Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

BSG: Kein Insolvenzgeld für Schadenersatz wegen nicht gewährten Ersatzurlaubs

Hat ein Arbeitnehmer weder seinen Urlaubsanspruch noch seinen Anspruch auf Ersatzurlaub geltend machen können, weil ihm sein Arbeitnehmer beides nicht gewährte, kann er, geht das Unternehmen dann in Insolvenz, kein Insolvenzgeld für Schadenersatz wegen des nicht gewährten Ersatzurlaubs geltend machen. Dieser in Geld abzugeltende Schadenersatzanspruch sei mit einem Urlaubsabgeltungsanspruch im Sinne des § 7 Abs 4 Bundesurlaubsgesetz vergleichbar und deshalb ebensowenig insolvenzfähig, entschied das Bundessozialgericht mit Urteil vom 06.05.2009 (Az.: B 11 AL 12/08 R).

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VGH Kassel zur Vergütung von Mehrarbeit bei teilzeitbeschäftigten Lehrern

Teilzeitbeschäftigte verbeamtete Lehrer sind ebenso wie vollzeitbeschäftigte Lehrer zu vergütungsfreier Mehrarbeit verpflichtet. Der Umfang entspreche dem Verhältnis der verminderten Arbeitszeit zu den von vollzeitbeschäftigten Lehrern vergütungsfrei im Monat zu leistenden drei Unterrichtsstunden. Nur die über diese unentgeltlich zu leistende Mehrarbeit hinaus geleistete «zusätzliche» Mehrarbeit ist auf Basis der regulären Bezüge zu vergüten. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof Kassel in zwei Verfahren entschieden (Urteile vom 05.05.2009, Az.: 1 A 2519/07 und 1 A 2098/0). Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ließ der Gerichtshof die Revision zu.

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Kündigung und Entlassungssperre

Die Entlassungssperre nach § 18 Abs. 1 KSchG hindert weder den Ausspruch einer Kündigung nach Anzeige der Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit während des
Laufs der Sperrfrist nach § 18 Abs. 1 oder Abs. 2 KSchG noch verlängert die Sperrfrist die gesetzlichen Kündigungsfristen. Nach der gesetzlichen Formulierung des §18 Abs. 1 KSchG kann eine Kündigung schon unmittelbar nach Erstattung (Eingang) der Anzeige bei der Agentur für Arbeit ausgesprochen werden. Die Gesetzesfassung verbietet vor Ablauf der Sperrfrist de Ausspruch der Kündigung nicht, auch wenn man unter „Entlassung“ im Sinne der Norm die Kündigung versteht.
Eine Kündigung kann somit nach Anzeigenerstattung erfolgen. Die betroffenen Arbeitnehmer dürfen nur nicht vor Ablauf der Monatsfrist des § 18 abs. 1 KSchG – oder im Fall des § 18 Abs. 2 KSchG der längstens zweimonatigen Frist – aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Dementsprechend werden von der „Sperrfrist“ nur solche Kündigungen unmittelbar erfasst, deren Kündigungsfrist kürzer als einen Monat (bzw. zwei Monate) sind.
Der vorstehenden Auslegung steht auch nicht die Regelung zur sog. Freifrist des § 18 Abs. 4 KSchG entgegen. Ob § 18 Abs. 4 KSchG nach der neuen Auffassung vom
Begriff der „Entlassung“ überhaupt noch anwendbar ist und nicht teleologisch zu reduzieren ist, kann dahingestellt bleiben.
BAG 6.11.2008 – 2 AZR 935/07

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BAG: Zunächst zulässige Vergütung kann durch Entwicklung des Tariflohns wucherisch werden

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung vom 22.04.2009 deutlich gemacht, dass ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Arbeitsverhältnis und damit Lohnwucher vorliegt, wenn die Arbeitsvergütung nicht einmal 2/3 eines in der betreffenden Branche und Wirtschaftsregion üblicherweise gezahlten Tariflohnes erreicht. Maßgebend sei der Vergleich mit der tariflichen Stunden- oder Monatsvergütung ohne Zulagen und Zuschläge, wobei auch die besonderen Umstände des Falles zu berücksichtigen seien, so die Richter. So könne eine bei Abschluss des Arbeitsvertrags noch nicht zu beanstandende Vergütung durch die Entwicklung des Tariflohns wucherisch werden (Urteil vom 22.04.2009, Az.: 5 AZR 436/08).

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Kündigung wegen verspäteter Krankmeldung

Eine verspätete Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz rechtfertigt (auch) nach erfolgloser Abmahnung regelmäßig nicht die fristlose Kündigung. Angesichts des regelmäßig geringen Gewichts dieser Pflichtversäumnis ist es dem Arbeitgeber vielmehr zuzumuten, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist einer ordentlichen Kündigung fortzusetzen.
(LAG Köln, Urteil vom 07.01.2008 – 14 Sa 1311/07)

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Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebes

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können mehrere Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb bilden. Dies gilt für das Betriebsverfassungsrecht (vgl. zuletzt BAGE 59, 319 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, m. w. N.) wie für das Kündigungsschutzgesetz (§ 1 KSchG: Urteil vom 13. Juni 1985 [2 AZR 452/84] AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969; § 15 KSchG: BAGE 55, 117 = AP Nr. 30 zu § 15 KSchG 1969; § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG: BAGE 45, 259 = AP Nr. 4 zu § 23 KSchG 1969). Für den Geltungsbereich der betriebsverfassungsrechtlichen wie der kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften ist hierbei von dem betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff auszugehen (vgl. zuletzt BAGE 55, 117, 126 ff.).
Danach ist als Betrieb die organisatorische Einheit anzusehen, innerhalb derer der Unternehmer allein oder zusammen mit seinen Mitarbeitern mit Hilfe sächlicher und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. In erster Linie kommt es dabei auf die Einheit der Organisation, weniger auf die Einheitlichkeit der arbeitstechnischen Zweckbestimmung an. Regelmäßig liegt ein einheitlicher Betrieb vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen oder immateriellen Betriebsmittel für den oder die verfolgten arbeitstechnischen Zwecke zusammengefasst geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Soll der Betrieb von mehreren Unternehmen geführt werden, so müssen sich die beteiligten Unternehmen zur gemeinsamen Führung des Betriebes rechtlich verbunden haben. Eine dahingehende Vereinbarung kann auch stillschweigend geschlossen werden und ihre Existenz sich aus den tatsächlichen Umständen ergeben. Ergeben die Umstände des Einzelfalles, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird, so deutet dies regelmäßig darauf hin, dass eine Führungsvereinbarung vorliegt. Das trifft nicht schon dann zu, wenn die Unternehmen z. B. auf der Grundlage von Organ- oder Beherrschungsverträgen lediglich unternehmerisch zusammenarbeiten. Vielmehr muss die Vereinbarung auf eine einheitliche Leitung für die Aufgaben gerichtet sein, die vollzogen werden müssen, um die in der organisatorischen Einheit zu verfolgenden arbeitstechnischen Zwecke erfüllen zu können (BAGE 59, 319, 324, 325).
Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines von mehreren Unternehmen geführten gemeinsamen Betriebes im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG trägt der Arbeitnehmer (BAGE 45, 259, 268). Da er jedoch in der Regel keine oder nur ungenaue Kenntnisse von dem Inhalt der zwischen den beteiligten Unternehmen getroffenen vertraglichen Vereinbarungen hat, dürfen insoweit keine strengen Anforderungen an seine Darlegungslast gestellt werden. Es reicht in der Regel aus, wenn er die äußeren Umstände schlüssig darlegt, die für die Annahme sprechen, dass sich mehrere Unternehmen rechtlich über die Führung eines gemeinsamen Betriebes geeinigt haben und dementsprechend arbeitstechnische Zwecke innerhalb einer organisatorischen Einheit unter einem einheitlichen Leitungsapparat fortgesetzt verfolgen. Zu diesen Umständen gehören z. B. die gemeinsame Nutzung der technischen und immateriellen Betriebsmittel, die gemeinsame räumliche Unterbringung, die personelle, technische und organisatorische Verknüpfung der Arbeitsabläufe, das Vorhandensein einer unternehmensübergreifenden Leitungsstruktur zur Durchführung der arbeitstechnischen Zwecke, insbesondere zur Wahrnehmung der sich aus dem Direktionsrecht des Arbeitgebers ergebenden Weisungsbefugnisse. (BAG, Urteil vom 18.1.1990 – 2 AZR 355/89)

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LAG Hamm: 5,20 Euro Stundenlohn bei Textildiscounter KiK ist sittenwidrig

Die vom Textildiscounter KiK an zwei Minijobberinnen gezahlte Vergütung in Höhe von 5,20 Euro pro Stunde ist sittenwidrig. Das hat das Landesarbeitsgericht Hamm entschieden und damit die Vorinstanz bestätigt. Die Landesarbeitsrichter sahen in beiden Fällen ein auffälliges Missverhältnis zwischen der vereinbarten Lohnhöhe und der Arbeitsleistung. Die Revision wurde nicht zugelassen (Urteile vom 18.03.2009, Az.: 6 Sa 1284/08; 6 Sa 1372/08).

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Kündigung wegen Auftragsmangels bei Arbeitsunfähigkeit

Ein Arbeitnehmer, der infolge eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig krank ist und dessen Krankschreibung voraussichtlich über seine Kündigungsfrist hinaus andauern wird, kann bei Auftragsmangel weder aus dringenden betrieblichen noch aus personenbedingten Gründen entlassen werden.
LAG Berlin: Kündigung wegen Auftragsmangels bei Arbeitsunfähigkeit NZA-RR 2001 Heft 4 187
LAG Berlin, Urteil vom 14. 1. 2000 – 6 Sa 1547/99 (ArbG Berlin, Urteil vom 20. 5. 1999 – 7 Ca 30907/98)

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BAG: Arbeitnehmer kann sich nicht im Nachhinein auf Unwirksamkeit einer akzeptierten Kündigung berufen

Spricht ein Arbeitnehmer eine schriftliche außerordentliche Kündigung aus, so kann er sich später regelmäßig nicht auf deren Unwirksamkeit berufen. Dies hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 12.03.2009 (Az.: 2 AZR 894/07) entschieden. Es verstoße gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, wenn der Arbeitnehmer sich gegen eine zuvor von ihm ausgesprochene und vom Arbeitgeber akzeptierte außerordentliche Kündigung wende.

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BAG: Betriebserwerber tritt in arbeitsgerichtlichem Beschlussverfahren an die Stelle des bisherigen Arbeitgebers

ZPO §§ 265, 325; ArbGG 83 III
Streiten Arbeitgeber und Betriebsrat im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren und findet während dieses Verfahrens ein Betriebsübergang statt, tritt der neue Arbeitgeber in die prozessuale Rechtsstellung seines Vorgängers ein.

BAG, Beschluss vom 09.12.2008 – 1 ABR 75/07 (LAG München);