Kategorien-Archiv Arbeitsrecht

VonHagen Döhl

Kündigung wegen drei verschenkter Schrauben unwirksam

Vor dem ArbG Bonn ist eine Kündigung eines Betriebsratsvorsitzenden gescheitert, der drei Schrauben seines Arbeitgebers an einen früheren Kollegen verschenkt hatte.
(ArbG Bonn 1 BV 47/10)

VonHagen Döhl

Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung

Das BAG hatte über die Tariffähigkeit einer Christlichen Gewerkschaft zu entscheiden.

Das von der IG Metall eingeleitete Beschlussverfahren betrifft die Feststellung der Tariffähigkeit der Gewerkschaft für Kunststoffgewerbe- und Holzverarbeitung im Christlichen Gewerkschaftsbund (GKH). Diese wurde im März 2003 gegründet. Kurz darauf vereinbarte sie mit dem „Deutschen Handels- und Industrieangestellten- Verband (DHV)“ eine Tarifgemeinschaft. Diese schloss bundesweit Tarifverträge mit Innungsverbänden des Tischler-, Schreiner- und Modellbauerhandwerks. Einem Teil dieser Tarifverträge lagen Vereinbarungen zugrunde, die Innungsverbände zuvor mit der nicht tariffähigen Christlichen Gewerkschaft Deutschlands (CGD) vereinbart hatten.
Die Vorinstanzen haben den Antrag abgewiesen.

Auf die Rechtsbeschwerde der IG Metall hat das BAG die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und zur neuen Anhörung zurückverwiesen.

Tarifverträge kann nur eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung schließen. Dazu muss sie über Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler verfügen. Sie muss auch organisatorisch in der Lage sein, die Aufgaben einer Tarifvertragspartei zu erfüllen. Die Tariffähigkeit kommt in erster Linie in der Zahl der Mitglieder und der Leistungsfähigkeit der Organisation zum Ausdruck. Bei Zweifeln an der Durchsetzungs- und Leistungsfähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung kann eine nennenswerte Zahl eigenständig abgeschlossener Tarifverträge ihre Tariffähigkeit indizieren.

Nach Auffassung des BAG kann im vorliegenden Fall aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen die Tariffähigkeit der GKH nicht abschließend beurteilt werden. Die GKH habe ihre Mitgliederzahl nicht offengelegt und die Leistungsfähigkeit ihrer Organisation nicht ausreichend dargestellt. Die gemeinsam mit dem DHV abgeschlossenen Tarifverträge indizierten weder Durchsetzungsfähigkeit noch organisatorische Leistungsfähigkeit der GKH.

BAG 5.10.2010 1 ABR 88/09

VonHagen Döhl

LAG Köln: Fristlose Kündigung eines EDV-Administrators wegen Lesens von Vorstand-E-Mails rechtens

Ein EDV-Administrator, dem fristlos gekündigt worden war, weil er E-Mails und Kalendereinträge des Vorstands seiner Arbeitgeberfirma eingesehen hatte, ist mit seiner Kündigungsschutzklage gescheitert. Das Kölner Landesarbeitsgericht stellte klar, dass ein EDV-Administrator seine Zugangsrechte nur für seine Aufgaben nutzen dürfe, die der Funktion des Computersystems dienten. Er dürfe nicht außerhalb dieser Aufgaben Inhalte fremder Datenbestände einsehen. Ein Missbrauch der Zugangsrechte könne eine fristlose Kündigung rechtfertigen, heißt es in dem Urteil vom 14.05.2010 (Az.: 4 Sa 1257/09).

VonHagen Döhl

Fristlose Kündigung einer langjährig Beschäftigten trotz Betrugshandlung unwirksam

Das LArbG Berlin-Brandenburg hat die Kündigung einer langjährig beschäftigten Bahnmitarbeiterin trotz einer Betrugshandlung im Umfange von rund 160 Euro für unwirksam gehalten.
Die Arbeitnehmerin, die als Zugabfertigerin auf einem Bahnhof beschäftigt war, hatte ihr 40-jähriges Dienstjubiläum im Kollegenkreis gefeiert, im Anschluss daran dem Arbeitgeber eine von einer Catering-Firma erhaltene „Gefälligkeits“-Quittung über einen Betrag von 250 Euro für Bewirtungskosten vorgelegt und sich den Betrag erstatten lassen, während sich die Bewirtungskosten in Wirklichkeit nur auf rund 90 Euro beliefen. Beim Arbeitgeber bestand eine Regelung, wonach aus Anlass des 40-jährigen Dienstjubiläums nachgewiesene Bewirtungskosten bis zur Höhe von 250 Euro erstattet werden.
Das LArbG Berlin-Brandenburg hat die fristlose Kündigung für unwirksam erachtet.
Nach Auffassung des Gerichts hat zwar die Arbeitnehmerin durch die Betrugshandlung gegenüber ihrem Arbeitgeber eine strafrechtlich relevante grobe Pflichtwidrigkeit begangen und damit ohne weiteres einen Kündigungsgrund „an sich“ gesetzt. Im Rahmen der auf den Einzelfall bezogenen Interessenabwägung hätten jedoch die zugunsten der Arbeitnehmerin zu berücksichtigenden Umstände – letztlich – überwogen. Dabei sei die neuere Entscheidung des BAG vom 10.06.2010 (2 AZR 541/09 „Pfandbon“) mit zu beachten gewesen, in der das BAG die Kündigung des Arbeitsverhältnisses einer langjährig beschäftigten Kassiererin für unwirksam erachtet hatte. Den sich aus der Pressemitteilung ergebenden Erwägungen folgend hat das Landesarbeitsgericht in erster Linie die 40-jährige beanstandungsfreie Beschäftigungszeit der Arbeitnehmerin in Rechnung gestellt, die – unter Berücksichtigung der neuen Entscheidung des BAG vom 10.06.2010 – zu einem sehr hohen Maß an Vertrauenskapital geführt hat. Dieses sei durch die einmalige Verfehlung noch nicht vollständig zerstört worden.
Des Weiteren sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Arbeitnehmerin – anders als die Kassiererin im „Pfandbonfall“, die ihre Pflichtwidrigkeit sogar im Kernbereich ihrer Tätigkeit an der Kasse begangen hatte – sich bei ihrer Handlung außerhalb ihrer normalen Tätigkeit befunden hat, denn als Zugabfertigerin habe sie nicht regelmäßig mit Gelddingen zu tun. Bei dem im Zusammenhang mit der Jubiläumsfeier stehenden Vorgang habe es sich um einen für die Arbeitnehmerin und ihre Tätigkeit atypischen Vorgang gehandelt.
Schließlich habe die hiesige Arbeitnehmerin – anders wiederum als die Kassiererin im „Pfandbonfall“ – bei der Anhörung durch den Arbeitgeber ihre Pflichtwidrigkeiten sofort eingeräumt und keine falschen Angaben gemacht oder gar Kollegen unzutreffenderweise beschuldigt.
Alle diese zu Gunsten der Arbeitnehmerin sprechenden Gesichtspunkte hätten das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, dem angesichts der massiven Betrugshandlung der Arbeitnehmerin durchaus ein sehr hohes Gewicht beizumessen gewesen ist, letztlich überwogen.
Da die Arbeitnehmerin tarifvertraglich nicht mehr ordentlich kündbar ist, bestehe das Arbeitsverhältnis fort.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
(LArbG Berlin-Brandenburg 16.09.2010 2 Sa 509/10)

VonHagen Döhl

ArbG Hamburg: Starre Altersgrenze im Manteltarifvertrag der Hamburger Hochbahn AG unwirksam

Die starre Altersgrenze im Manteltarifvertrag der Hamburger Hochbahn AG, wonach das Arbeitsverhältnis mit Vollendung des 65. Lebensjahres endet, verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung gemäß §§ 1, 7 Abs. 1 AGG und ist deshalb unwirksam. Dies hat das Arbeitsgericht Hamburg mit Urteil vom 26.07.2010 entschieden. Entgegen einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BeckRS 2008, 54975) müsse mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (BeckRS 2009, 70260 und BeckRS 2009, 70674) einzelfallbezogen begründet werden, warum eine tarifliche Regelaltersgrenze geeignet und erforderlich sei, um legitime Ziele zu erreichen, so das ArbG. Daran habe es hier gefehlt (Az.: 22 Ca 33/10).

VonHagen Döhl

BSG: Arbeitnehmer kann für verauslagte Reparaturkosten eines Firmenwagens Anspruch auf Insolvenzgeld haben

Ein Anspruch auf Ersatz verauslagter Kosten für die Reparatur eines Firmenwagens kann unter bestimmten Umständen einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen. Dies hat der Elfte Senat des Bundessozialgerichts am 08.09.2010 entschieden (Az.: B 11 AL 34/09 R).
Der Kläger war als Betriebsleiter beschäftigt. Sein Arbeitgeber hatte ihm vereinbarungsgemäß einen Firmenwagen zur Verfügung gestellt und sich verpflichtet, die Betriebskosten zu tragen. In den letzten drei Monaten des Arbeitsverhältnisses verauslagte der Kläger für das Fahrzeug Reparaturkosten in Höhe von insgesamt rund 970 Euro. Die beklagte Bundesagentur für Arbeit lehnte die Zahlung von weiterem Insolvenzgeld wegen der Reparaturkosten ab. Die Klage blieb in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg.
Die Revision des Klägers war hingegen erfolgreich. Der Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten war in seinem Fall laut BSG ein Anspruch auf «Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis» im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 3 SGB III. Denn nach den getroffenen Feststellungen habe der Kläger, der als Betriebsleiter den Firmenwagen für den betrieblichen Einsatz benötigte, die Reparaturkosten nach Rücksprache mit seinem Arbeitgeber verauslagt, um die Aufrechterhaltung der betrieblichen Tätigkeit zu sichern. Damit sei der nach der Rechtsprechung erforderliche direkte Zusammenhang mit der Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis zu bejahen gewesen.

VonHagen Döhl

Information der Kunden über Arbeitgeberwechsel

Wer nach einem Wechsel zu einem anderen Unternehmen Kunden seines ehemaligen Arbeitgebers, die ihm aus seiner früheren Tätigkeit bekannt sind, anruft, um sie von dem Wechsel in Kenntnis zu setzen, verstößt im Allgemeinen nicht gegen § 7 Abs. 1 UWG.
(BGH Urteil 11.03.2010, I ZR 27/08)

VonHagen Döhl

BAG: Mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung beendet Arbeitsverhältnis bei nicht rechtzeitig eingelegter Kündigungsschutzklage zum «falschen» Termin

Der Arbeitnehmer muss bei einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung die Nichteinhaltung der objektiv richtigen Kündigungsfrist innerhalb der fristgebundenen Klage nach § 4 Satz 1 KSchG geltend machen, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nicht als eine solche mit der rechtlich gebotenen Frist auslegen lässt. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Bedürfe danach die Kündigung der Umdeutung in eine Kündigung mit zutreffender Frist, dann gelte die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung nach § 7 KSchG als rechtswirksam und beende das Arbeitsverhältnis zum «falschen» Termin, wenn die Kündigungsschutzklage nicht binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung erhoben worden ist (Urteil vom 01.09.2010, Az.: 5 AZR 700/09).

VonHagen Döhl

LAG Hamm bestätigt fristlose Kündigung einer Stadtangestellten wegen Falschgelds in ihrer Kasse

Die Stadt Dortmund durfte einer langjährigen Mitarbeiterin außerordentlich kündigen, gegen die der Verdacht besteht, dass sie Geld aus der Stadtkasse genommen und gegen Falschgeld ausgetauscht hat. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat die Verdachtskündigung, ebenso wie zuvor das Arbeitsgericht Dortmund, für wirksam erachtet. Denn die von der Stadt vorgetragenen Indizien machten die Klägerin dringend verdächtig, das Geld bewusst ausgetauscht zu haben, so das LAG in seinem Urteil vom 26.08.2010 (Az.: 17 Sa 537/10).

VonHagen Döhl

Mutterschutz für Selbstständige

Ab dem 04.08.2010 haben selbstständig Erwerbstätige und deren Partner erstmals Anspruch auf Mutterschaftsurlaub.
Mit der neuen EU-Rechtsvorschrift über Mutterschutz und Rentenleistungen für selbstständig Erwerbstätige, die am 04.08.2010 in Kraft tritt, wird der soziale Schutz von Millionen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt verbessert und die Position von Frauen als Unternehmerinnen gestärkt. „Mit der neuen Richtlinie vollzieht Europa einen wichtigen Schritt, um den sozialen Schutz zu verbessern und selbstständig erwerbstätigen Männern und Frauen sowie deren Partnern gleiche wirtschaftliche und soziale Rechte zu gewähren. Ich fordere alle Mitgliedstaaten auf, die Richtlinie rasch umzusetzen, damit unsere Bürger die daraus resultierenden Vorteile nutzen können“, erklärte Kommissionsvizepräsidentin Viviane Reding, zuständig für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft.
Selbstständig erwerbstätiger Frauen und mitarbeitende Ehe- oder Lebenspartner können jetzt Mutterschaftsleistungen erhalten, die eine Unterbrechung ihrer Erwerbstätigkeit während mindestens 14 Wochen ermöglichen. Die EU-Mitgliedstaten müssen die Richtlinie nun innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umsetzen.
(Europäische Kommission 4.8.2010)