbeitslosengeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind, im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft für die Bundesagentur geltend machen.
BAG – 19.03.2008 5 AZR 432/07