Vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe hatte ein am 19.10.1990 geschlossener Kaufvertrag über ein in Chemnitz gelegenes Hausgrundstück keinen Bestand. Durch den Vertrag wollte ein Immobilienkaufmann aus Westdeutschland ein 590 qm großes, mit einem fünfgeschossigen Wohn- und Geschäftshaus bebautes Grundstück zu einem Preis von ca. 245.000 DM erwerben. Der Kaufpreis wurde bezahlt. 1992 verkaufte der Erwerber das Hausgrundstück für 2,4 Mio DM an eine Versicherungsgesellschaft weiter, die das Haus anschließend mit einem Aufwand von 2,5 Mio DM sanierte und modernisierte. Die früheren Eigentümer, eine Erbengemeinschaft, fühlen sich übervorteilt. Der Wert des Grundstücks habe im Oktober 1990 schon mindestens 600.000 DM betragen. Der beklagte Immobilienkaufmann habe ihre Unerfahrenheit als ehemalige DDR-Bürger in Grundstücksgeschäften ausgenutzt. Mit der Begründung, der Kaufvertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig, haben sie Zahlung der Differenz zwischen – behauptetem – Grundstückswert und gezahltem Kaufpreis, also (600.000 – 245.000 =) 355.000 DM, verlangt.
Während das Landgericht Karlsruhe in erster Instanz die Klage mit der Begründung abgewiesen hatte, im Oktober 1990 habe in den neuen Bundesländern noch kein Grundstücksmarkt existiert, ein Missverhältnis zwischen Grundstückswert und Kaufpreis lasse sich daher nicht feststellen, hatte die Klage nunmehr vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe Erfolg.
Der 11. Zivilsenat hat ausgeführt, dass der Grundstücksmarkt im Oktober 1990 in den neuen Bundesländern zwar erst im Entstehen begriffen war. Trotzdem sei es damals möglich gewesen, den Wert eines Grundstücks zu ermitteln. Mit dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages am 03.10.1990 seien letzte rechtliche Unsicherheiten im Grundstücksverkehr weggefallen. Eine Angleichung der Verhältnisse in Ost- und Westdeutschland auf dem Immobilienmarkt sei zu erwarten gewesen. Deshalb hätten zur Ermittlung des Grundstückswertes auch Preise für vergleichbare Grundstücke in den alten Bundesländern herangezogen werden können. Aufgrund eines Sachverständigengutachtens ist das Oberlandesgericht zu dem Ergebnis gekommen, das Grundstück sei seinerzeit rund 600.000 DM wert gewesen. Es liege ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Der Beklagte habe auch aus verwerflicher Gesinnung gehandelt und die Unerfahrenheit seiner Vertragspartner ausgenutzt. Dies könne allerdings nicht – wie sonst in derartigen Fällen – allein aus dem krassen Wertunterschied der ausgetauschten Leistungen geschlossen werden; denn der Immobilienmarkt sei kurz nach der Wiedervereinigung erst im Entstehen begriffen und mit Unsicherheiten bei der Wertermittlung belastet gewesen. Hier ergebe sich die verwerfliche, zur Sittenwidrigkeit des Geschäfts führende Gesinnung aber aus den konkreten Umständen des Falles. Der Beklagte hatte nämlich Ende 1990/Anfang 1991 auch in anderen Fällen versucht, in den neuen Bundesländern Grundstücke zu Billigstpreisen zu erwerben. Das Oberlandesgericht hat ihn deshalb wegen ungerechtfertigter Bereicherung zur Zahlung der Wertdifferenz verurteilt.
Der Beklagte kann gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Revision zum Bundesgerichtshof einlegen.
(Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 23.03.2000 – 11 U 45/98 )
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