Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat einer Rechtsanwältin eine Entschädigung zugesprochen, die sich vergeblich auf eine Stellenanzeige «Geschäftsführer gesucht» beworben hatte. Da die Anzeige nicht geschlechtsneutral formuliert sei, hält das OLG – auch aus Gründen der Abschreckung – eine Entschädigung in Höhe eines Monatsgehalts, hier 13.000 Euro, für angemessen (Urteil vom 13.09.2011, Az.: 17 U 99/10).
Die Beklagte ist ein mittelständisches Unternehmen. In ihrem Auftrag gab eine Rechtsanwaltskanzlei 2007 zwei Stellenanzeigen folgenden Inhalts auf: «Geschäftsführer im Mandantenauftrag zum nächstmöglichen Eintrittstermin gesucht für mittelständisches … Unternehmen mit Sitz im Raum Karlsruhe. Fähigkeiten in Akquisition sowie Finanz- und Rechnungswesen sind erforderlich, Erfahrungen in Führungspositionen erwünscht. Frühere Tätigkeiten in der Branche nicht notwendig…» Die auch als Rechtsanwältin zugelassene Klägerin war bereits 20 Jahre bei Versicherungsunternehmen tätig gewesen, zuletzt als Personalleiterin. Nachdem ihre Bewerbung nicht berücksichtigt worden war, meldete sie umgehend Entschädigungsansprüche in Höhe von knapp 25.000 Euro an und begehrte Auskunft über den Auftraggeber der Stellenanzeige. Den benannte die Rechtsanwaltskanzlei erst, nachdem sie vom Landgericht Karlsruhe im April 2008 dazu verurteilt worden war.
Die Stellenausschreibung verstoße gegen das Benachteiligungsverbot in § 7 AGG, so das OLG Karlsruhe im Gegensatz zur Vorinstanz. Aufgrund dieses Verbotes dürfe nicht nach männlichen oder weiblichen Kandidaten gesucht werden. Geschlechtsneutral sei eine Ausschreibung nur formuliert, wenn sie sich in ihrer gesamten Ausdrucksweise sowohl an Frauen als auch an Männer richte. Diesen Vorgaben genüge die Stellenausschreibung hier nicht, da der Begriff «Geschäftsführer» eindeutig männlich sei und weder durch den Zusatz «/in» noch durch die Ergänzung «m/w» erweitert werde. Dieser männliche Begriff werde auch im weiteren Kontext der Anzeige nicht relativiert.
Dass die Stellenanzeige nicht von dem beklagten Unternehmen, sondern von der Rechtsanwaltskanzlei formuliert worden sei, ändere nichts. Bediene sich der Arbeitgeber zur Stellenausschreibung eines Dritten, so sei ihm dessen Verhalten in aller Regel zuzurechnen. Den Arbeitgeber treffe die Sorgfaltspflicht, die Ordnungsgemäßheit der Ausschreibung zu überwachen.
Diese nicht geschlechtsneutrale Stellenausschreibung führe gemäß § 22 AGG dazu, dass eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermutet werde. Die Beklagte habe hier die maßgeblichen Erwägungen für ihre Auswahl nicht dargelegt. Die Tatsache, dass eine weibliche Bewerberin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei, vermöge die Vermutung allein nicht zu widerlegen. Auch der Einwand der Beklagten, die Klägerin sei nicht wegen ihres Geschlechts, sondern wegen der mangelnden Akquisitionserfahrung nicht eingeladen worden, könne die Vermutung nicht widerlegen. Damit sei nämlich nicht belegt, dass das Geschlecht neben der möglicherweise fehlenden Akquisitionserfahrung der Klägerin bei der Entscheidung keine Rolle gespielt habe. Die Beklagte habe auch keine ausreichenden Indizien für eine missbräuchliche Bewerbung der Klägerin dargelegt.
Die Klägerin habe deshalb einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG, so das OLG weiter. Der Senat hält eine Entschädigung im Umfang eines Monatsgehaltes, hier zirka 13.000 Euro, für angemessen. Für die Höhe sei unter anderem ausschlaggebend, dass sie auch abschreckende Wirkung haben müsse. Hier sei auch zu berücksichtigen, dass die diskriminierende Anzeige zweimal erschienen sei und die Klägerin zunächst die Anwaltskanzlei habe gerichtlich auf Auskunft in Anspruch nehmen und sogar die Zwangsvollstreckung einleiten müssen, bevor sie ihre Entschädigungsansprüche gegenüber der Beklagten habe anmelden können. Andererseits seien außer der Überschrift «Geschäftsführer» keine weiteren Diskriminierungen oder Beeinträchtigungen der Klägerin erkennbar.
(OLG Karlsruhe, Urteil vom 13.09.2011 – 17 U 99/10)
Über den Autor