Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Änderungskündigung zur Lohnkostensenkung

Eine Änderungskündigung zur Entgeltsenkung ist begründet, wenn bei einer Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbarer Verluste entstünden, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebs führen, und einen Sanierungsplan alle milderen Mittel ausschöpft und die von den Arbeitnehmern zu tragenden Lasten gleichmäßig verteilt.
Liegen diese Voraussetzungen vor und hat sich die große Mehrheit der Arbeitnehmer (hier ca. 97%) mit der Reduzierung der Vergütung freiwillig einverstanden erklärt, so kann ein Arbeitnehmer, dem gegenüber die Reduzierung durch Änderungskündigung erfolgt, sich nicht darauf berufen, die Änderungskündigung sei ihm gegenüber nicht mehr erforderlich, weil der Sanierungserfolg schon durch die freiwilligen Gehaltsreduzierungen erreicht sei.
(BAG 26.06.2008 – 2 AZR 139/07)

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Betriebsbedingte Kündigung wegen Wegfalls des Arbeitsplatzes

Eine ordentliche Beendigungskündigung ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz ggf. auch zu geänderten (schlechteren) Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit muss für den Arbeitnehmer geeignet sein. Der Arbeitnehmer muss unter Berücksichtigung angemessener Einarbeitungszeiten den Anforderungen des neuen Arbeitsplatzes entsprechend.
Dabei unterliegt die Gestaltung des Anforderungsprofils für den freien Arbeitsplatz der lediglich auf offenbare Unsachlichkeit zu überprüfenden Unternehmerdisposition des Arbeitgebers.
Ist im Zeitpunkt des Kündigungszugangs eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht mehr vorhanden, wurde also ein freier Arbeitsplatz vor dem Zugang der Kündigung besetzt, so ist es dem Arbeitgeber gleichwohl nach dem Rechtsgedanken des § 162 BGB verwehrt, sich auf den Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten im Kündigungszeitpunkt zu berufen, wenn dieser Wegfall treuwidrig herbeigeführt wurde.
(BAG 05.06.2008 – 2 AZR 107/07)

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Fristlose Kündigung – Beginn der Zweiwochenfrist

Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB bzw. des § 54 Abs. 2 BAT beginnt, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung ermöglichen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht.
Ist die Frist bereits angelaufen, so kann sie gleichwohl gehemmt werden. Während den Arbeitgeber vor Fristbeginn grundsätzlich keine Obliegenheiten zur Aufklärung treffen, muss er nach Kenntnis vom Kündigungssachverhalt mit der gebotenen Eile vorgehen: Er weiß nunmehr, dass – aus seiner Sicht – ein Kündigungsgrund vorliegt und dass er kündigen kann. Innerhalb der Frist muss er entscheiden, ob er kündigen will und die Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer erklären.
Eine Kündigungsberechtigter darf den Aus- bzw. Fortgang eines Strafermittlungs- bzw. eines Strafverfahrens abwarten und seinen Kündigungsentschluss davon abhängig machen.
Insbesondere kann er die Kündigung auf die rechtskräftige Verurteilung stützen.
Dies ist ein rechtsstaatlich zwar nicht gebotenes, in jedem Fall aber gerade im Sinne des Arbeitnehmers angemessenes Vorgehen. Der Arbeitgeber gibt damit zu erkennen, dass er die Kündigung nur auf einen zu rechtskräftigen Verurteilung im Strafverfahren ausreichenden Tatsachenstand stützen will und die rechtskräftige Verurteilung aus seiner Sicht ein eigenes Gewicht hat, das sie zu einem Element des Kündigungsgrundes macht.
(BAG 05.06.2008 – 2 ZR 25/07

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Sozialplanabfindung bei Eigenkündigung

Eine Sozialplanregelung, die formal zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkündigung unterscheidet und generell den Anspruchsausschluss aller Arbeitnehmer vorsieht, die ihr Arbeitsverhältnis selbst gekündigt haben, verstößt gegen § 75 Abs. 1 BetrVG.
Voraussetzung für eine Gleichbehandlung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkündigung ist, dass die Eigenkündigung des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber veranlasst wurde.
Eine vom Arbeitgeber veranlasste Eigenkündigung des Arbeitnehmers liegt auch dann vor, wenn zwar der Arbeitsplatz vorrangig nur verlagert und der Arbeitnehmer versetzt werden sollte, der Arbeitnehmer aber mit einer betriebsbedingten Kündigung des Arbeitgebers rechnen musste, falls er der Versetzung widerspräche.
Der Ausschluss von Sozialplanansprüchen wegen „vorzeitiger“ Eigenkündigung setzt den Verstoß gegen eine zulässige Stichtagsregelung voraus; eine „objektive“ Vorzeitigkeit des Ausspruches einer vom Arbeitgeber veranlassten Eigenkündigung gibt es nicht.
(BAG Urteil vom 20.05.2008 – 1 AZR 203/07

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Teilnahmepflicht am Personalgespräch über Änderung des Arbeitsvertrags?

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO betrifft nur die Konkretisierung der Arbeitspflicht, nicht aber den Inhalt des Arbeitsvertrages.
Daher ist ein Arbeitnehmer nicht verpflichtet, auf Weisung des Arbeitgebers an einem Personalgespräch teilzunehmen, in dem es ausschließlich um Verhandlungen über vom Arbeitgeber gewünschte Änderungen des Arbeitsvertrags gehen soll.
Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass der Arbeitgeber eine Abmahnung, die er wegen der Nichtteilnahme an einem solchen Personalgespräch ausgesprochen hat, aus der Personalakte entfernt.
(LAG Niedersachsen, Urteil vom 03.06.2008 – 3 Sa 1041/07)

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Doppelte Schriftformklausel – AGB-Kontrolle

Eine einfache Schriftformklausel, nach der Änderungen und Ergänzungen des Vertrages der Schriftform bedürfen, verhindert nicht, dass eine betriebliche Übung entsteht. Die Vertragsparteien können das für eine Vertragsänderung vereinbarte Schriftformerfordernis jederzeit schlüssig und formlos aufheben. Deshalb kann ein vereinbartes Schriftformerfordernis auch durch eine formfreie betriebliche Übung abbedungen werden.
Eine Klausel, nach der auch die Aufhebung des Schriftformerfordernisses der Schriftform bedarf (doppelte Schriftformklausel), kann verhindern, dass eine betriebliche Übung die im Arbeitsvertrag festgelegten Leistungspflichten ändert. Eine doppelte Schriftformklausel kann regelmäßig nicht durch eine die Schriftform nicht wahrende Vereinbarung abbedungen werden.
Nach § 305b BGB haben individuelle Vertragsabreden Vorrang vor allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dieses Prinzip des Vorrangs individueller Vertragsabreden setzt sich auch gegenüber wirksamen, konstitutiven Schriftformklausel durch. Das gilt auch bei einer doppelten Schriftformklausel.
Eine doppelte Schriftformklausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, wenn sie so gefasst ist, dass sie beim anderen Vertragsteil den Eindruck erweckt, eine nach Vertragsabschluss getroffene mündliche Abrede sei entgegen § 305b BGB unwirksam. Diese in der zu weit gefassten Klausel liegende Irreführung über die Rechtslage kann den Vertragspartner von der Durchsetzung der ihm zustehenden Rechte abhalten. Sie benachteiligt ihn deshalb unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB.
Der Vorrang von Individualabreden gemäß § 305b BGB gilt nicht für die betriebliche Übung. Sie ist keine Individualabrede. Eine hinsichtlich der Rechtslage nach § 305b BGB irreführende Schriftformklausel ist dennoch insgesamt unwirksam. Sie kann nicht im Hinblick auf die betriebliche Übung als teilwirksam aufrechterhalten werden. Für Allgemeine Geschäftsbedingungen gilt das aus § 306 Abs. 2 BGB abgeleitete Verbot der geltungserhaltenden Reduktion.
(BAG 20.05.2008 – 9 AZR 382/07)

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Ausgleichsklausel

Enthält ein vom Arbeitgeber vorformulierter Aufhebungsvertrag nach Festlegung des Beendigungsdatums sowie einiger Nebenansprüche eine Ausgleichsklausel «mit Erfüllung dieser Vereinbarung», so erfasst diese im Zweifel nicht offene Vergütungsansprüche bis zum Beendigungsdatum.
Sächsisches LAG – 26.02.2007 3 Sa 493/06

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Anhörung des Arbeitnehmers – Beginn der Frist des § 626 Abs. 2 BGB

Auch vor Ausspruch einer außerordentlichen (Tat-)Kündigung wegen strafbarer Handlung ist in der Regel eine Anhörung des Arbeitnehmers erforderlich. Erfolgt diese unverzüglich nach Kenntnis der maßgeblichen Umstände, so beginnt die Frist des § 626 Abs. 2 BGB mit dem Tag der Anhörung.

Das Formerfordernis des § 623 BGB erfasst alle den (Aufhebungs-)Vertragsinhalt bestimmenden Abreden, so auch die Zahlung einer Abfindung, es sei denn, diese Abrede habe keine wesentliche Bedeutung für den Vertrag (§ 139 BGB). Ein solcher Ausnahmefall
kann dann vorliegen, wenn die Vertragsparteien durch die Abrede, Nebenabreden sind nicht getroffen zu erkennen gegeben haben, dass es auf etwaige dennoch getroffene Nebenabreden für die Wirksamkeit des Vertrages nicht ankommen soll, und zusätzlich eine Ausgleichsklauselvereinbart wurde.
Sächsisches LAG – 23.04.2007 3 Sa 601/06

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BAG: Wechselschichtzulage für Bereitschaftszeiten von Rettungssanitätern

Nach dem am 01.10.2005 in Kraft getretenen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) erhalten Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, eine Zulage von monatlich 105 Euro und einen Zusatzurlaub. Auch die im Rettungsdienst üblichen Bereitschaftszeiten können nach Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.09.2008 in Wechselschicht geleistet werden und die entsprechenden Leistungen auslösen (Az.: 10 AZR 669/07).

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BAG: Schicht- und Wechselschichtzulage kann bei Teilzeitarbeit anteilig gekürzt werden

Nach dem am 01.10.2005 in Kraft getretenen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) erhalten Teilzeitbeschäftigte das Arbeitsentgelt und alle sonstigen Entgeltbestandteile in dem Umfang, der dem Anteil ihrer individuell vereinbarten durchschnittlichen Arbeitszeit an der regelmäßigen Arbeitszeit vergleichbarer Vollzeitbeschäftigter entspricht, soweit tarifvertraglich nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist. Diese Praxis hält das Bundesarbeitsgericht für rechtmäßig (Urteil vom 24.09.2008; Az.: 10 AZR 634/07).