Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

LAG Berlin-Brandenburg: Lebensaltersstufen im Vergütungssystem des BAT stellen unzulässige Altersdiskriminierung dar

Eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in den aufsteigenden Lebensaltersstufen des Vergütungssystems des BAT gesehen. Am 11.09.2008 hat das Gericht der Klage eines 39-jährigen Angestellten des Landes Berlin teilweise stattgegeben, der eine Vergütung entsprechend der Lebensaltersstufe 47 (Jahre) begehrt hatte (Az.: 20 Sa 2244/07). Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Das Gericht hat in den Lebensaltersstufen des Vergütungssystems des BAT, der im Land Berlin über den sogenannten Anwendungstarifvertrag noch Geltung hat, eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters gesehen. Dort werde alleine auf der Grundlage des Lebensalters eine unterschiedliche Vergütung gewährt. Dies sei unwirksam, so dass die höhere Vergütung geschuldet werde. Dies treffe allerdings nur auf die Grundvergütung, nicht aber auf den Ortszuschlag zu.

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Deckungsschutz für außergerichtliche Vertretung nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Die gesonderte Erteilung eines Auftrags zur außergerichtlichen Vertretung gegenüber dem Arbeitgeber nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses stellt keine Obliegenheit Pflichtverletzung dar.
Es ist ebenfalls keine Obliegenheitsverletzung, wenn der Prozessbevollmächtigte einer aus seiner Sicht zutreffende, aber aus Sicht des Rechtsschutzversicherers unzutreffende Wertfestsetzung nicht angreift. Es ist Sache des Rechtsschutzversicherers, den Versicherten persönlich zu veranlassen, selbst einen Rechtsbehelf einzulegen oder hiermit im Auftrag des Versicherten einen anderen Anwalt zu beauftragen.
(Landgericht Stuttgart, Urteil vom 22.08.2007 – 5 S 64/07)

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Umfang der Darlegungslast bei Anspruch auf Überstundenvergütung

Zur Begründung eines Anspruchs auf Überstundenvergütung hat der Arbeitnehmer im Einzelnen darzulegen, an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Der Arbeitnehmer muss vortragen, von welcher Normalarbeitszeit er ausgeht und dass er tatsächlich gearbeitet hat. Ist streitig, ob Arbeitsleistungen erbracht wurden, hat der Arbeitnehmer darzulegen, welche (geschuldete) Tätigkeit er ausgeführt hat. Je nach der Einlassung des Arbeitgebers besteht eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast (Senat 29. Mai 2002 – 5 AZR 370/01 – EzA BGB § 611 Mehrarbeit Nr. 10, zu V 1 der Gründe) . Der Anspruch auf Überstundenvergütung setzt des Weiteren voraus, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurden oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig waren (Senat 17. April 2002 – 5 AZR 644/00 – AP BGB § 611 Mehrarbeitsvergütung Nr. 40 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 148, zu II 3 der Gründe; 29. Mai 2002 – 5 AZR 370/01 – aaO) .
(BAG 5 AZR 319/04)

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Sittenwidrigkeit einer Vergütungsabrede gem. § 138 Abs. 1 und 2 BGB

Die Sittenwidrigkeit einer Vergütungsabrede gem. § 138 Abs. 1 und 2 BGB ist bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben. Ein derartiges Missverhältnis ist anzunehmen, wenn die gezahlte Vergütung weniger als 2/3 der Tariflöhne des jeweiligen Wirtschaftszweigs beträgt, sofern in dem Wirtschaftsgebiet üblicherweise der Tariflohn gezahlt wird.
Bei Überwälzung der Pauschalsteuer auf den Arbeitnehmer liegt keine Nettovergütungsabrede vor, so dass die gezahlte Stundenvergütung mit dem Bruttoentgelt des einschlägigen Tarifvertrages zu vergleichen ist.
(LAG Bremen 17.06.2008 1 Sa 29/08)

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Teilzeitbegehren im Anschluss an Elternzeit; vorläufig vollstreckbarer Unterlassungsanspruch.

Stellt eine Arbeitnehmerin nach der Rückkehr aus der Elternzeit einen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung, um sich weiter der Betreuung ihres Kindes widmen zu können, kann mit der Klage auf Erteilung der Zustimmung zu einer bestimmten Arbeitszeitverteilung ein Antrag auf Unterlassung einer Beschäftigung zu anderen Zeiten verbunden werden. Unter Berücksichtigung der Wertungen des Art. 6 Abs. 1 GG ist auch unterhalb der Schwelle des einstweiligen Rechtsschutzes das verfassungsrechtlich geschützte Interesse eines Elternteils an der Betreuung des Kindes wirksam zu gewährleisten. Ein derartiger Unterlassungstitel ist nach § 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG vorläufig vollstreckbar.
(LAG Niedersachsen – 15.04.2008 11 Sa 1374/07)

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Kündigung – Betriebsstilllegung – Stilllegungskonzept

Von einer endgültigen Entschließung, den Betrieb stillzulegen, ist auszugehen, wenn die Gesellschafter einer GmbH die Stilllegung zu einem festen Termin beschlossen und den Geschäftsführer beauftragt haben, umgehend Verhandlungen über den Verkauf des Betriebsgeländes aufzunehmen, keine neuen Aufträge mehr anzunehmen, Massenentlassungsanzeige an die Bundesagentur für Arbeit zu erstatten, alle Arbeitnehmer zu kündigen, bis zum Stilllegungstermin sämtliche vorhandenen Aufträge abzuwickeln und für noch verbliebene Auftragsreste am Markt verfügbare Nachunternehmer zu suchen.
LAG Köln – 24.04.2007 9 Sa 28/07

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Änderungskündigung; Versetzung; Direktionsrecht; Verhältnismäßigkeit; Unkündbarkeit

1. Eine Änderungskündigung, deren Ziel in gleicher Weise gestützt auf das arbeitgeberseitige Direktionsrecht erreicht werden kann, ist unverhältnismäßig. Das gilt unabhängig davon, ob der gekündigte Arbeitnehmer die Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen hat.

2. Eine solche unwirksame Änderungskündigung kann regelmäßig nicht in eine Direktionsrechtsausübung umgedeutet werden.

3. § 1 Abs. 5 KSchG ist auf außerordentliche Kündigungen nicht anwendbar.

4. Auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 S. 2 BAT kann eine betriebsbedingte außerordentliche Änderungskündigung mit Auslauffrist ausnahmsweise zulässig sein (ständige BAG-Rechtsprechung).

LAG Köln – 01.08.2007 3 Sa 906/06

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BAG: Widerspruchsfrist bei Betriebsübergang läuft erst ab ordnungsgemäßer Unterrichtung über neuen Arbeitgeber

Wird ein Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang nicht ausreichend über die Identität seines neuen Arbeitgebers gemäß § 613a Abs. 5 BGB informiert, beginnt die einmonatige Frist zur Ausübung seines Widerspruchsrechts gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber gemäß § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht zu laufen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 21.08.2008 entschieden. Die Erfurter Richter sahen es nicht als ausreichend an, dass den Arbeitnehmern lediglich mitgeteilt worden war, eine «neu zu gründende GmbH» werde künftig ihr Arbeitgeber sein, so das BAG in einer eigenen Mitteilung (Az: 8 AZR 407/07).

Die Beklagte betrieb neben einem Großhandel für Farben, Tapeten und Teppiche in getrennten Geschäftsräumen einen Einzelhandel für Künstlerbedarf. Dort war der Kläger als Angestellter im Verkauf beschäftigt. Mitte 2004 beschloss die Beklagte, diesen Geschäftsbereich auszugliedern und auf eine neu zu gründende GmbH zu übertragen. Im Januar 2005 teilte sie dem Kläger unter anderem mit, eine neue GmbH gründen zu wollen, auf die das Arbeitsverhältnis des Klägers mit allen Rechten und Pflichten ab 01.02.2005, spätestens ab 01.03.2005 übergehen solle. Der Arbeitegber teilte auch mit, dass sich voraussichtlich eine überregionale Fachhandelsgruppe an der GmbH beteiligen werden, was dann aber nicht geschah. Am 22.02.2005 wurde dann die neue GmbH gegründet. Ab 01.03.2005 übernahm sie den Geschäftsbetrieb des ausgegliederten Geschäftsbereiches. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die GmbH zunächst nicht. Doch als die neue GmbH Insolvenz anmeldete, widersprach er am 15.06.2005 dann doch und verlangte von der Beklagten Weiterbeschäftigung wie bisher. Bereits im März 2005 hatte er das Fehlen umfassender Informationen gerügt und Aufklärung über die Gesellschafter der GmbH verlangt.

Die Klage auf Feststellung, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten über den 01.03.2005 hinaus ein Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortbestanden hat, hatte das hesssische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 24.01.2007 abgewiesen (Az.: 6 Sa 849/06). Der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts gab der Klage nun aber statt. Die Unterrichtung des Klägers über den Betriebsteilübergang sei wegen unzureichender Information über die Identität der Betriebserwerberin nicht gesetzeskonform, erklärten die BAG-Richter. Die Beklagte hätte den Kläger davon in Kenntnis setzen müssen, wer sein neuer Arbeitgeber werden sollte. Der Betriebsveräußerer oder der Erwerber muss gemäß § 613a Absatz 5 BGB im Falle eines Betriebsübergangs auch über die Identität des Betriebserwerbers informieren. Die von der Beklagten verwendete Bezeichnung «neue GmbH» genüge diesem Erfordernis nicht. Die einmonatige Widerspruchsfrist gemäß § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB für den Kläger habe deshalb nicht zu laufen begonnen. Sein mit Schreiben vom 15.06.2005 erklärter Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die GmbH sei daher nicht verspätet gewesen.

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Arbeitszeugniss muss übliche Formulierungen enthalten

Ein Arbeitnehmer kann einen Anspruch auf Ergänzung seines Arbeitszeugnisses haben, wenn übliche Formulierungen ohne sachliche Rechtfertigung weggelassen wurden. Welche Formulierungen üblich sind, hängt von der jeweiligen Branche, in der der Arbeitnehmer tätig ist, oder von der Berufsgruppe ab, der er angehört. Dies hat das Bundesarbeitsgericht im Fall eines Tageszeitungsredakteurs entschieden, der sich darüber beschwert hatte, dass in seinem Zeugnis die Hervorhebung seiner Belastbarkeit in Stresssituationen fehlte (BAG Az.: 9 AZR 632/07).
Der Kläger war von Februar 1993 bis März 2003 als Redakteur bei der von der Beklagten herausgegebenen Tageszeitung tätig. Am 31.03.2003 erteilte die Beklagte ihm ein qualifiziertes Zeugnis. Der Kläger bemängelt, dass die Beklagte darin nicht hervorhebt, dass er in Stresssituationen belastbar ist. Die Vorinstanzen haben die Klage auf Ergänzung des Zeugnisses abgewiesen.
Das BAG sah dies anders und verwies den Fall zurück. Nach § 109 Abs. 2 GewO müsse das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Deshalb dürfe es keine Formulierungen enthalten, die eine andere als die aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer träfen . Zudem müsse das erteilte Zeugnis Leistung und Sozialverhalten des Arbeitnehmers bei wohlwollender Beurteilung zutreffend wiedergeben. Der weitere notwendige Zeugnisinhalt bestimme sich nach dem Zeugnisbrauch, so das BAG. Dieser könne nach Branchen und Berufsgruppen unterschiedlich sein. Lasse ein erteiltes Zeugnis hiernach übliche Formulierungen ohne sachliche Rechtfertigung aus, habe der Arbeitnehmer Anspruch auf Ergänzung. Das LAG muss jetzt entscheiden, ob die Behauptung des Klägers zutrifft, dass die Hervorhebung der besonderen Belastbarkeit in Zeugnissen für Tageszeitungsredakteure üblich ist. Die Auslassung eines bestimmten Inhalts, der von einem einstellenden Arbeitgeber in einem Zeugnis erwartet werde, könne nämlich ein unzulässiges Geheimzeichen sein, stellte das BAG klar.

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Bestimmung des Arbeitsortes in Musterverträgen des öffentlichen Dienstes besitzt keine Verbindlichkeit

Die Bezeichnung des Arbeitsortes in den Musterverträgen des öffentlichen Dienstes gilt nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes nicht als eindeutige Absprache (6 AZR 583/02).
Wenn außerdem ein Tarifvertrag einbezogen ist, nachdem der Mitarbeiter üblicherweise versetzt werden darf, ist eine generelle Versetzungsbefugnis des Arbeitgebers nicht ausgeschlossen.